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und geriethen gegen 9 Uhr abends in eine Schnee-Rinne, wodurch eine Lawine verursacht wurde. Ein Tourist namens Meier aus Berlin wurde von derselben in die Tiefe mitgerissen. Die andern drei erreichten erst am andern Morgen Hinter-Bärenbad.
— Der Inhaber der früheren Privatpost in Worms hat Selbstmord begangen. Er hatte einen auffallend hohen Entschädigungsanspruch an die Reichspost geltend gemacht. Bei der Prüfung gelang es dem Postinspektor, ihn zu überführen, daß er seine Buchführung nachträglich und in schroffsten- Widerspruche mit den thatsächlichen Verhältnissen lediglich zur Täuschung- der Postverwaltung und Uebervorteilung des Reichssiskus angelegt hatte. Die Furcht vor den Folgen hat ihn jedenfalls zu dem unseligen Entschlüsse getrieben.
Romanshorn, 6. Juni. Am Pfingstsonntag vergnügte sich ein Pärchen mit Gondelfahren. Aus unbekannter Ursache kippte das Boot in einiger Entfernung vom Seehafen um. Man vernahm wohl noch Hilferufe, doch kam die Hilfe zu spät. Die beiden sind bis jetzt noch nicht anfgefunden worden.
Wien, 6. Juni. In hiesigen diplomatischen Kreisen wird die Lage in China sehr ernst aufgefaßt. Es verlautet, daß in Peking alles zur Flucht der Kaiserin- Mutter bereit sei. Man befürchtet die Möglichkeit, daß sie sich zu den Boxern begibt.
— Ueber den Boxer>Aufstand wird aus Tientsin der „Daily Mail- berichtet, die Kosaken hätten ausgesagt, daß die. Boxer bei ihrem Angriffe in geschlossener Masse mit fanatischer Entschiedenheit Widerstand geleistet hätten. Nach einer Meldung des Bureau Dalziel aus Shanghai konferiren die Gesandten in Peking über eine gemeinsame Aktion, aber nur Rußland sei betreffs der nötigen Maßregeln entschieden dagegen.
— Die Tientsin-Eisenbahn sollte, so meint der Korrespondent, sofort von den Engländern abpatrouillirt und geschützt werden. Peking selbst sei anscheinend noch ruhig, aber es besteht viel erhaltene Erregung dort. Die Rebellen verbrannten und zerstörten die Station Anting und umzingelten Langfang. In Peking laufen keine Züge aus oder ein und die Lokomotivführer weigern sich, ohne ausländischen bewaffneten Schutz ihre Lokomotiven zu besteigen. Japanische, amerikanische, französische und russische Schiffe landen weitere Abteilungen Marine. Es laufen der „Fkf. Z." zufolge Gerüchte um über einen Kamps und Tumult im Palaste von Peking.
Vom Kriegsschauplatz in Südafrika.
London, 6. Juni. Ein Telegramm des Lord Roberts vom 5. Juni besagt: Gestern drängte ich den Feind auf allen Linien zurück. Die berittene Infanterie des Generals Hamilton verfolgte den Feind bis auf 2 Kilometer vor Prätoria. Die Buren ergriffen die Flucht. Der Kommandant Botha ließ mir Mitteilen, die Stadt würde nicht verteidigt werden und er hoffe, daß Frauen und Kindern Schntz gewährt würde. Drei hohe T«ans- vaalbcamte kamen mir mit einer weißen Fahne entgegen und drückten den Wunsch
au», die Stadt zu überliefern. Es wurde beschlossen, daß die englischen Truppen um 2 Uhr von der Stadt Besitz ergreifen. Die Gemahlin des Kommandanten Botha und die des Präsidenten Krüger befanden sich in der Stadt. Einzelne englische Gefangene wurden bereits freigelassen.
London, 6. Juni. Lord Roberts telegraphiert aus Prätoria von gestern Nachm.: Ich habe das Bedauern, Mitteilen zu müssen, daß das 12. Aeomanry- Bataillon sich am 31. Mai bei Lindley dem Feinde ergeben mußte. Als ich erfuhr, daß das Bataillon angegriffen war befahl ich sofort dem Lord Methuen,. dem Bataillon Verstärkung zu bringen Lord Methuen befand sich zu dieser Zeit zwischen Kronstadt und Heilbron. Eine halbe Stunde nach Empfang meines Te- legramms am 1. Juni trat er um 10 Uhr Morgens den Marsch an. Am nächsten Tage harte er schon 44 Meilen znrückgelegt, kam aber zu spät, um das Bataillon zu .entsetzen. Methuen griff den Feind, der 2—3000 Mann stark war, an und brachte ihn nach üstündigem Gefecht zum Weichen. Ich hoffe, daß die Gefangenschaft des betreffenden Bataillons nicht von langer Dauer sein wird.
— Die Nachricht von der Einnahme Prätoria's ist in London mit ähnlichen Jubelausbrüchen aufgenommen werden wie die Nachricht von dem Entsätze Mafe- kings. Vor dem Kriegsministerium, wo die Nachricht zuerst bekannt wurde, brach der Jubel aus. Vor dem Mansion Hause wo der Lord Mayor ein bereit gehaltenes Plakat mit der Aufschrift: Die britische Flagge weht über Prätoria! anheften ließ, sammelte sich alsbald eine so große jubelnde Menge, daß aller Wagenverkehr eingestellt werden mußte. Rohe Elemente nahmen, lt. „Frkf. Ztg.", in der Menge bald derart überhand, daß hundert Polizisten den Platz zum Theil gewaltsam säubern und mehrere Verhaftungen vornehmen mußten.
— Mit dem Einzug Lord Roberts in Prätoria ist der Krieg, sowohl was seine politischen Zwecke wie auch was die militärischen Operationen größeren Stils angeht, zu Ende. iWas jetzt noch folgt sind politische Sorgen und die Erfordernisse des Kleinen Kriegs, die auf die vollständigeUnterwerfnng und Beruhigung des Landes gerichtet sind. Den Buren fehlte im Kampfe mit einem europäischen Gegner der Geist der Offensive, ohne den keine Schlachten gewonnen werden. Der ursprüngliche Feldzugsplau der Engländer war so verfehlt, die Verzettelung der britischen Streitkrüste so bedenklich, die Unterschätzung der burischen Widerstandskräfte so erstaunlich, und die Schwierigkeiten mit denen England bei der gewaltigen Enfernung des Kriegsschauplatzes vom Mutterlands zu kämpfen hatten, waren so groß, daß Erfolge von den Buren keineswegs ausgeschlossen erschienen. Aber so gering war bei den Buren das Verständnis für die Offensive, daß sie die Freiwilligen, besonders die Deutschen, die ihre Brust mutig dem Feinde entgegenwarfen, um einen solchen Erfolg möglich zu machen, offen tadelten und verachteten. Dazu kam noch, daß ihre militärische Organisation, das Volksheer ohne Wehrpflicht, vor einer nach modernen Grundsätzen geschulten übermächtigen Armee zusammenbrechen mußte.
Wnl er Her ktenöes.
Das Duell.
Humoreske, nacherzählt von F. Kirchner.
„Treten Sie Ihrem Gegner stolz und würdig in gemessener Entfernung gegenüber, so daß die Spitze Ihrer Waffe ungefähr zehn Zoll von der seinigen entfernt ist, und bleiben Sie ganz unbeweglich, daß er ob Ihrer unveränderlichen Haltung die Geduld verliert und sich von selbst in Ihren Degen stürzt. Aber ein für allemal sag' ich Ihnen, greifen Sie nicht an!"
„Aber wenn er vorwärts springt?"
„Dann springen Sie zurück!"
„Und wenn er znrückkneift?"
„ DannstveichenSiemicht von derStelle!"
Am nächsten Morgen fand der Zweikampf statt. Jeder der beiden Paukanten hatte außer den üblichen zwei Zeugen noch einen Wundarzt seiner Bekanntschaft auf den Plan gebracht. Nach dem Rate des Fechtmeisters nahmen der Doctor und der Gutsbesitzer in achtungsvoller Entfernung von einander ihre Auslage. Beide waren fest entschlossen, nicht zu wanken, noch zu weichen. Mit einer gewissen Geringschätzung schaute einer den andern an, aber keiner machte die geringste Bewegung; ein Jeder wartete eben, bis sein Gegner, des müßigen Beobachtens müde, sich endlich in die Spitze seinesDegens stürzte.
Es verstrichen fünf Minuten, beide Gegner standen noch immer in der gleichen, zuwartenden Stellung. Immer noch schaute einer den andern mit der gleichen Geringschätzung an, und es schien, als seien ihre Waffen, welche sie stetig in der bestimmten Distanz hielten, festgeschranbt in den Händen zweier versteinerter Fechter.
„Der hat aber eine himmlische Geduld!" dachte Dr. Weichselrohr. „Er will mich müde machen und zum Angriff zwingen; da muß er früher aufstehen. Ich gebe nicht nach, bis zum Aeußersten. Uebrigens ist's doch recht schwer, den bewaffneten Arm so lange ausgestreckt zu halten. Wann fällt er nur einmal aus? Es dauert gar zu lange."
„Der kann sich aber beherrschen!" dachte Herr Wägele. „So alte Haudegen sind furchtbar kaltblütig. Er meint, ich müsse angreifen. Da kann er lange warten! Doch alles hat einmal ein Ende, auch seine Geduld wird bald zu Ende gehen. Ich fürchte nur, ,der Rheumatismus in meinem Arm könnte mich zwingen, den Degen gerade in dem Augenblick sinken zu lassen, wo dieser Wüthende auf mich losstürzt."
Man glaubt kaum, welcher passiven Thatkraft der Mensch unter bestimmten Verhältnissen fähig ist. Die beiden Com- battanten brachten es fertig, ohne ein anderes Zeichen der Ermüdung, als eine gewisse Abspannung im Gesicht, dreizehn Minuten lang ihren Degen mit gestrecktem Arm hinauszuhalten, kalt und gelassen wie große Stoiker.
„Meine Herren," begann endlich einer der Zeugen, der nicht so geduldig sein mochte wie die Combattanten, „Sie stehen nun fast eine viertel Stunde auf Mensur; Ihrer Ehre ist genug gethan. Senken Sie die Waffenu. reichen Sie sich die Hände.
„Ach," meinte Dr. Weichselrohr, „das Waffenhandwerk ist doch sehr ermüdend. Da will ich lieber drei Stunden lang plädieren, als mich zehn Minuten lang herumpaukcn."
Und sie reichten sich versöhnt die Hände.