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Berlin, 20. Febr. Den Abend- blättern zufolge traten 7500 bis 8000 Schreinergesellen in den Ausstand; sie verlangen Lohnerhöhung. Die Meister beschlossen, die Forderung abzulehnen.
Berlin. Seidenwaren im Werte von etwa 30000 Mark sind Einbrechern am Montag morgen in der Zeit von 3 bis 7 Uhr in der Modewarenhandlung von Feibusch und Preuß in der Leipziger- und Markgrafenstraßen - Ecke in die Hände gefallen. Einer der Diebe hat das gestohlene Gut kurz vor Oeffnung der Nebengeschäfte auf einen zweirädrigen Handwagen geladen und ist damit ungehindert nach dem Spittelmarkt zu davon gefahren. Ein Weichensteller der Straßenbahn und ein Geschäftsmann sahen ihm zu, ohne daß sie Verdacht schöpften. Es handelt sich wohl um dieselbe Bande, die vor acht Tagen in der Stallschreiber- straße für 20 000 Mark Stoffe entwendete.
Vom Kriegsschauplatz tu Südafrika.
London, 21. Febr. Der Jubel über die Wendung der Dinge auf dem Kriegsschauplatz sdauert in London fort, und die Zuversicht nimmt zu. Doch sind verschiedene englische militärische Kritiker der Ansicht, daß nur, wenn es gelingt, General Cronje vor der Konzentration auf das Haupt zu schlagen, man vom „Anfang vom Ende" reden kann. Geschieht das nicht, so steht General Roberts einer Burenarmee gegenüber, die so stark ist wie die seinige. Die Buren kämpfen aber im eigenen Lande und genießen alle daraus entspringende Vorteile. Die nächsten Schlachten werden über das Schicksal des Feldzuges entscheiden.
Brüssel, 21. Febr. Der „Münch. Allg. Ztg." wird von hier gemeldet: Gene- ralsJoubert ordnete die Aufhebung der Belagerung von Ladysmith und die Räumung von Natal, sowie den allgemeinen Rückzug der Buren zur Transvaalgrenze an.
— Die Nachricht von dem Rückzug der Buren aus Natal wird jetzt von Seiten der Transvaal-Gesandtschaft in Brüssel zugegeben. Ein Priv.-Telegr. des „Berl. Tagebl." von dort meldet: Die Burenkreise bezeichnen infolge der veränderten Kriegslage alle bisherigen Positi- tionen in Natal als unhaltbar, weshalb General Joubert die vollständige Rück- wärtskonzentrirung aller Streitkräfte anordnete. Natal wird sonach geräumt. Die Belagerung Ladysmiths wird aufgehoben, um die Truppen zur Verteidigung der Transvaal-Grenze zur Verfügung zu haben. Man glaubt hier, daß General Buller noch im Laufe der Woche in Ladysmith einziehen wird.
— Alle bis heute bekanntgewordenen Nachrichten bestätigen, daß die Buren sich zur Zeit in einer ernsten Lage befinden. Sie ist urplötzlich, man könnte sagen, über Nacht eingetreten. Was dem General Methuen mit dem ihm zur Verfügung stehenden Kräften nicht gelungen war, nämlich eine Umgehung und Umfassung der feindlichen Stellung, konnte Feld- marschall Roberts mit seiner namhaft verstärkten, den Buren erheblich überlegenen Lruppenmacht erzwingen. General Cronje blieb nichts anderes übrig, als seine Stellung zu räumen, wobei er empfindliche Einbußen an Proviant und Munition erlitten zu haben scheint. Sein unmittel- barer Gegner, Kelly-Kenny, scheint ihm
unmittelbar zu folgen, soll aber seinerseits von Buren, die in Eilmärschen von Coles- berg aus anrücken, in Flanke und Rücken bedroht werden. Wie man sieht, ein sehr- verworrenes Bild, dessen Klärung man mit Spannung entgegeusehen darf. Die 6000 Mann Etappentruppen aus der Strecke de Aar-Modderfontein sind durch eine ganze Brigade mit mehreren Batterien verstärkt worden. Da sich auf der Strecke außerdem eine Anzahl Panzerzüge befinden, so dürfte der dringendsten Gefahr Seitens der Engländer vorläufig begegnet sein. Jedenfalls geht aus allen vorliegenden Nachrichten übereinstimmend hervor, daß Feldmarschall Roberts fest entschlossen scheint, die Lage auf dem Kriegsschauplatz vor Eintritt der Trockenperiode (Anfang bis Mitte März) mit allen Mitteln zu seinen Gunsten zu gestalten. Darum dürfen wir auch innerhalb der nächsten 8—10 Tage größeren Ereignissen mit Sicherheit entgegensehen.
— Die Regierung des Oranje-Freistaats hat eine Proklamation erlassen, um das Eindringen der Engländer in den Freistaat kräftig zurückzuweisen. Alle Männer von 16 bis 70 Jahren sind zu den Waffen einberusen.
Cradock, 21. Febr. (Reuter.) Hier gingen Einzelheiten über die Wegnahme der Wagen am Rietflusse ein. Die Wagen waren an einer Drift zu einem Lager geordnet, als sie von 1800 Buren mit 4 Geschützen angegriffen wurden. Das Schießen bauerte den ganzen Tag. Es wurden 180 Wagen mit Lebensmitteln für Menschen und Vieh von den Buren erbeutet. Die Hälfte der Treiber und Führer wurde getötet oder wird vermißt.
London, 22. Febr. Hiesige militärische Kreise äußern sich lt. „M. N. N." mit rückhaltloser .Anerkennung über die Geschicklichkeit nnd Entschlossenheit, womit Cronje seinen gefährlichen Rückzug bewerkstelligte. Nach der vorherrschenden Ansicht hat die englische Verfolgung ihr Ziel nicht erreicht und Cronje befindet sich bereits in Sicherheit. Wahrscheinlich hat Roberts die Verfolgung bereits eingestellt, da seine Leute und besonders die Pferde sehr ermüdet sind und seine Vor- räthe ergänzt werden müssen.
— Die Lage der Buren ist nicht so imm wie es nach den letzten Berichten den Anschein hatte. Ein neues Telegramm aus Jacobsdal vom 20. ds. besagt: Die Buren unter Cronje schlugen offenbar bedeutend verstärkt, bisher alle Angriffe ab, trotzdem Lord Roberts sämtliche Truppen ins Feuer gebracht hatte und seit drei Tagen ihre Stellungen unter den äußersten Anstrengungen zu nehmen sucht. Bei der« gestrigen Sturme Ser Hochländer wurden die Generäle Macdonald und Knox schwer verwundet. Die englischen Verluste sind bisher schwer, besonders an Offizieren. Die Mannschaften sindvölligerschöpft.
Paris, 22. Febr. Die „Agentur Havas" veröffentlicht folgende Depesche ihres Transvaalberichterstatters in Prä- toria vom 19. über Lourenzo - Marques: Die fliegende Kolonne der Engländer, die sich auf dem Wege nach Bloemfontein befindet, ist bei Roedersrand von den Buren ab ge schnitten. Am Modderflusse zwischen Paardeberg und Roedersrand wird heftig gekämpft. Auch im Norden und Osten von Kimberley wird auf einem ausgedehnten Operationsgebiet
gekämpft. Die Buren erbeuteten 10000 Stück Vieh und eine Menge Lebensmittel, die für Kimberley bestimmt waren.
London. 22. Febr. Lord Roberts schweigt noch immer über seine Kämpfe mit Cronje und hat sich damit begnügt, die heute Morgen bekannt gegebene Liste von 48 toten und verwundeten Offizieren zu schicken und dabei zu bemerken, daß diese Verlustliste die Vecluste der Regimenter Wales und Essex, sowie der berittenen Infanterie nicht einschließt. Es ist also noch ein erheblicher Nachtrag zu erwarten.
— Aus Transvaalscher Quelle verlautet, daß es Cronje gelungen ist, eine Depesche nach Koffyfontein durchzubringen, die mitteilt, daß er alle Stellungen hält und daß der Gürtel von Kimberley wieder geschlossen ist.
— Derselbe Korrespondent meldet noch, daß General Du Toit, von der englischen Kavallerie, welche nach Kimberley gelangte, von den Buren geschlagen wurde und daß er sich nach Riverton, nördlich von Kimberley, zurückzog, wobei er alle Kanonen verlor und 7 Todte hatte. General French hat auf seinem Marsch Hunderte von Pferden verloren. Die Mannschaft war furchtbar ermüdet.
MnterHaltenöes.
Der alte Posteinnehmer.
Eine Erzählung von M. Lin g.
<For>!eS.) -Nachdruck verboten.)
Er rieb sich die Stirne. „Ich bekenne, daß ich damal, so bewegt, so freudig erregt war, daß ich —"
„Nehmen sie die Frage nicht übel, Herr Einnehmer,^ haben Sie das Packet- chen vielleicht in der Schieblade liegen lassen und zu befördern vergessen? Sie hießen mich damals die Sachen in die mittlere Schieblade Ihres Schreibtisches legen und schloßen sie ab."
„Ich trage aber die Wertsendungen immer sogleich ins Annahmebnch ein und da hätte mir bei der Abfertigung am folgenden Morgen — — Allerdings, da fällt mir ein—"
„Was denn, Herr Einnehmer?" fragte Griech, als der alte Herr zögerte.
„Daß ich die Einträge an jenem Abend nicht alsbald machte. Ich war so ver- langend, mit Paul zu reden und von ihm zu hören, wie es ihm ergangen sei, daß ich es auf den Abend vor Schlafengehen verschob, nnd da sagte Paul —"
„Was sagte er, Herr Einnehmer?"
„Er riet mir, da es schon spät und ich wirklich müde war, ich solle es morgens vor Postabgang besorgen. Das that ich denn auch. Aber da müßte mir das Packet doch durch die Hände gegangen und zum Eintrag gelangt sein. — Ich muß es vrr» legt haben."
Er zog eine Schieblade heraus und fing an darin zu kramen.
„Oder es ist Ihnen gestohlen worden," meinte der Schreiber.;
„Wer sollte das gethan haben? Und überdies lagen ja auch die andern Wert» stücke dabei. Warum hätte der Dieb diese liegen lassen?"
„Vielleicht hatte er an dem meinigen genug oder scheute er sich, die andern, welche amtliche Gelder enthielten, an sich zu nehmen, — oder hatte er nur wenig Zeit."