25S

Aus New-Aolk wird denLeipz. N. N." geschrieben: Das achtjährige Töch- terchen eines hiesigen Arbeiters amüsirte sich vor dem elterlichen Hause mit Ball­schlagen, als es von einem etwas älteren Knaben, den es nur von der Straße her unter dem Namen Georgie kannte, zum Spielen aufgefordert wurde. Ein im Souterrain am offenen Fenster stehender Schuhmacher hatte das Bürschchen zu der Kleinen sagen hören:Drüben ist ein großer, leerer Keller, dessen Thüre nicht verschlossen ist. Dort wollen wir Buffalo Bill und die Indianer spielen. Du mußt ein Weißer sein und ich eine Rothaut und dann skalpiere ich Dich. Ich habe eben gelesen, wie man das macht." Das Mädchen bedeutete dem Jungen zwar, daß ihr die Mutter verboten habe, den Straßendamm zu kreuzen, doch ließ sie sich nach einigem Zögern von dem sehr eindringlich werdenden Berführer über­reden und folgte ihm. Mehrere Nach­barn sahen die Kinder in den Keller hin­eingehen, Niemand aber scheint das Her- anskommen des Knaben bemerkt zu haben. Eine halbe Stunde später, nachdem die besorgte Mutter der kleinen Sophie be­reits vergebens nach ihrer Tochter gerufen hatte, betrat die Verwalterin des Hauses mit einem Bleidecker, der ein Leituugs- rohr ausbessern sollte, zufällig den im Au­gen blick,unbenutzten Keller. Eigenthümliche Laute, die au das Ohr der beiden Per­sonen drangen, ließen diese erschreckt auf- horchen.Es liegt hier Jemand im Sterben, rief die Frau und wollte sich der dunklen Ecke nähern, aus der die Töne kamen. Der Handwerker hinderte sie jedoch daran und holte einen Polizisten. Dieser fand in dem Winkel das kleine Mädchen mit dem Gesicht nach unten in einer Blutlache. Das Kind wurde in die nächste Apotheke getragen, mußte aber auf Anordnung des Arztes sofort in ein Hospital über- gcführt werden. Außer verschiedenen Wunden und schwarzen Flecken im Ge­sicht, war der Schädel wie durch einen Hieb mit einer Keule gespalten und auf der Stirne dicht neben den Haarwurzeln zog sich eine tiefe, mehrere Centimeter lange Schnittwunde hin. Der Knabe hatte seine aus Jndianergeschichten ge­schöpfte Wissenschaft praktisch anwenden wollen, indem er den Versuch machte, die Spielgefährtin thatsächlich zu skalpiren. Keiner der vier Aerzte, die sich um das unglückliche Kind bemühten, konnte den verzweifelten Eltern Hoffnung machen, daß es gelingen werde, die Kleine am Leben zu erhalten.

London, 30. Mai. In seiner gestrigen Rede bei dem Festmahle der Londoner Konservativen sagte Lord Salisbury noch folgendes über die Regelung der südafri- ksnifchen Frage: Wir können keine Sicher­heit-.-erlangen, so lange wir den beiden StMtew nur ein Stückchen wirklich unab­hängige-Regierung lassen. Unsere Ver­antwortlichkeit ist eine doppelte. Wir müssen die vernachlässigten eingeborenen Raffen schützen und andererseits nnsere Politik so leite», daß soweit möglich, Versöhnung an . Stelle von Abneigung und Zwist trete.- Alles, aber steht hinter dem Erfordernis zurück- daß in dem ganzen Gebiete -keine geheime Bewegung unter den Personen entstehen - darf, die der Königin und , dem Reiche feindlich ge­sinnt sind.

London, 30. Mai. Das Reuter'sche Burean meldet aus Bloemfontein vom 28. ds.: Die Proklamation Robert's wodurch der Oranjefreistaat annektirt wurde, ist heute Mittag auf dem Markt­platze vom Militärgouverneur Pretyman feierlich verlesen worden. Eine ungeheure Menschenmenge war bei der Verlesung anwesend. Die Proklamation giebt unter anderem bekannt, daß der Staat in Zu­kunft den NamenOrangeriver-Kolonie" führen werde. Nach Verlesung der Pro­klamation wurde die königliche Standarte unter großem Jubel und Absingen der Nationalhymme entfaltet.

Pom Kriegsschauplatz tu Südafrika

London, 30. Mai. Die Morgcn- blätterveröffentlichen eine Depesche, welche u. a. besagt: Gestern seien die letzten Versuche gemacht worden, durch telegra­phische Anfragen an verschiedenen Stellen festzustellen, ob noch irgend welche Hoff­nung aus Hilfe von auswärtigen Freunden vorhanden sei.

Pretoria, 31. Mai. (Reuter.) Die englischen Truppen, welche am Samstag i den Vaalsluß in der Nähe von Vereeuig- ing überschritten hatten, griffen die Buren an bei Witwatersraud, wurden aber von denselben unter Louis Botha znrückge- schlagen. Den Buren gelang es, die eng­lischen Stellungen zu nehmen. Die Ver­luste der Engländer sollen beträchtlich sein. (Damit wäre der erste Versuch zur Umgehung der Buren mißglückt.)

Der Korrespondent der Daily Mail aus Roßlyn telegrafirte am 30. ds. Vorm. 11^/4 Uhr aus Pretoria: Pretoria wird in 2 Stunden von den Engländern besetzt sein, ohne daß Widerstand geleistet wird. Der Präsident Krüger begiebt sich nach Watervalboyen. Der Bürgermeister ist ermächtigt, die Engländer zu empfangen. Es ist ein aus einflußreichen Leuten be­stehender Ausschuß gebildet worden, um Leben und Eigentum während des Inter­regnums zu schonen. Es herrscht überall Ruhe. Große Menschenmassen erwarten die Ankunft der Engländer.

London, 31. Mai. Reuter's Bureau meldet aus Pretoria von gestern: Britische Offiziere sind in Johannesburg und dik- tiren die Uebergabebedingungen. Die englische Avantgarde steht auf halbem Wege zwischen Johannesburg und Pre­toria.

LvkaleS.

):( Wild b ad, 31. Mai. Gestern Abend wurdeDer Ueberfall in Wildbad" von Stadtarzt Dr. Teufel zum erstenmal im Kgl. Kurtheater aufge- sührt und zwar mit glänzendem Erfolg. Das Haus war überfüllt und rauschen­der Beifall folgte jeder Szene. Kostüme und Dekorationen, sowie die Einzelgrnp- picungen sind von dem Dichter selbst er­dacht und nach seinen Angaben eingerich­tet worden. Die Darsteller, alle den hies. Bürgeckreisen angehörend, führten ihre Rollen trefflich durch. Zeugt die Dich­tung an sich von nicht geringem poetischen Talent, so bewies die Aufführung, daß es dem Verfasser, ohne Effekthascherei, gelungen ist, auch auf der Bühne eine Reihe anziehender, lebeus- und wechsel- voller Bilder vor Angen zn führen, die das Interesse des Publikums voll und ganz in Anspruch nahmen. Wie anmutig istRösles Schilderung des Iieb->

lichen Nollwafferthals, wie kraftvoll die Sprache in dem Monolog des Grafen, wie humorvoll das Gespräch der Wild­bader Bürger im zweiten und das Vesper der Maurer im dritten Akt. Der Glanz­punkt ist jedenfalls der zweite Akt, irr dem uns in mittelalterlicher Einkleid­ung ein Stück Volksleben ans unseren Tagen vorgeführt wird. Hr.vr.Teufel spielte im 1. Akt den Grafen, im dritten den Juden Abraham mit künstlerischer Bra­vour. Zweifellos hat der Verfasser als Dichter wie als Schauspieler und Regis­seur den ungeteilten Beifall des Publi­kums, der ihm gestern Abend so reichlich zu Teil wurde, in jeder Beziehung ver­dient.

B e r m i f ch t e s.

Rothschilds Testament. Die Legate, die der verstorbene Baron Adolph v. Rothschild testamentarisch bewilligt hat, sind jetzt von dem Londoner Gerichtshof ratifiziert worden. Der Verstorbene Hab 26 testamentarische Bestimmungen hintcr- lassen, und jede neue Aendernng, die er au ihnen vorgenommen hat, ist ein neuer Beweis für die Großmut und die Herzens­güte des Verstorbenen. Er har dem Mu­seum des Louvre unvergleichliche Kunst­sammlungen hinterlassen, das Artillerie- Museum mit prachtvollen Waffensamm- lungeu ausgestattet, der -Stadt Boulogne eine ^Besitzung geschenkt, deren Unter­haltung allein 60 000 Franks erfordert. Seine Legate betragen ungefähr 20 000 OOS Fr. Mehr als diese imposanten Zahlen sagen die Ausführungen, in denen Baron Rotschild den Zweck jedes einzelnen Legats gekennzeichnet hat. DerFigaro" hat aus dem Testament einige Stellen ent­lehnt. die uns die vornehme, freie Ge­sinnung des Dahingeschiedenen im schön­sten Lichte zeigen. Seine Worte, denen seine Handlungsweise eine besondere Au­torität verleiht, enthalten die beherzigens­wertesten Lehren. Das Kodizill vom 11. Dezember 1890 besagt:Ich hinterlasse 500 000 Fr., deren Zinsen dazu dienen sollen, bedürftige Priester, Rabbiner und Diener der in Frankreich existierenden Bekenntnisse zn unterstützen. Ich wieder­hole : Katholiken, Israeliten und Prote­stanten, und ich gebe der Hoffnung Aus­druck, daß die Meinen dieses Beispiel religiöser Duldsamkeit befolgen werden." Denselben Gedanken in erweiterter Form äußerte Baron Rothschild, als er der Stadt Paris noch einmal 500 000 Fr. zur Verfügung stellte. Der Seine-Prä­fekt soll die Summe an die Bedürftigsten der 20 Arrondissements, ohne Unterschied des Bekenntnisses und der pölischen An­sichten verteilen. Dem Tierschutzoerein vermachte er 150000 Fr., die Zinsen dieses Legates sollen dazu dienen, das Los der Tiere im Algemeinen etwas zn erleichtern und vor allem auch so weib als möglich zu verh ndern, daß die ar­men, lahmen und abgearbeiteten Tiere im Zugdienst abgequält werden. Zu den Erben gehört dieAssistance Publique" mit 360000 Fr., die Wohlthätigkeits- Anstalten der Stadt Paris, mit einer runden Million, das Institut Pasteurmib einer jährlichen Rente von 10 800 Fr. Ein Kapital von 10 Millionen soll zur Begründung und Unterhaltung eines Hospitals für Angenkranke dienen, wie es Baron Rothschild bereits in Genf ge-