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pfang in Berlin am heutigen Tage gilt zunächst Euer Majestät erhabenen Person als dem großen und weisen Herrscher. Aber mein Volk sieht auch in Eurer Majestät den treuen Freund und Bundesgenossen meines seligen Herrn Großvaters, meines Herrn Vaters und meiner selbst. Und nun sind Euer Majestät erschienen, uni der vierten Generation die unschätzbare Gabe Euer Majestät Liebe und Freundschaft anzutragen, fürwahr das herrlichste Kleinod, welches heute unter allen Geschenken meinem jungen Sohne gegeben werden kann. Zugleich aber haben Euer Majestät der Welt durch diesen Besuch offenbart, wie fest und sicher der Bund besteht, den Euer Majestät vereint mit meinem seligen Herrr Großvater und dem Herrscher des schönen glücklichen Landes Italien abgeschlossen haben. Wahrlich, dieser Bund ist nichtnur eineUeber- einkunft der Gedanken der Fürsten, sondern je mehr und mehr er bestanden hat, hat er sich tief eingelebt in die Ueber- zeugung der Völker und wenn erst die Herzender Völker zusammenschlagen, dann kann sie nichts mehr auseinanderreißen. Gemeinsame Interessen, gemeinsame Gefühle, gemeinsam getragene Freud und Leid verbinden unsere drei Völker heute über 20 Jahre uud obwohl oft verkannt und mit Kritik übergossen, ist es den drei Völkern gelungen, bisher den Frieden zu bewahren nud als ein Hort des Friedens in aller Welt angesehen zu werden. So beugt sich denn auch heute mein Volk dem Weisesten und Aeltesten des Bundes. Unsere Wünsche, die sich am heutigen Tage um Euer Majestät und Euer Majestät erlauchtes Haus und ihre Völker zu- sammenschaaren, gipfeln in noch einem anderen Punkte. Ich glaube kaum zu weit zu gehen, wenn ich ausspreche, daß, so weit heute in deutschen Landen ein Laterherz schlägt, es Euer Majestät in tiefer Bewegung dafür dankt, daß Euer Majestät meinem jungen Sohne Ihren Segen mit auf feinen Lebensweg geben wollen. Allen Gefühlen aber, die mein Volk, mein Haus und mich heute erfüllen, geben wir Ausdruck, indem wir rufen: „I. M. der Kaiser und König Franz Josef, Hurrah, Hurrah, Hurrah!" Der König und Kaiser Franz Josef erwiderte hierauf in folgenden Worten: „Von den herzlichen Worten Euer Majestät innig bewegt, danke ich aus vollem Herzen für den schönen Willkomm, den Euer Majestät mir bereitet haben und gedenke mit ernster Erkenntlichkeit des festlichen Empfanges seitens Euer Majestät prächtiger Hauptstadt. Ich bin glücklich, daß es mir heute gegönnt ist, in Erfüllung eines lange gehegten Wunsches Euer Majestät im Kreise der Ihren die Hand zu drücken. Die unverbrüchliche Freundschaft, die uns vereinigt, bildet auch ein kostbares Gut unserer Reiche und Völker. Erweitert durch die treue Mithilfe unseres verehrten Freundes und Verbündeten S. M. des Königs von Italien bedeutet dies für Euröpa ein Bollwerk des Friedens. Um die Pflege dieses segensreichen Werkes haben sich Euer Majestät als mannhafter Hüter eines für alle Teile gleich kostbaren Erbteils unvergängliche Verdienste erworben. In der frohen Zuversicht auf die Fortdauer unserer Freundschaft erhebe ich mein Glas auf das Wohl Eurer Majestät, Ihrer Maje
stät der Kaiserin und der königlichen Familie. Sie leben hoch, hoch, hoch!"
London, 5. Mai. Reuter meldet aus Simla: Zwischen dem deutschen Kaiser und dem Vizekönige von Indien find nachstehende Telegramme ausgetauscht worden: „Erfüllt von tiefem Mitgefühl für das schreckliche Elend in Indien hat Berlin mit meiner Genehmigung eine Summe von über st» Million Mark aufgebracht. Ich habe Befehl gegeben, daß diese Summe nach Kalkutta geführt uud Euer Excellenz zur Verfügung gestellt wird. Möge Indien in dieser Handlungs- weise der Hauptstadt des deutschen Reiches das warme Gefühl von Sympathie und Liebe für Indien erblicken, welches mein Volk leitet, und das aus der Thatsache herrührt, daß Blut dicker ist als Wasser.
London, 4. Mai. (Tel.) Das Reuter- bureau meldet aus Brandfort vom 3. Mai: Die Briten nahmen Brandfort ein, die Buren wurden überrascht und gingeu in Hast zurück.
London, 3. Mai. Nach einer Meldung der „Central News" aus Newport sind in Schofield 250 Leichen zu Tage gefördert worden. Es werden aber noch weitere 150 Personen vermißt und es ist wenig Hoffnung vorhanden, daß man diese am Leben findet. Somit wird die Zahl der Toten sich auf beinahe 400 be- laufen.
Mntei'Haltenöes.
Der zweite Schuß.
Voltserzählung aus dem Böhmerwalde von Maximilian Schmidt
(Forti.) (Nachdruck verboten.)
Unterdessen hatte sich in der That eine unheilvolle dunkle Schichte über den sonst so heiteren Himmel des Burschen ausgebreitet. Von der Arbeit heimkehrende Holzhauer hatten, am Quellenteich des Forstes vorüberkommend, den erschossenen Förster und das erlegte Wild gefunden. Die Schreckensbotschaft ward eiligst aufs Forsthaus gebracht, wohin der Jägerbenno soeben von seinem Waldgang zurückgekehrt war und auf die Nachricht der Holzhauer hin sofort bei den Gendarmen des nahen Orts Anzeige erstatten ließ, selbst aber zum Schauplatze des Verbrechens eilte, um das Erforderliche zu veranlassen. Auf dem Wege dahin begegnete er dem Pechwastl, der nicht wenig erschrak, den Jäger vor sich zu sehen, da der Sack um seine Schulter voll gestohlenen Harzes war. Der Jäger schien aber gar nicht darauf zu achten.
„Woaßt es du schon" — rief er ihn an, „daß der Förster unt' am Quellenteich von an' Wilddieb is erschossen worn ?"
„Wann soll dös g'schehnsein? fragte der Schlemmer.
„Heut geg'n Abend," erwiderte der Jäger. „Ter Förster is erst um fünf auf die Birsch. Hast du nöd schießen hörn?"
»Ja, ja," erwiderte der Pechschaber, „freili hon i schießen hörn, zwoa Mol hon i schießen hörn hintereinan d — Jesses, iaz sehg i erst ein, was i für an' ehrlicher Kerl bin; zu so was kunnt mi koa Teuft verleiten." —
„Wenn ma nur wüßt, wer's g'wen is!" unterbrach ihn der Jäger.-« ,
„Wer's g'wen is? I werd do koan Verräter machen?"
„Also woast ebbas?" fragte der Jäger erblassend.
„I woaß scho' ebbas," erwiderte Wastl verschmitzt lächelnd. „I moan schier, r kunnt'n mit Namanenna, der's g'wen is."
„Warum schaugst mi a so an?" sagte derJäger, sichtlicherzitternd. „Sagmir's, da gieb i dir an' etli Gulden und weg'n Pechschabn sollst von mir nöd schikaniert wern. Nach Umständ bleibts unter uns. Aber jetzt red."
Der Schlemmer besann sich einige Augenblicke, dann erzählte er dem Jäger wie er den Schneidergirgl flüchtig, mit dem Gewehr in der Hand, kurz nach Abgabe der Schüsse ans dem Forste eilen sah, und daß kein anderer als dieser das Verbrechen begangen haben könne.
Der Jäger atmete auf diese Nachricht hin erleichtert auf und rief:
„Ja, dös därfst sagn — überall därfst es sagn! Jetzt is 's scho' recht. Geh nur glei zu die Gendarm und sag eahna, was d' mir g'sagt hast. I werd derweil dös ander b'sorgn." Ohne Aufenthalt eilte er dann mit anderen inzwischen herbeigekommenen Leuten dem Orte des Verbrechens zu und ließ die Leiche ins Forsthaus zurücktrazen.
Nach Fuchsberg war die Kunde von dem Unglück erst gelangt, als Girgl sich auf dev Heimweg gemacht-
Ter Mond war über den Gewintzy- berg heraufgestiegen und sein Silberlicht gleiste auf den Dächern des Dörfchens, dem sich der Musikant näherte. Es lag so schön, so friedlich da, während das Herz des jungen Mannes fieberhaft tobte und die unheilvollsten Ahnungen ihn erbeben machten.
An seiner Hirwa angekommen, sah er sein geliebtes Mädchen im gegenüber liegenden Hause schlafend sitzen. Es war kein Zweifel: sie hatte seine Heimkehr ab- warten wollen.
Deshalb näherte er sich ihr und rief sie leise an. Katherl erwachte sofort. Der geliebte Mann, von dem sie soeben geträumt, stand jetzt in Wirklichkeit vor ihr und freudig reichte sie ihm beide Hände hin. «
„Mei' liaba Bua!" sagte sie, „daß d' nur glückli da bist und wie i sehg, mit der Bix. Vergells Gott! — Trags hvam und laß 's dahoam für alle Zeit."
„O mei'Katherl," sagte Girgl seufzend, „i wollt', i hätt's draußen im Forst und verfaulen lassen. Für mi wür's besser g'wen!"
„So is ebbas passiert?" fragte das Mädchen erschreckt.
„Dös wohl — es is mir ebbas passiert."
„Und was denn?" fragte Katherl hastig.
„Dös kann i dir iazt nöd dazähln. Es ist spät und i will di mit mein Feu- sterln nöd ins Gred bringa. Morgn sollst alles hörn. I musß iazt schlaf« gehn — i bin so matt — wie i's gar niermals g'wen."
„Es hat was gebn," rief Katherl ängstlich. „Is dir der Jäger in 'n Weg kömma? Wirst gar verklagt?"
„Morgn sollst es hörn," entgegnete der Bursche. „Guat Nacht iazt. I hör 'n Wacht« — der braucht mi nöd z'sehgn mit der Bix. Guat Nacht, mei' herzigs Deandl!"
Ein heißer Kuß — und rasch begab er sich in sein Häuschen.