Amtsblatt für die Stadt Wit'dbaö.
General- Anzeiger für Wldbsd und Umgebung.
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Nr. SS.
Dienstag, 22. Mai 1900.
36. Iahvgang,
Rundschau.
Stuttgart, 18. Mai. (Gegen das Gella- oder Hydrasystem.) In einem Erlaß des Ministeriums des Innern an die Kgl. Oberämter und an die Ortspolizeibehörden, betreffend den Vertrieb von Waren nach dem sogenannten Gella- oder Hydrasystem heißt es: Da die bestehende Gesetzgebung die Unterlassung eitles Verbots dieses Vertriebssystems nicht ermöglicht, so werden die Polizeibehörden angewiesen, mit Strenge darüber zu wachen, daß bei dem Vertrieb der Gellm Coupons wenigstens die Schranken der bestehenden Gesetze eingehalten werden, und Verstöße gegen die letzteren zur Bestrafung zu bringen. Insbesondere wird darauf anfmerksam gemacht, daß Inhaber von Coupons, welche, ohne im Besitz eines Wandergewerbescheins, außerhalb des Wohnorts durch den Absatz von Coupons Warenbestellungen aufsuchen, gemäß tz 148 Ziffer 7 der Gewerbeordnung strafbar sind, daß ferner Personen, welche im ständigen Auftrag eines Gella-Unterneh- mens Coupons vertreiben, ohne eine Legitimationsnrkunde zu besitzen, eine Strafe gemäß tz 148 Ziff. 5 a. a. O. verwirken. Ferner ist zu kontrollieren, ob nicht die Unternehmer in öffentlichen Bekanntmachungen,^ Prospekten rc. unwahre und zur Irreführung geeignete Angaben tatsächlicher Art machen, und bejahendenfalls strafrechtliches Einschreiten auf Grund des tz 4 des Gesetzes zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs vom 27. Mai 1896 zu veranlassen.
Calmbach, 17. Mai. Adlerwirt Kiefer hier kam heute vormittag auf dem Würzbach-Sträßchen so unglücklich unter seinen Steinwagen, daß ihm dabei das linke Bein unter dem Knie ganz abgeschlagen wurde und der rechte Fuß hat starke Quetschungen erlitten; doch sollen die Verletzungen nicht lebensgefährlich sein. (Enzth.)
Baden, 16. Mai. Der Stadtrat hat neuerdings beschlossen, vorbehültlich der Zustimmung des Bürgerausschusses, für die Abhaltung der Baden-Jffezheimer Rennen dem Internationalen Klub dahier einen jährlichen Betrag von 60 000 Mk., 10 000 Mk. mehr als bisher, zur Verfügung zu stellen.
Wiesbaden, 17. Mai. Zur Eröffnung der Vorstellungen der hiesigen Festspiele wurde gestern Webers „Oberon" in der Wiesbadener Bearbeitung nach dem Entwürfe des Intendanten Hülsen
gegeben. Lange vor der Vorstellung waren s beständigen Rückgang. In dem Zeitraum alle Plätze vergriffen. Das Haus war > von 1871 bis 1875 betrug sie durchschnitt-
mit Blumen und Guirlanden geschmückt und bot einen festlichen Anblick. Von den Galerien empfingen Fanfaren den Kaiser, der in der großen Loge Platz nahm. Zur Rechten saß die Prinzessin Schaumbnrg-Lippe, zur Linken der Großherzog von Hessen und Priuz Adolf von Schanmburg-Lippe und hinter dem Kaiser Intendant Hülsen. Die Aufführung entsprach allen Erwartungen. Die Dekoration war wundervoll. Der Kaiser beteiligte sich lebhaft am Beifall. Nach Schluß der Vorstellung fand ein Festball im Kursaal statt.
Oberammergau, 17. Mai. Der „Augsburger Postztg." wird geschrieben: Es ist ein gutes Zeichen für die Intelligenz unserer Umgegend, daß man weit und breit keinen — Esel anftreibcn konnte, und doch ist bekanntermaßen ein solcher zum Passionsspiel notwendig. Endlich traf von dem Escllieferanten nachstehende vielsagende Postkarte von Trient ein: „Una salnte d'Triento! Morgen Fria
kom ich nach Oberammergau. S.i.
Der Esel kommt. Darob kann man nun beruhigt sein.
— Eine Staffettenfahrt Straßburg- Berlin ist von 200, an den einzelnen Stationen sich ablösenden Mitgliedern der „Allgenieinen Radfahrer-Union letzte Woche ausgeführt worden. Die Fahrt begann am Samstag um 5 Uhr früh von Straßburg aus. Die Straßburger Staffette war vom Statthalter der Reichslande mit einer Depesche an den Reichskanzler ausgerüstet und hatte außerdem dem Garde-Pionier-Rcgimentein Schreiben zu überbringen. Am Sonntag Nachmittag um 2 Uhr 40 Minuten trafen die Berliner Radfahrer, die in Wittenberg eingesprungen waren, in Berlin ein. Der Reichskanzler ließ sich eingehend über die Einzelheiten der Fahrt unterrichten und drückte den Herren für das gute Gelingen derselben seine Anerkennung aus. — Die 780 Kilometer lange Strecke Straßburg- Berlin wurde von den Staffeten in 33 Stunden 40 Minuten znrückgelegt. Das sind durchschnittlich in der Stunde 23 Kilometer. Die beste Leistung vollbrachte die Staffette Frankfurt a. M.-Gclnhausen; denn sie legte die 42,2 Kilometer lange Strecke in 1 Stunde 10 Min. zurück.
— Die GebnrtenzifferinDentfch- land ist, wie wir aus der „Zeitschrift für Sozialwiffenschaft" ersehen, in einem
lich 39,9 auf das Tausend, 1891—95 nur noch 36,3, um seitdem auf 36 vom Tausend zu sinken. Während Deutschland in der erstgenannten Periode noch an zweiter Stelle stand, ist es jetzt an die dritte Stelle gerückt. Die letzte Stelle nimmt Frankreich ein, dessen Ziffer in einem Vierteljahrhundert von 25 auf 22 gesunken ist.
Aus der Schweiz. Die N. Zürch. Z. schreibt: In ebenso eigenartiger wie vornehmer Weise haben die Engadiner nnserm schweizerischen Schriftsteller I. C. Heer für den Roman „Der König der Bernina" gedankt, indem sie ihm einen kunstreichen goldenen Becher von 24 Cen- timeter Höhe nach Stuttgart übersandten. Das kostbare Stück mit einer Krönung silberner Edelweißblüten, enthält, der dankenden Widmung auf einem silber- oxidirten obern Reif entsprechend, am Fuß die Namen der Stifter, 7 angesehener Bürger von Samaden, St. Moritz und Pontresina, die Wappen Mindens und Der genannten Dörfer, auf der Kelchfläche aber in silberoxydirten Reliefs zwei Landschaftsbilder: das Plantahaus in Samaden mit dem Hintergrund der schneeigen Bernina und die von einem Wasserrad gekennzeichnete malerische Hütte zu Pontresina, in der Marchet Colani, das Urbild des „Königs der Bernina", gelebt hat. Der Pokal ist ein Erzeugnis der kunstreichen Goldwerkstätte I. Boßhardt in Luzern. Begleitet wurde das Ehrengeschenk von einer Sendung feinsten Sassellas aus einem Prioatkeller des Engadins. Der Becher hat für den Verfasser den besonderen Wert, daß er, im Gegensatz zu Erfahrungen mancher anderer Romandichter, die freudige Zu- stimmung des Volkes bekundet, aus des. sen Leben der Roman gegriffen ist.
Stockholm, 17. Mai. Das Dampf, schiff „Prinz Karl" ging gestern abend 8 Uhr von Arboga nach Stockholm ab. Es hatte um Mitternacht Quicksund pas- siert, als ein Passagier, nachdem er eine größere Anzahl von Mitreisenden in verschiedenen Räumen eingeschlossen harte, in jeder Hand einen Revolver, begann, alle Personen, denen er ans dem Schiffe begegnete, niederznschießen. Später benutzte er auch einen Dolch und ein Messer. Der Kapitän erhielt einen Dolchstich in den Rücken, eine Frau einen solchen in die Brust, ein Knabe einen M