Amtsblatt für die Stadt Witöbad.
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Nr. SS.
Samstag 9. Zrrni 1900
^ 36. Jahrgang.
Rundschau.
Stuttgart, 3. Juni. Deutschlands Buchdrucker rüsten sich allerorts, um das 500jährige Geburtsfest ihres Altmeisters, des Erfinders der Luchdruckerkunst, zu feiern. Die Hauptfeier findet in Mainz, dem Geburtsort Gutenbergs, statt. Auch in Straßburg, als seinem ehemaligen Wirkungsort, findet ein großes Fest statt. Württembergs Buchdrucker feiern in Stuttgart das Fest durch einen Schwabentag. Die Veranstaltung verspricht großartig zu werden, auch die Prinzipale, insbesondere Stuttgarter, unterstützen das Arrangement in jeder Hinsicht. Stuttgart wird am 17. Juni in seinen Mauern etwa 2000 Jünger Gutenbergs beherbergen.— Das Programm bietet nur Gediegenes. Die Festrede in der König Karlshalle des Landesgewerbemuseums die den Mittelpunkt aller zu veranstaltenden Festlichkeiten bilden wird, hat der Bibliothekar derKgl.Handbibliothek,ProfessorSchanzen. bach, gütigst übernommen, während der über 100 Mann starke Singchor des Gutenbergvereins den „Festgesang an die Künstler" (Mendelssohn) und das neue „Gutenberglied" (komponiert von seinem altbewährten Dirigenten,ProfessorSchwab) zu Gehör bringt. Eingeleitet und beendet wird dieser Festakt durch je eine Mufik- piece. —- Am Vorabend findet das Gnten- bergfest im Festsaal der Liederhalle statt. — Das am Abend aufzusührende, von H. Schöttge und I. Huober verfaßte Festspiel „Ein Johannistraum," bei welchem ca. 120 Personen auftreten, und welches Gutenberg und seine Kunst verherrlicht, wird ein seltener Genuß werden.
Calw, 6. Juni. Die bürg. Kollegien haben^in ihrer gestrigen Sitzung, der auch O.A.M.Völter undStraßenbauinsp. Schad beiwohnten, den Bau einer Steige nach Wtburg mit Umführung des Schloßbergs beschlossen. Damit wird eine vielumstrittene Frage, für die nock, drei weitere Plane in Betracht kommen, ihrer end- giltigen Lösung im Sinn der großen Mehrheit der hies. Bürgerschaft entgegengeführt. Der Kostenvoranschlag für die Straße, mit deren Ban sofort begonnen werden soll, beträgt 108000 Mk.
Pforzheim, 6. Juni. Den B. N. wird berichtet: Die an Pfingsten mit Hinterlassung eines bedeutendenVerrnögens verstorbene Frau Jäger We. geb. Kiehnle hat der Stadtgemeinde Pforzheim ein Vermächtnis von 300000 Mark zur Erstellung eines Volksbades gemacht, ferner
I ihr schönes Wohngebäude mit der Bestimm- j ung, daß der jeweilige Oberbürgermeister unentgeltlich darin wohnt. Weitere Legate erhielten die evang. Gemeinde 100 000 Mark für ein Gemeindehaus, der Ver- schönerungsverein 25 000 Mark, die Freiw. Feuerwehr 5000 Mark u. a. Die Vermächtnisse sollen die stattliche Höhe von nahezu einer Million Mark erreichen.
Pforzheim, 6. Juni, lieber den Pfingstverkehr auf dem hiesigen Bahnhof wird mitgeteilt, daß vom Samstag Abend bis Montag Mittag für nicht weniger als 32 000 Mark Fahrkarten u. s. w. an den Schaltern verkauft wurden. Allein auf der Strecke Karlsruhe-Mühlacker und umgekehrt liefen nicht weniger als 40 Sonderzüge.
Lud wigsh äsen, 4. Juni. Ein schreckliches Unglück ereignete sich gestern früh in unserer Stadt. Der im Hause Ecke Wrede- und Heinestraße wohnende verheiratete Privatmann Jean Lerchenmüller ging zwischen 6 und 7 Uhr morgens um eine Flasche Benzin für sein Motordreirad abzuziehen. Das in seiner Begleitung befindliche Dienstmädchen, das eine brennende Stearinkerze trug, kam mit dieser dem Benzinbehälter zu nahe, so daß dieser Feuer fing und mit furchtbarem Krach explodierte. Die Flamme schlug die offenstehende Kellertreppe hinauf und ergriff das ganze Stiegenhaus des Hauses, das in wenigen Augenblicken bis zum 3. Stock hinauf in Hellen Flammen stand. Die im 4. Stockwerk wohnende Frau des Postboten Leiner sprang mit ihren 4 Kindern auf den Korridor hinaus und suchte sich durch die brennende Treppe hinunter zu retten. Hierbei erlitten ein Mädchen von 12 Jahren, ein Knabe von 8 Jahren und ein Mäd chen von 2 Jahren so schwere Brandwunden, daß sie sofort starben. Das vierte Kind ein Mädchen von 4 Jahren, ist leichter verletzt. Die Frau Leiner erhielt schreckliche Brandwunden, so daß ihr die Haut in Fetzen vom Leibe hing. Tie Unglückliche lebte noch einige Stunden, gab aber dann unter unsäglichen Schmerzen ihren Geist auf. Postbote Leiner war nicht zu Hause, sondern ging seinen Berufspflichten nach. Lerchenmüller kam mit einigen leichten Verletzungen davon, während das Mädchen merkwürdigerweise völlig unversehrt blieb. Das Feuer selbst richtete in dem Hause keinen allzugroßen Schaden an und wurde verhältnismäßig rasch gelöscht. Desto schlimmer sind aber die
Folgen der Explosion, durch die sozusagen das ganze Innere des Hauses demoliert wurde. Das Ganze bildete ein wüstes Durcheinander. Die Fenster sind eingeschlagen, die Thüren zersprungen, die Wände haben Risse erhalten, die Einrichtungen der Wohnungen sind teilweise vernichtet. Die Staatsanwaltschaft von Frankenthal war schon vormittags an Ort sund Stelle. Lerchenmüller wurde in Haft genommen.
Dossenheim b. Heidelberg, 5. Juni. Das Opfer seines Edelmuthes ist gestern Abend der in Karlsruhe in Garnison stehende Artillerist Karl Bettinger, z. Z. hier auf Urlaub, geworden. Bettinger wollte mit einem Kameraden ein aus dem Geleise der Nebenbahn befindliches Kind im letzten Augenblicke vor einer heransausenden Lokomotive retten, büßte aber sein Unternehmen mit dem Tode. Er wurde von der Maschine erfaßt und ihm Kopf und Füße vollständig vom Rumpf getrennt. Das Kind ist gerettet. Ergänzend wird noch mitgeteilt, daß ein Radfahrer in Folge Unachtsamkeit den Soldaten, als er das Kind retten wollte, anstieß, wobei der Soldat stürzte und unmittelbar daraus von der Maschine überfahren wurde.
Würzburg, 6. Juni. Im hygieni- schen Institute der Universität ist eine wichtige Entdeckung gemacht worden: die Bakterien vernichtende Eigenschaft bestirnter elektrischer Ströme, die zur Heilung einer Anzahl auf Infektion durch Bakterien beruhender Krankheiten angewendet werden können. Das einfache Verfahren wurde von dem Zahnarzt Zieler entdeckt und erfolgreich angewendet. Es ist mehrere Centimeter tief wirksam und dabei völlig schmerzlos, da nur schwache Ströme Verwendung finden.
Paris, 5. Juni. Die Zahl der Ausstellungsbesucher' am Pfingstsonntage betrug 515 700.
Bad Gastein, 7. Juni. Graf und Gräfin Lonyay (ehemalige Kronprinzessin von Oesterreich) treffen am 18. Juni zu 8 tägigem Aufenthalt hier ein und steigen in demselben Hotel ab, in dem der König der Belgier, der Vater der Gräfin, gestern Wohnung genommen hat.
Kufstein, 5. Juni. Vier Studenten der Münchener Universität, Mitglieder der akademischen Sektion des deutsch-österreichischen Atpen-Vereins, unternahmen während der Feiertage eine Tour in das Kaisergebirge. Sie verirrten sich jedoch