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fach wird angenommen, daß die Auffahrt im Laufe des nächsten Monats erfolgen werde.)
Lindau, 8. Febr. Gestern Mittag starb in seinem Landhause bei Lindau nach langem Leiden der alte Turnvetercme C. Kallenberg, der im Jahre 1860 als Mitrufer zur Sammlung im Vereine mit Theodor Georgii aus Eßlingen die deutschen Turner für ein allgemeines deutsches Turn- und Jugendfest entflammte. Jenes erste deutsche Turnfest, das in den Tagen vom 16.—19. Juni 1860 gehalten wurde, führte zwar aus politischen Rücksichten noch nicht zur Gründung eines Turubuudes, darf aber dennoch als die Wiege der deujchen Turnerschaft bezeichnet werden. Kallenbergs Name genießt seit jener Zeit in der Geschichte der deutschen Turnerschast einen Ehrenplatz und die Kund von seinem Hinscheiden wird gewiß in weiten deutschen Turnerkreisen, insonderheit auch in Württemberg, mit aufrichtiger Teilnahme vernommen werden. Von glühender Vaterlandsliebe erfüllt, war der Heimgegangene stets da zu finden, wo es galt, für Deutschlands Einheit und Größe einzustehen.
Karlsruhe, 15. Febr. «Landtag.) Der Gesetzesvorschlag Wacker und Gen. betr. Zulassung der Männerorden wurde mit 30 gegen 22 St. angenommen. Dagegen stimmten geschlossen die National- liberalen, sodann wurde der Antrag Zehnter, an einzelnen Orten Orden zuzulassen, mit 32 gegen 20 St. angenommen.
Frankfurt a. M., 14. Febr. Wie amtlich mitgeteilt wird, sind alle telegraphischen Verbindungen mit London wegen Schneestürmen in England unterbrochen.
Berlin, 13. Febr. Prinz Heinrich von Preußen empfing gestern Morgen im Schlosse den Oberbürgermeister Kürschner und sprach demselben seine Freude aus über den ihm in Berlin bereiteten Empfang. Er beauftragte den Oberbürgermeister, der Bevölkerung Berlins dafür seinen Dank auszusprechen.
Lissabon, 14. Febr. Die Kammer verwarf, laut „Frkf. Ztg.", einstimmig den Antrag, der die Veräußerung von Kolonialbesitz befürwortet. (Damit wäre die Frage der Ueberlassung der Delagoabai an England vorläufig gegenstandslos gemacht.
Vom Kriegsschauplatz in Südafrika.
— Die englischen Kriegskorrespondenten sind von den Pretzzensoren unterrichtet worden, daß während der nächsten Tage die Zensur ganz besonders strenge ansgeübt werde. Später soll ihnen wieder mehr Freiheit gewährt werden. Es hängt dies natürlich mit den Planen Lord Roberts zusammen, und es stehen also in der nächsten Zeit wichtige große Ereignisse, mindestens deren Vorbereitungen bevor. Lord Roberts befindet sich, wie mau weiß, im Lager Meihuens am Modderfluß, doch ahnt Niemand, wo sich Lord Kitchener oder General French aushält. Man nimmt jedoch an, daß letzterer bei der bevorstehenden Invasion des Oran- je-Freistaates die Kavallerie befehligen werde.
Brüssel, 14. Febr. Soeben meldet eine Depesche aus Prätoria einen großen Sieg der Buren an der Südgrenze des Oranjefreistaats. Die Buren.erstürmten am 11. Februar sämmtliche Stellungen
des Generals Clements bei Rensburg. Clements zog sich bis Arundel zurück.
London, 14. Febr. Ein Telegramm der „Daily Mail" aus Rensburg im Capland meldet: Der englische Rückzug ist auf schwerere Kämpfe zurückznführen als geglaubt wird. Die Verluste auf beiden Seiten sind groß. Es ist zweifelhaft, ob die Engländer Rensburg werden halten können.
— Während die Aktion der Engländer bei Rensburg nach den englischen Depeschen als ein ganz unbedeutendes Manöver hingestellt wird, scheint es doch ein Ereignis von größter strategischer Bedeutung zu sein. Von der Burenseite geht dem Brüsseler Korrespondenten des „Berl. Tagebl." folgendes Privattelegramm zu: Den Ereignissen an der Grenze des Oranjefreistaates wird in hiesigen Burenkreisen fortan eine größere Bedeutung beigelegt als den Vorgängen in Natal. Die Niederlage des englischen Generals Clements bei Rensburg, wobei derselbe schwere Verluste erlitt, durchkreuzt den Plan des Marschalls Roberts, in den Oranjestaat gleichzeitig von der Seite wie von Süden eiuzudringen. Roberts kann jetzt nur noch von rechts oder links Vordringen. Das südliche Terrain beherrschen die Buren so vollständig, daß die Generäle French und Gatacre wahrscheinlich bis Arundel zurückweichen müssen. Jedenfalls wird die nächste größere Schlacht an der Grenze des Oranjefrristaats geschlagen.
London, 14. Febr. Der Rückzug von Rensburg (südlich vou Colesberg im Kapland) war theilweise eine völlige Flucht unter Zurücklassung fast des ge- sammten Lagergeräths, eines großen Teils des Trains und vieler Verwundeten. Sämtliche, seit Jahresanfang durch French besetzten Stellungen, einschließlich aller westlich Rensburgs liegenden, bisTaaibosch Foutein wurden geräumt. Die Frei- staatler schnitten unsere Verbindung mit den Generälen Gatacre und Brabant ab und gefährden die Verbindung mit De Aar. Die englischen Verluste sind schwer. Ob Artillerie verloren ging, ist noch nicht festgestellt. Jedenfalls ist der Plan, eine Offensive gegen den Freistaat über Nor- valspont gefährdet.
London, 14. Febr. Die „Liverpool-Post" bestätigt amtlich, daß eine starke Buren-Kolonne in das Zulu-Land eingefallen ist, in der Absicht, sich der großen Viehheerden, diesich dort befinden, zu bemächtigen. Diese Gegend ist am reichsten an Vieh in ganz Süd-Afrika.
Brüssel, 14. Febr. Nach einer Meldung des „Berl. Tgbl." von hier stellen alle Nachrichten vom Kriegsschauplatz die Lage der Engländer so ungünstig wie möglich dar. General Buller beschleunigt gegenwärtig seinen Rückzug. Jedes Projekt zum Entsätze von Lady- smith ist rndgiltig aufgegeben worden.
Brüssel, 14. Febr. In einer Korrespondenz des Petit Bleu aus Pretoria wird versichert, daß in den letzten Tagen des Dezember 2000 englische Soldaten an den Ufern des Maputaflusses an der Grenze des Swazilandes und des portugiesischen Gebiets angekommen seien, die während des Rückzugs von Dundee von den Truppen des Generals White getrennt, wochenlang im Zululand umhergeirrt waren. Sie seien ohne Stiefel und stark ausgehungert auf dem portugies.
Gebiet angelangt, wo sie entwaffnet wurden. Von diesen 2000 Engländern glaubte man, sie seien mit White in Ladysmith eingeschlossen.
— Privatnachrichten aus Brüssel zu- folge, würde sich die Schlappe der Engländer bei Colesberg in eine große Niederlage verwandeln. Die Buren sollen am 11. oder 12. die sämtlichen Stellungen des Generals Clement bei Rensburg erstürmt und diesen bis Arundel zurückgedrängt haben.
— In Ladysmith ist für 25 Millionen Franken Munition aufgespeichert. Das Kriegsamt hatte dort die Hauptniederlage für die englische Armee in Südafrika errichtet.
HlnterHcrltenöes.
Der alte Posteimiehmer.
Eine Erzählung von M- Ling.
iFortsetz.) «Nachdruck verdaten.)
„Paul Eisen".
Klirrend fiel das Glas, das der Doktor dem Polizeimann in die Hand geben wollte, zu Boden. Der Doktor wurde todesblaß. Der Polizist entschuldigte sich, daß er so ungeschickt gewesen, das Glas fallen zu lassen.
„Es ist nichts", sagte der Doktor. „Müssen Sie nicht wissen, woher der Herr ist?"
„Ich denke, es ist nicht nötig. Der Herr wird gewiß vor Gericht erscheinen", erwiderte der Polizeimann höflich und nahm ein anderes Glas, das ihm der Doktor anbot. „Ihre Gesundheit, Herr Doktor, und nochmals meine Entschuldigung."
„Danke — aber der Herr ist kein Amerikaner, er ist ein Deutscher", bemerkte der Doktor.
„Hat nichts zu sagen, er spricht genügend Englisch."
Der Doktor machte eine Bewegung der Ungeduld. Doch bezwang er sich und fragte mich in gleichgültigem Ton: „Wie nannten Sie Ihren Heimatort?"
„Ich nannte ihn gar nicht", erwiderte ich, und fuhr Deutsch fort: „Sie werden das unbedeutende Dorf auch nicht kennen. Ich bm von Weidingen im Hessischen."
Der Doktor stand auf. „Auf morgen also!" wandte er sich an den Polizisten. „Noch ein Glas Wein?" Der Mann dankte nnd empfahl sich.
Der Doktor zog die Glocke. „Cäsar", sagte er zu dem eintretenden Diener, „der Herr bleibt heute Nacht und vielleicht noch einige Tage hier. Keine Einsprache!" bemerkte er gegen mich, als ich reden wollte. „Mach ein Zimmer für den Herrn zurecht!" Damit ging er ins Nebenzimmer und ließ mich allein. Ich hätte gar zu gern meine durch den Polizisten unterbrochenen Fragen fortgesetzt. Nach einiger Zeit erschien er wieder und fragte, ob ich, bis mein Schlafzimmer in Stand gesetzt sei, Lust habe, sein Arbeitszimmer zu sehen.
Er führte mich in ein weiteres Gemach mit breiten hohen Fenstern, so recht das eines Naturforschers. Auf großen Tischen lag eine Menge von Büchern, Karten, Abbildungen von Tieren und Pflanzen. Hier standen Mikroskope, dort ein mächtiges Fernrohr, au den Wänden hohe Büchergestelle. Doch ließ mir der Doktor keine Zeit, im einzelnen Umschau zu halten.