Nr. SS.

Amts- und Anzeigeblatt für den OberamtsbezirL Calw.

94. Jahrgang.

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Moatag de« 24. März 1818.

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Sie MiistkiWWM der Eitt»le.

Das Ergebnis der Sewaltpslitik in Ungarn. Die BergemttlgMgsabWen Denlfchland gegenüber.

* Die ungarische Sozialistenpattei und der revolutionäre Regierungsrat veröffentlichen einen Aufruf an alle, in dem die Uebernahine der Macht durch das Proletariat angekün­digt wird. Der erneute Umsturz wird dainit begründet, daß das Land von der Anarchie des Zusammenbruchs nur durch Schaffung des Sozialismus und. Kommunismus ge­rettet werden könne. Die Regierung wolle eine mächtige Proletarierarmee organisieren, die die Diktatur der Arbeiter­und Bauernschaft gegenüber den ungarischen Kapitalisten und Großgrundbesitzern, sowie gegenüber den rumänischen Großgrundbesitzern und der tschechischen Bourgeoisie zur Geltung bringen soll Es wird volle Solidarität mit der russischen Eovjeireqierung erklärt und den Proletariern Rußlands ein Waffenbündnis angeboten. Zugleich wird die Arbeiterschaft Englands. Frankreichs, Italiens und Ameri­kas aufgefordert, nicht weiter den verruchten Feldzug ihrer kapitalistischen Regierungen gegen die ungarische Rätepolitik zu dulden. Die Arbeiterschaft Oestreichs und Deutschlands wird aufgefordert, die Verhandlungen "mit den Alliierten endgültig zu brechen, und sich mit Moskau zu verbinden, ebenfalls die Räterepublik ausznrufen, und mit Waffen in der Hand den imperialistischen Gröberem Trotz zu bieten. Der Grund dieser neuerlichen radikalen Umwälzung liegt darin, daß die Alliierten das ungarische Volk bis aufs Blut gepeinigt haben. Graf Carolyi, der Franzosenfreund, hatte geglaubt, durch seine Umsturzpolitik seinerzeit die Alli­ierten für eine bessere Behandlung Ungarns gewinnen zu können. In Bern sind den ungattschen Liberalen ebenso wie den bulgarischen Demokraten unverbindliche Ver­sprechungen gemacht worden, als aber daraufhin das bulga­rische Heer zürückflutete und auch die Ungarn an der italie­nischen Grenze zurückgingen. ' da war der Zweck der freundlichen Politik erfüllt, die Alliierten zeigten fetzt die abweisende Schulter, man besetzte die Länder, und führte ein scharfes Zwangsregiment ein. Und jetzt ist die Entente sogar dazu überaegangen, vor Friedensschluß. schon die ru­mänischen und südslawischen Gebiete Ungarns abzutrennen, denn die Ententemission in Budapest hat der Regierung

Eorolyis mitgeteilt, daß sie von nun an die militärische

Grenzlinie, nach welcher die rumänischen und südslawischen Sprachgebiete von der Entente besetzt waren, als politisch betrachte, d. h. also, daß man diese Gebiete jetzt schon von

Ungarn abtrennen will. Es würde also nur noch das

Gebiet zwischen Donau und Theiß unter der Herrschaft Ungarns bleiben, das gesamte westliche und südwestliche und die ungarische Tiefebene würden von den Alliierten besetzt, letztere von den Rumänen. Auf diese Zumutung hin hat der ungarische Ministerrat beschlossen, die Verantwortung für ein solches Zugeständnis abzulehnen, und den radikalen Elementen die Regierungsgewalt zu überlassen. Die Ursache des Vorgehens der Alliierten gegen Ungarn scheint mit den Gefahren in Zusammenhang zu stehen, die den Alliierten, namentlich aber unmittelbar den Rumänen, von Osten her drohen. Der Vormarsch der russischen Bolschewistenarmee in der Ukraine dauert fort, und wird durch große Teile der ukrainischen Bevölkerung unterstützt, die mit den Russen syinpatisiert. Die Bolschewisten aber scheinen von dort aus einen Vorstoß nach dem Balkan zu planen, wo sie Unter­stützung ihrer Ideen und ihrer Macht erwarten. Große Kreise des unterdrückten rumänischen Proletariats würden im Falle des Vormarsches der Russen zu diesen übergehen. Die Bulgaren haben von der Entente auch das Schlimmste zu erwarten, von den Russen aber Bestätigung ihrer natio­nalen Ansprüche. Und so steht es jetzt auch mit den Ungarn, die man direkt dem Bolschewismus in die Arme treibt. Auch aus Griechenland kommen Gerüchte, wonach in der Armee und im Volk revolutionäre Bestrebungen vorhanden seien, die sich zweifellos ebenfalls gegen die Herrschsucht der Alliierten richten. Der Balkan wäre also ein günstiger Boden für den Bolschewismus, und deshalb will sich jetzt die Entente auf ungarischem Boden rüsten, dem Bolsche­wismus einen Damm entgegenzusetzen.

Die Nachrichten, die über den Vormarsch der Bolsche­wisten zu uns gelangen, melden, daß diese ein vorzüglich

organisiertes Heer haben, und stets Zuwachs in den von ihnen in Besitz genommenen Gebieten erhalten. Man schätzt das Heer auf etwa 700000 Mann. Während dieses Heer in der Ukraine erfolgreich operiert, und einen Vorstoß gegen die russischen Ostseeprovinzen vorbereitet, will die Entente den deutschen Ostschutz verbieten, und uns dadurch wehrlos machen, denn daß die Polen die bolsche­wistische Flut aufhalten könnten, das glauben die Alliierten ja selbst nicht. Und dazu streben sie jetzt einen Frieden an, den keine deutsche Regierung wird unterzeichnen dürfen. Mit dieser Gewaltpolitik aber schafft sie die Verzweiflungs­stimmung iin deutschen Volk, die die beste Propaganda für den Bolschewismus ist. Nicht nur, daß man uns im Westen Elsaß-Lothringen nehmen will, auch das Eaargebiet mit einer rein deutschen Bevölkerung von einer Million wollen die Franzosen, den Polen will man sogar 3 Millionen Deutsche ausliefem nach dem Grundsatz desSelbst­bestimmungsrechts der Völker." Gleichzeitig aber will man Deutschland für immer der Willkür der Entente überliefern, in dem man ihm vorschreibt, daß das 70 Millionen-Bolk nur ein Heer von 100 000 Manu halten darf. Man will uns vorschreiben, wie viel Beamte und Offiziere wir im < Kriegsministcrium halten, wieviel wir Munition Herstellen dürfen, wie viel Gewehre und sonstige Waffen. Kurz unser gesamtes Heerwesen soll dauernd der Kontrolle unter­worfen sein. Beteranenvereine. Turnvereine und andere Organisationen, in denen militärische Uebungen abqehalten werden, sollen uns verboten werden, ebenso militärische Anstalten»zur Erziehung von Offizieren. Natürlich soll uns auch nur eine Flotte gestattet werden, die noch kleiner ist als die holländische. Und so soll das deutsche Volk sich d nernd von den Angelsachsen. Romanen und Polen fesseln lassen. Angesichts solcher Forderungen wird die deutsche Friedensabordnung wohl unverrichteter Dinge von Patts obziehen müssen. Dann aber wird die Verantwortung für das. was folgen wird, der Entente zufallen. O. 8.

Zur MffcWftaM- und FriedeurstW.

Eine Protestoersammlung in Berlin

gegen den Bergewaltigungsfrieden.

Berlin, 23. März. Heute fand im Zirkus Busch eine außerordentlich stark besuchte Protestoersammlung gegen die Zerstückelung Deutschlands statt. Es sprachen die Abgeord­neten Richthofen, Lüdemann, Eduard Bernstein und der deutsch-österreichische Gesandte Professor Ludo Hartmann, der Generalsekretär der evangelischen Arbeitewerbände Rueffer und der Abgeordnete Dr. Maximilian Pfeiffer. Die Red­ner betonten, daß der Protest sich nicht nur gegen die be­absichtigte Losreißung deutscher Gebiete in Ost und West vom Deutschen Reiche, sondern auch gegen die Machen­schaften richte, durch die eine Vereinigung Deutsch-Oester­reichs mit Deutschland hintertrieben werden soll. Zum Schluß wurde folgende, von allen Rednern genehmigte Resolution verlesen, die mit einmütigem Beifall von der Versammlung begrüßt wurde. Aufs neue bekräftigen die Versammelten, daß Deutschland die Waffen niedergelegt und sich zum Frieden bereit erklärt hat. in Übereinstimmung mit dem Programm des Präsidenten Wilson. Das deutsche Volk ist entschlossen, auf diesem Standpunkt fest zu be­harren und die Fttedensverhandlungen nm in dieser Richt­ung durchzusühren. Die Gegner sind ebenso wie wir an das Wilsonsche Programm vertragsmäßig gebunden. Die Versammelten erwarten von den Friedensdclegierten und allen amtlichen Stellen, daß sie auf der feierlichen Zusage der Entente bestehen, wonach der Friede nur unter Gleich­berechtigung auf Grund der Verlautbarung des Präsidenten Wilson geschlossen werden darf. Eie weisen entschieden jede Zerstückelung deutschen Landes und jeden Eingriff in inner­deutsche Verhältnisse zurück. Alle Parteien und Stände sind sich einig darüber, daß jede Vergewaltigung des Deutschtums ebenso abzuwehren ist wie die Vergewaltigung eines anderen Volkes. Ein Wille und ein Ziel ist in uns allen lebendig: Der Friede des Rechtes und der Gerechtig­keit l Das deutsche Volk wird einen anderen Frieden nie­mals anerkennen. Hierauf begaben sich die Versamm­lungsteilnehmer in eindrucksvollem Zuge nach der Reichs­kanzlei. um der Reichsregierung von der gefaßten Ent­schließung Mitteilung zu machen.

Dir Schädig«»» der deutsche« Bskkßkraft durch die seiudlich« vlockud«.

Vom Reichsgesundheitsamt ist jetzt ein« Denkschrift heran»ge gehen worden unter dem Namen .Estädigung der deutschen Loll»- krast durch die feindliche Blockade', di« eine Anklageschrift von vev- nichtender Beweiskraft darstellt. Die Denkschrift stellt zunächst fest, daß das deutsche Volk statt der notwendigen täglichen 3300 Wärm«- kalorien seit Herbst 1916 mit 1300 bis 1000 Wärmekalorien hat auSkonnnen müssen. Dir Folgen dieser Unterernährung äußern sich in einer Zunahme der Strrbefällr tn der Bevölkerung, di« gegen daL Friedenkjahr 1913 37 Prozent beträgt . Die vom Reichsamt genau festgestellte Ziffer der Blockadcopfer während des Kriege» heißt 762 796. Durch die Fortdauer der Blockade steigt dir Zahl der Opfer fortwährend. Bei den Kindern beträgt dir Zunahme von I bi» S Jahren 49L und für solche von 5 bi» 15 Jahren 55 Prozent. Besonders deutlich wird der furchtbare Einfluß der Blockade, wenn man di« einzelnen Krankheiten betrachtet. Dir Denkschrift erörtert weiter die Folgen des Mangels an Heilmitteln und Verbandstoffe«, der Verringerung der menschlichen Arbeitskraft usw. Rechnet man die Schädigungen der Blockade um die Schädigung des deutschen Nationalvermögens, so ergibt sich el» Gesamtschadr» von mehr «IS 54 MMarden 60V Millionen Mark. E» ist wohl selbstverständlich, daß die deutschen Teilnehmer an den FriedenSvcrhandlungen sich dieses furchtbaren Belastungsmaterials aufs nachdrücklichste bedienen werden, um gemäß den Wtlsonschen 14 Punkten auch sür diese Opfer Deutsch!«,!» «ineWiedergutmachung' zu fordern.

Berater der deutsche» Friede»Ldeleg«tion.

Berlin, 21. März. Der deutschen FriedenSdelegotlon, dl« aus den ReichSministern Graf Brockdorff-Rantzau, Dr. David und Gie»- berts, dem Gesandten Dr. Adolf Müller, dem Professor Dr. Schück ing und Dr. Melchior-Hamburg besteht, wird nach einem Beschluß des Kabinetts vom heutigen Tage ein Lrrmium von Beratern bei-- gEf.'ben, dir nicht als Vertreter einzelner Wirtschaftszweige anzu­sehen sind, in ihrer Gesamtheit aber auch dir Gesamtheit de» beut schen WirtschastS- und Geisteslebens vertreten sotten. Dt« Namen dieser Persönlichkeiten find: 1. Aereboe, Professor in Obernigk bei Breslau, 2. Arnhold, Geh. Kommerzienrat, Berlin, Französische Straße, 3. Baumgarten. Professor, 4 . Bernstein, Dr. Eduard, S. Beu- kenberg. Geh. Rat, Phönixwcrke, Hörde in Westfalen, 6. Bonn, Professor, München, 7. Bosch, Du, Badische Anilinsabrikwerkr, Mannheim-LudwigShafen, 8. von Brentano, Professor, München, 9. Cuno, Dr., Geh. ObcrrcgierungSrat, Vorsitzender de» Direkto­riums der Hamburg-Amerika Linie, 10. Deutsch, Geh. Kommerzi«- rat, Charlottenburg, 11. Dobel, Geh. Rat, Leipzig, 12. Haardt, Kom­merzienrat. Lennep, 13. Hagen. Geh. Rat, Cöln, 14. Hartmann, Verband deutscher Gewerkvereine sHirsch-Duncker), Berlin, Greif» walderstraße, 15. Reincckcn, Generaldirektor des Nordd. Lloyd, Bre men, 16. Hergesctt, Professor Dr., Geh. NegierungSrat, Direktor de» Aereologischen Instituts in Lindenberg, Krei» BcSkow, 17. Hilger. Geh. Bergrat. Berlin, 18 Juchatz, Frau. Mitglied der National­versammlung, 19. Struck, Hermann, Berlin..

Der deutsche ReichSministcr de» Innern über die Haltung Deutsch­lands ans der Friedenskonferenz.

Bettln, 22. März. Laut .Berliner Tageblatt' hatte der Kor­respondent de- .TempS' in Weimar ein« Unterredung mit dem Reichsminister des Innern David (Soz.) über die Frag«, ob Deutsch­land in den 14 Punkten Wilsons unnachgiebig sein werde. Der Mi­nister antwortete, -keine deutsche Regierung könne eS unternehme«» daS politische und wirtschaftliche Todesurteil Deutschlands zu unter­zeichne«. Dasselbe würde der Fall sein, wen« Bedin-nnge« einer langsamen Erdrosselung der Kräfte d«S LaudaS vorbereitet - «den sollt«.

Der Wett de» deutsch« EaargrbielS.

Eff«, 22. März. Eine große Anzahl von Handelskammern, Stadtverwaltungen, Gewerkschaften, industriellen Verbänden des rheinisch-westfälischen Industriegebiets weisen in einer Kundgebung die in der französischen Presse immer häufiger gewordene Absicht, das deutsche Saargebiet politisch mit Frankreich zu vereinigen oder, in wirtschaftliche Abhängigkeit mit Frankreich zu bringen, entschieden zurück. In der Kundgebung heißt es: Mit dem Thomasmehl des SaargebietL würde der deutschen Landwirtschaft ein Fünftel dieses Düngemittels fehlen. -Ohne Saarkohlen können zahlreiche süddeutsche Betriebe nicht bestehen. Im Saargebiet wird ein Zwölftel de» für die deutsche Volkswirtschaft benötigten Eis« und Stahl» erzeugt. Hierauf beruht zu einem- wesentlichen Teil dl« rheinisch-westfälische Stahlindustrie. Umgekehrt ist der hiesige Kohlenbergbau auf den KokSabsatz nach dem Saargebiet in hohem Maße angewiesen. Frank­reich besitzt im eigenen Land ausreichende Kohlenlager zur eigene»