n Vor öem Aögrund.

Von Jul. H. West, Ingenieur.

- Wer das deutsche Volk lieb hat und Einblick besitzt in "wirtschaftliche Dinge, der sieht mit tiefer Trauer, wie die Augenblickliche Entwicklung der wirtschaftlichen Verhält­nisse das deutsche Volk schnurgerade in den Ab­grund führt. Ich will tun, was in meinen Kräften Seht, um das deutsche Volk, das ich in SOjährigsr Tätigkeit M der deutschen Industrie lieb gewonnen habe, zu war­nen, ehe es zu spät ist. llrll) besonder» weiche ich mich an die deutschen Berg- und Industriearbeiter: denn von ihnen hängt das Schicksal des ganzen deutsche« Volkes ab.

Ich denke nicht an die politischen Ziele, an Arbeiter- rechte, Sozialisierung usw. das sind Sorge« von mor­gen. Ich denke an die Dinge, die viel naher liegen: An die Ernährung des Volkes und di, Erhaltung der Ar­beitsmöglichkeit. das sind die Sorgen von heut«, und sie sind dringlicher als die von morgen.

Hier und dort und allerorten verlangen di« Arbeiter höhere Löhne ste verlangen und erhalten sie, oder sie streiken und erzwingen ste, denn sie haben jetzt die Macht dazu. Und daher lebt ein großer Teil der deutschen Ar­beiterschaft in dem Glauben:Jetzt gehen wir goldenen Zeiten entgegen". Diesen Ausspruch kann man oft hören.

Wir wollen uns diesegoldenen Zeiten" etwas näher Ansehen.

Große Teile der deutschen Industrie haben nicht ge­nügend Rohstoffe und weil die Preise zu hoch sind nicht genügend Aufträge. Trotzdem beschäftigen sie thre Arbeiter noch nach Möglichkeit, vielfach mit unlohnenden Arbeiten, aber diese und die steigenden Löhne führen von selbst dahin, die Kassen der Fabriken zu leeren.

Vor einigen Tagen sagte mir ein Fabrikant:Vor zwei Monaten hatte ich noch 200 000 ^ Bankguthaben: heute habe ich 200 000 -K Bankschulden. Trotzdem habe ich vorgestern die Löhne erhöht, aber das hat meinen Arbeitern nicht genügt; eben telephoniert man mir. daß die ganze Arbeiterschaft seit 10 Uhr streikt das erste­mal in 52 Jahren! Dabei arbeite ich jetzt fast nur für das Lager, nur um die Arbeiter zu beschäftigen, sonst müßte ich sie entlasten."

So geht es fast überall. Und wenn eines Tages die Bankschulden so hoch werden, daß die Bank dem Fabri­kanten erklärt:Ich gebe dir kein Geld mehr" was

dann? Dann-muß der Fabrikant den Arbeitern

erklären:Ich kann euch nicht mehr bezahlen-ich

muß euch entlasten." Tut er das nicht, so kommt der Kon­kurs von selbst, und dann liegen die Arbeiter sowieso auf der Straße.

Wir sind schon stark auf dem Wege zum Konkurs der deutschen Industrie. .Die Zahl der Konkursanmeldungen steigt von Woche zu Woche, von Monat zu Monat. In einem bestimmten Gebiet wurden im Dezember v. I.: 77, im Januar d. I.: 88 und im Februar 97 Konkurse än- gemeldet. Vorläufig geht es noch geräuschlos, weil es sich um kleinere Unternehmungen handelt. Sobald aber große Unternehmungen so weit sind, dann geht es lawi­nenartig; denn jedes große Unternehmen reißt viele kleine mit in den Abgrund. -

Wir sind diesem wirtschaftlichen Abgrund nahe, sehr nahe!

' Und' was dann. rveM der ZusäiMrdnVrüch kömmt? Dann steigt die Zahl der Arbeitslosen ins Ungeheure. Heute zählt Deutschland bereits mehr als 1 Million Ar­beitslose. Die Zahl steigt täglich. Im Laufe von Wochen können cs 2 Millionen sein, im Lause von weiteren Wo­chen 5 Millionen. Denn es handelt sich nicht nur um die, die arbeitslos werden durch Stillegung von Betrieben, sondern auch darum, daß all« Unternehmungen, denen das Master allmählich bis zum Halse steigt, zahlreiche Entlas­sungen werden vornehmen müssen, um sich selbst noch vor dem Zusammenbruch zu retten und dem alten Arbeiter­stamm die Arbeitsstätte zu erhalten.

Beginnt erst der Zusammenbruch deutlich erkenn­bar so wird er noch weiter verschärft dadurch, daß die Auftraggeber der Industrie 7 di« Besteller ängstlich werden und mit ihren Bestellungen zurückhalte«. Hier sind wir beim Kernpunkt de» ganzen F:age: Die Arbeiter können heute den Fabrikanten zu Zugeständnissen zwin­ge«, zur Bewilligung höherer Löhn» usw. aber ste können nicht di« Kunden de» Fabrikanten zwingen, ihm lohnende Aufträge zu geben. And deshalb ruinieren die Arbeiter selbst das Unternehmen, das ihnen Arbeitsstätte und Verdienst gibt, wenn ste Forderungen stellen, die über das mögliche Maß hinausgehen.

Das ist die Entwicklung» die wir heut« vor uns haben. Hier und dort und allerorten werden Forderungen ge­stellt, die zum finanziellen Ruin der Fabriken führen müssen; und damit verliert der Arbeiter seine Arbeits­stätte.

Was nun» wenn in dlestr Weife die Zahl der Arbeiks losen in Deutschland von 1 auf 2 und weiter auf 3. 4 und 5 Millionen steigt? Dann steigen die Unterstützungs­gelder auf 8 , 10, 12 und 15 Milliarden -4l; das kann der Staat, sehr bald nicht mehr bestreiten, und daher werden die Regierungen eines Tages erklären, müssen: Wir können keine Arbeitslosenunterstützung mehr be­zahlen."

Das Elend, das dann entsteht, stelle man sich vor! Grauen muß jeden erfassen, der sich das ausmalt. Aber diese baldige Möglichkeit, diese baldige Notwendiakeit. die Zahlung von Arbeitslosenunterstützungen einzustellen, steht so drohend vor der Tür, daß wir gut tun, uns die Folgen klar zu machen. Das wollen wir tun.

Es ist bekannt, daß wir vor weiteren Erschwerungen der Ernährung stehen, die vorhandenen Lebens­mittel reichen nicht aus, um das deutsche Volk bis zur neuen Ernte zu ernähren. Wenn dann gleichzeitig zu­nehmende Arbeitslosigkeit und Mittellosigkeit eintreten. dann haben wir unvermeidlich Plünderungen im Großen, Massenplünderungen zu gewärtigen. Der Hunger der Massen ist unerbittlich und egoistisch, der Hunger der Massen kennt kein Gesetz und kein Recht; er hat nur ein Ziel: Brot! Etwas zum Essen! Und das Ziel verfolgt er über Leichen und Ruinen.

Die Massenplünderung beginnt! Die Hungernden stürmen die Häuser und suchen nach Nahrung. Wo sie etwas finden, sättigen sie sich sofort und eiligst, und dann zerstören sie in der Erregung alles, was sie erreichen können, schlagen alles kurz und klein und zünden die Häuser an! Das ist etwas Merkwürdiges in der mensch­lichen Psyche, aber es ist so. wir haben es im Krieg oft genug und immer wieder erlebt und erfahren und kennen es daher zur Genüge.

Die Massenplünderung beginnt in der Hoffnung

auf reiche DArte; aber diese Mfftwng ist SelSAetMK^ Weder die Mundvorräte derReichen" noch etwaige Ge» heimlager gewissenloser Hamsterer werden für den Hunger der Massen von Bedeutung sein; man rechne sich do<A aus: Wenn ein lichtscheuer Hamsterer für sich, Frau, Kind und Köchin die volle Ernährung für einen Mona- gehamstert hat, so genügt das, wenn alles ruhig und sach­gemäß verteilt, wird, um bei halbe« Rationen acht Per­sonen eine« Monat lang zu versorge». Was für eins Rolle spielt das gegenüber dem Hunger von Hundert» tausenden!! Und das um so weniger, als di« Vorräte,' die die Plünderer finden, eben nicht ruhig und sachgemäß verteilt werden; nur der geringste Teil kommt den Hur» gernde» zugute, das meiste wird bei der Plünderung, in der Erregung auf die Straße hinausgeworfe«, in deih, Kot getreten und vernichtet. Plündernde Menschen sind keine besonnene Menschen. Befriedigt wird nicht deU

Hunger, sondern nur-di, Verbitterung. Nachher?

meldet sich der Hunger um so heftiger.

Wenn weitere Millionen von Deutschen unter deqt heutigen Verhältnissen arbeitslos werden, so werden im den Städten und aus den Dörfer« ungezählte Mengen von Häusern, Läden, Lagern, Fabriken, Höfen und Scheuen- zerstört werden und in Flammen aufgehen. Und damit wird die Not ins Ungemessene steigen: Millionen und Abermillionen von Deutschen werden Hungers sterben, und das deutsche Wirtschaftsleben, in erster Linie die Indu­strie, wird vollständig zusammenbrechen, so wi« im Drei­ßigjährigen Krieg; damals ginge« X, in Worten: drei Viertel der deutschen Bevölkerung an Hunger und Kriegsnot zugrunde, und die Volkswirtschaft brach derart zusammen, dich sie erst nach 200 Jahren anfangs» konnte, sich wieder zu heben. Mehr als zwei Jahrhunderts hindurch war Deutschland das ärmste, das armseligste Land in Europa!-Aehnlich würde es wieder kommen!

Das deutscher Arbeiter sind diegoldenen Zeiten", denen Ihr entgegengeht!

Bewahrt euch selbst vor einem solchen Schicksals Das kann geschehen, und das muß geschehen

Wie denn?

Nun: Dafür sorgen, daß eure Arbeitsstätte, eure Arbeitsmöglichkeit erhalten bleibt. Dafür sorgen, daß die Fabrik, die euch beschäftigt, nicht finanziell ruiniert wird. Und dann: Arbeiten, fleißig arbeiten, um Werte zu schaffen, für die wir vom Ausland Lebensmittel kaufen können; mit Geld können wir das nicht, denn das deutsche Geld hat seinen Wert im Ausland ver­loren. Ein Beispiel: 100 Schweizer Franken waren im Frieden gleich 81 °-t, heute gleich 200 -H! Ihr müßt Werte schaffen, wenn Ihr vom Ausland Lebensmittel haben wollt.

Der drohende Zusammenbruch kann nur abgewendet werden, wenn die Besonnenen, Einsichtsvollen. und das ist nach meiner Erfahrung die große Mehrheit unter den deutschen Industriearbeitern sich entschlossen zur Wehr setzen gegen die Unbesonnenen, Einsichtslosen, die heute die Arbeiter zu Forderungen treiben, durch die die Fabri­ken finanziell ruiniert werden, so tmß die Arbeiter, ihre Arbeitsstätte verlieren.

Und mehr als das: Die deutsche Sozialdemokratie hat heute das deutsche Wirtschaftsleben in der Hand. Bricht das deutsche Wirtschaftsleben morgen zusammen, so reißt eg die deutsche Sozialdemokratie mit in den Abgrund.

Pferch-Verkauf,

am Montag, de« 24. März 1919, vormittags 8'/, Uhr, tm Geschäftszimmer der Stadtpflege.

Calw, den 20. März 1919.

Stadtpflege: Frey.

Rotes Rrsuz.

Bitte um sofortige Abholung der auf dem Depot der Erfrischungs-Station in der Spöhrer'fchen Handelsschule zuMgebliebenen Sachen.

Depot-Abteilung.

Deckenpfronn.

Hm Submissionsweg werden verkauft:

Säg- und Langholz

gefällt: ISO St. Tannen und Fichten mit 124 Festm.

8 St. Forchen mit 6 Festm.

auf dem Stock, Schalholz: 100 St. Fichten' mit etwa 160 Festm.

Das ganze Holz ist in 5 Lose eingeteilt.

Angebote sind nach der heurigen Forsttaxe für Wildberg in ganzen Prozenten ausgedrückt je auf die einzelnen Lose oder auf das Ganze bis längstens Samstag, d. 5. April 1919 mit'. 12 Uhr beim Schultheißenamt cinzureichen. Außerdem werden im Wald am obigen Tage von vorm. 9 Uhr ab 400 Bau- und Haag-Stangen verkauft. Auszüge wollen bei Wald­meister Dongus bestellt werden.

Den 18. März 19 l 9.

Gemeinderat.

Sozialdemokrat. Verein Calw.

Samstag Abend 7'/, Uhr findet bei Bäcker Kirchherr, Borstadt

Mitglieder-

Verfammlung

statt. Hierzu werden die Mit­glieder freundlichst eingeladen.

Der Vorstand.

Kriegsanleihe

3000 Mark

zu kaufen gesucht. Angebote mit Preis unter H. 3 an die Geschäftsstelle des Blattes.

VlNlttillltch

Leinen und Halbleinen wird echtblau und schwarz gefärbt unter billigster Berechnung.

Ebenso baust auch solche zum höchsten Preis.

Kfm. Eduard Bausch, Pforzheim-Brötzingen.

Ferner suche für einen ge­sunden, kräftigen Bungen von 15 3. eine

bei einem tüchtigen Schlosser oder Mechaniker, Kost und Wohnung im Haust und bitte um gesl. Angebote.

-VS

Heirat;-Gefach.

Wtm. anfangs 50 wünscht mit einer Witwe, Dienstmagd, Bauerntochter oder Kriegsw. im Alter von ungefähr 40 bis 46 Jahren mit etwas Ver­mögen, welche Landwirtschaft versteht in Verbindung zu treten.

Ernstgemeinte Anträge sind zu richten an die Geschäfts­stelle dieses Blattes.

btuucke

Ein kräftiger

Zunge

der die Bäckerei er- lerneir will, wird nach Pforzheim gesucht.

Nähere Auskunft erteiU

Metzger Schlatterer, Calw.'

Danksagung.

Bon Herrn Fabrikant Georg Vamann in Calw

ist uns ein Vermächtnis seiner am 26. Dezember 1914 verstor­benen Mutter, Frau Friedricke Baumann, der Betrag von

Mk. 200

überwiesen worden, wosür auch öffentlich den herzlichsten Dank ausspricht

dar HM der MmherzWit.i» Wildberz.

Wk MM

f. Reisende, Händler, Hausierer od. sonstige verkaufsgewandte Personen durch Verkauf eines in jedem Haushalt dringend notwendigen Gebrauchsar­tikels. Verlangen Sie sofort Mustersendung gegen Einsen­dung von 70 F in Briefmarken. Gustav Vuchbaner Cannstatt a. N.

_Taubenheimstr. 84._

Einen ordentlichen

Jungen

nimmt in die Lehre

Schmiedmeister Nexer. Ein kräftiger

Iunae,

der Lust hat die Brot« und Feinbäckerei zu erlernen, findet gute Stelle.

Friedrich Scheu, Pforz­heim» Eewerbeschulstr. 4.

Auf 1. od. 15. April jüngeres, kräftiges

Mädchen

für Küche und Haushalt gesucht. Friede. Schechinger, Calw.

Ein kräftiges, ehrliches

Mädchen

für Haus und Landwirtschaft nicht unter 18 Jahren für so­fort gesucht

Friedrich Klingel, b. Wald­horn in Heimsheim O.A. Leonberg.

IMckden

im Alter von 1618 Jahren, als zweites Mädchen für Küche und Haushaltung auf 1. April gesucht.

Frau Mathilde Reichert, Buchdruckerei Leonberg, Bahnhosstr. 48.