Nr. 65.

Amts- und Anzeigeblatt für Len Oberamtsbezirk Calw.

84. Jahrgang.

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Tagung der Arbeiter- und Bauernräte

Württembergs. Zur Friedensfrage.

* Seit dem 17. Marz tagen in Stuttgart die A.- und B -Räte Württembergs. Den Hauptpunkt der Tages­ordnung bildet die Sozialisierungsfrage. Im Namen der Unabhängigen verlangte Klara Zetkin die vollständige Aus­hebung der kapitalistischen Privatwirtschaft und die Ein­führung der sozialistischen Bedorfsmirtsckaft und zwar unter Durchführung einer völlig entschadigungsloscn Enteignung auf allen Gebieten. Alle Hindernisse, die,sich der Sozi­alisierung entgcgenstellen, müssen durch die politische Macht des Proletariats gebrochen werden. Darum müsse es das letzte Wort sein und bleiben I Alle Macht den A. - Räten und vorwärts zur Diktatur des Proletariats. Don mehr- heitssoziolistischer Seite wurde der Rednerin entgegenge- holten, daß wenn die Sozialisierung ohne jede Entschädi­gung durchgesührt werden solle, man folgerichtig auch die Abschaffung des Privateigentums abschaffcn müsse. Mit verfehlten Soziaiisierunqsexperimentcn würde der Sozialis­mus vor der ganzen Welt in Mißkredit gebracht. Als Er­gebnis der Beratungen wurden einige Anträge, in denen sofortige Sozialisierung der Nahrungsmiltclbetriebe und die Aushebung und Enteignung der Fideikommisse verlangt wird. Einen Einblick in das Zahlenvcrhältnis von Mehr- heitssozialisten und Unabhängigen gab das Ergebnis der Wahlen zum Reichsrätekongreß., Von den 10 zu wählen­den Delegierten erhielten die Mehrheitssozialisten 8. die Un­abhängigen 2. Don den weiteren Beschlüssen seien hervor­gehoben. die Regierung zu ersuchen der Landesver- sanimling unverzüglich einen Gesetzentwurf oorzulcgen. durch welchen der 1. Mai und der 9. November jedes Jahres als allgemeine Landesfeiertage erklärt und der Lohn und Gehalt für diese Tage bezahlt werden soll, alle Betriebskrankenkassen abzuschaffen, und ihr Vermögen staat­lichen, Bezirks- oder Ortskrankenkassen zu überweisen. Dem Landesansschuß wurde ein Antrag überwiesen, wonach für die in Dillen usw. beschlagnahmten Wohnungen kein höherer Mietpreis soll verlangt werden, als es für den Arbeiter im allgemeinen üblich sei. Zu einem schweren Tumult »kam es, als der Vorsitzende die Antwort der« Negierung auf den Wunsch der Aufhebung' des Verbots von Versammlungen, Demonstrationen usw. bekanntgab, wonach die Wiederznlassung solcher Demonstrationen wegen des sicher vorauszusehenden Mißbrauchs durch die Spar­takisten bis aus weiteres nicht möglich sei, und ebenso würde die verlangte Freilassung der verhafteten Spartakistcnführer in Württemberg voraussichtlich zu den gleichen »Zuständen w>e in Berlin und Mitteldeutschland führen. Die erlassenen Verbote würden wieder ckufgehoben werden, sobald ruhigere Zeiten emgekehrt seien. Als ein Antrag auf energische St.llungnahme der A.- und S -Räte gegen diese Haltung der Regierung mit 48 gegen 34 Stirnmen abgelchnt wurde, forderten die Unabhängigen ihre Mhäuqer auf. den Saal zu verlassen. Gleichzeitig brach auf der Kallcrie ein heftiger Skandal ans. als Opposition gegen die Mehrheitssozioliste» die Arbeiter - Verräter. Lumpen usw. betitelt wurden. Während die Unobhöng. und Kommunisten den Saal verließen, drangen fremde Penonen ein, n. vereitelten durch fortwährendes Schreien die Fortsetzung der Beratungen. Die den Saal verlassen­den Rätemitgliedcr wurden von den Ruhestörern durch Echimpfworte und Tätlichkeiten belästigt, wobei Stuhlbeine und andere ähnliche Waffen benutzt wurden. Da sich starke Gruppen von Spartakisten vor dem Gewerkschaftshaus an­gesammelt hatten, so wurde für die Nachmitlogssitzung ein militärisches Schutzkammando erbeten. Die Vertreter der Unabhängigen und Kommunisten mißbilligten natürlich die Gewaltakte, das tun sie immer wenn sie die Sache so­weit getrieben haben, und cs wurde dann eine Ent­schließung angenommen, das; die Versammlung mit der Antwort der Regierung bezüglich des Dersammlungsver- bols und der verhafteten Spartakusführer nicht zufrieden sei, und daß die Haltung der Regierung ein solches Maß von Erbitterung unter der Arbeiterschaft schaffe, daß in kürzester Zeit mit einer Entladung zu rechnen sei. Es wird deshalb die sofortige Aufhebung des Versammlungsverbots und die Niederschlagung des Verfahrens gegen die Eparlakisten- suhrer verlangt. Die Versammlung kritisierte zum Schluß datm noch die Arbeiten des Bersassungsausschusjes bezüg­

lich der Frage der Trennung von Staat und Kirche. Es wurde einstimmig die restlose Trennung von Staat und Kirche verlangt, sowie die völlige Verweltlichung der Kirche und die Entfernung aus dem Lehrplan. Man sieht aus diesen Nachmittagsbeschlüssen, daß die gemäßigten Elemente bei diesen Erörterungen nicht mehr beteiligt waren, und daß es sich wahrscheinlich um Beschlüsse der Stuttgarter Radi­kalen handelt. Wenn die Gepflogenheit dieser Kreise, ihren Wünschen lediglich durch Gewalttätigkeiten Nach­druck zu verleihen, fortdaucrn soll, wenn die Beschlüsse der auf Grund des freiesten Wahlrechts gewählten Volks­vertretung und der Regierung durch Drohungen rückgängig gemacht werden wollen, dann muß man sich schließlich fragen, wie lange die Mehrheit des Volkes noch gewillt ist, den Terrorismus solcher kleinster, aber umso gewalt­tätigerer Minderheiten zu ertragen.

Die neuesten Nachrichten aus dem Auslände deuten darauf hin. daß die Alliierten jetzt gesinnt sind, so schnell als möglich Frieden zu schließen. Reuter veröffentlicht eine jener eigenartigen Verlautbarungen der Entente, die so harmlos wie möglich gehalten sind, die aber für den Ein­geweihten immer wichtige Schlüsse Anlassen. Es ist ein Brief Wilsons, Clemenceau's und Orlandos an Lloyd George, der vorgestern in Paris amtlich (!) veröffentlicht wird, und ln dem dem Wunsche Ausdruck gegeben wird, Lloyd George möge in Paris bleiben, bis die hauptsäch­lichsten Fragen, die m9 dem Frieden in Zusammenhang stehen, geregelt seien, um zu vermeiden, daß die Welt auf den Frieden länger warten müsse, als es tatsächlich unver­meidlich sei. Wenn er bleibe, könne dieses hochwichtige Ergebnis in zwei Wochen erreicht sein. Die drei Staats­männer Amerikas, Frankreichs und Italiens ersuchen des­halb den englischen Ministerpräsidenten, in Paris zu bleiben, und wenn noch dringende Angelegenheiten ihn nach Eng­land rufen sollten. Da liegt des Pudels Kern. In Eng­land und Irland sieht es trotz des großen Sieges recht ungemütlich aus. Die englischen Arbeiter stehen vor dem Generalstreik, der Gefahr einer Revolution in sich trägt, auf die die englische Presse seit Tagen hinweist. In Irland aber rüstet sich das Volk zur Ausrufung einer unabhängigen Republik. Um die Entscheidung hinauszuzögern, soll Lloyd George in Paris gehalten werden. Aber auch in Frankreich sind die Volksmassen unruhig. Die Arbeiter fordern 8 Stunden­log. Verstaatlichung der Eisenbahnen u. a. m. Was nun die Fricdensfrage selbst anbelangt, so wird behauptet, Wil- -son wehre sich gegen die Eroberungsabsichten Frankreichs und der Polen mit der Begründung, das amerikanische Volk würde einen Friedensvertrag, in dem die Franzosen und Polen rein deutsches Gebiet mit deutscher Bevölkerung annektieren würden, niemals gutheißen. Inwieweit diese Gerüchte zutreffcn, ist natürlich? nicht zu erkennen.

Zur MffensiiWM- «»d IriedeosskM

Aus den Verhandlungen der

Waffenstillstandskommission.

Berlin. 16. März. General von Hammerstein stellte in der Sitzung der Waffenstillstandskommission in Spaa am 15. März fest, daß die Entente wieder auf dringende deutsche Anfragen z. B. über den Kampf an der Ostfront gegen den Volschewismus, die polnischen Angriffe in Posen und über das Schicksal Liinon von Sanders keine Ant­wort erteilt habe. Der englische Vorsitzende erklärte hierauf, Liman von Sonders und sein Stab würden bis zur Frie­denskonferenz. die über seine Festhaltung und Aburteilung entscheiden werde, in Malta zurückgchalten.

Nudant sagte, die Zuführung deutscher Verstärkungen über die Ostsee nach Kurland werde gegenwärtig geprüft. Die polnische Frage sei ziemlich verworren und auch die Polen behaupteten, die Deutschen hätten die^Vereiiibarun- gen nicht gehalten.

General von Hammcrstein erwiderte, ohne Freigabe des Seeverkehrs könnten sich die deutschen Truppen in Kurland nicht mehr halten. In der polnischen Angelegen­heit bitte er Nudant sestzustcllen, wo und wann deutsche Truppen angegriffen hätten; die deutschen Dienststellen be­stritten solche Angriffe.

Ferner protestierte der deutsche Vorsitzende gegen das Vorgehen der belgischen Besatzungsbeyörden, die von deut­

schen Besitzern requirierter belgischer Maschinen hypotheka­rische Kautionen verlangten, sowie dagegen, daß der fran­zösische Oberbefehlshaber in Saarbrücken den Bürgermeister absetzen wolle, weil er Kundgebungen unterschrieben habe, in denen die Bevölkerung erklärt, deutsch bleiben zu wollen.

DieVorbereitungen" in Dänemark

zur Abtrennung Nordfchleswigs.

Kopenhagen, 17. März. Gestern trafen hier au» englischen Kriegsgefangenenlagern 300'Nordschleswiger ein, denen ein begeisterter Empfang bereitet wurde. Ihnen zu Ehren sind verschiedene Festlichkeiten geplant. Am kom­menden Mittwoch werden weitere 170 Mann ankommen. Die Engländer haben aus diesem Grund natürlich die Nordschleswigcr freigelasscn, um den Dünen'in ihren Be­strebungen behilflich zu sein.

Die Eroberunqs - Absichten der Polen und Tschecho- Slovakcn im Südosten Deutschlands.

Berlin, 18. Mär.;. Die «Berliner Zeitung" meldet: Die preußische Regierung hat sich gestern mit der kritischen Bewegung an der schlesischen Grenze beschäftigt. Nach zu-- verlässigen Nachrichten sollen nicht nur die Lschecko-Slovaken bedeutende Strcirkräfte gegen Glotz zusammengrzoge«. an­dern auch die Polen üvee 30 000 Mann zum Einmarsch nach Oberschlesien versammelt haben. Man hat Kenntnis davon, daß zwischen Polen und Tschecho-Slovaken Verab­redungen getroffen woroen sind. Die beiden Regierungen haben in Paris sondieren lassen, wie ein Militärisches Vor­gehen in Oberschlesien von der Entente beurteilt werden würde. Aus Paris wurde damals geantwortet, zu einem Einmärsche in Schlesien bedürfe es eines Vorivandes. Ein solcher wäre etwa schon durch Anwachsen der kom­munistischen Bewegung gegeben. Diesen Wink hat man in Prag und Warschau gut verstanden. Die kommunistischen Unruhen in Oberschtcsien sind nur auf polnische und tschecho- slovakische Umtriebe zurüchzuführcn. Die rechtzeitige Ver­hängung des Belagerungszustandes hat den von den Kommunisten hervoraerufenen Streik znm Scheitern gebracht. Don polnischer Seite wird aber seither wieder skrupellos gehetzt und* alles versucht, um den deutschen Grenzschutz in Schlesien zu korrumpieren.

Katt für England.

Berlin, 17. März. Abschluß über Kalilieferungen in Rotterdam. 2n Rotterdam ist nach telegraphischer Meldung heute das Abkommen über die Lieferung von Kali nach England abgeschlossen worden. Es ist nicht ausgeschlossen, daß es noch zu einem weiteren Abkommen zur Lieferung von Kalimengen nach Amerika kommt. England nimmt 30000 Tonnen ab, deren Ertrag der deutschen Regierung gntgeschrieben wird, um ans die Bezahlung der Lebens­mittel angerechnet zu werden. 10600 Tonnen gehen über Hamburg oder Bremen, 20 000 Tonnen über Rotterdam.

VcmiWe MchrWes.

Vandalismus englischer Kriegsgefangener Offiziere.

Berlin, 17. März. Nach einem Bericht der Garni- sonverwaltung Holzminden begingen die Kriegsgefangenen englischen Offiziere sofort nach der Bekanntgabe ihres Ab­schubes eine vollständige Zertrümmerung ihrer eigenen Geräte, besonders von Glas, Porzellan, Küchengeräten usw. Die nicht zerstörten Gegenstände, Möbel etc. die nicht in den Zimmerösen Platz gefunden hatten, wurden mit un­glaublicher Schnelligkeit im Kasemenhof aufgestapelt »nd verbrannt. Die sofort eingeleiteten Löscharbeiten ve.suchten die Gefangenen durch Zerschneiden der Schläuche gewaltsam zu verhindern und bescliädigten dabei mehrere Schläuche. Ein ähnliches Verhallen zeigten auch die gefangenen eng­lischen Offiziere in Llaustas-Pfaueneiche im Harz. In diesem Lager sind von den Tätern vor dem Abtransport der Gegangenen nmsanarciche mutwillige Beschädigungen an fiskalischen Geräten und Vaiilickkeilcn vorgenommcii wor­den. Außer vielen zertrümmerten Fensterscheiben, stark be­schädigten Wänden und Decken, zerbrochenen Stühlen, Tischen und Schranktüren, gaben stark beschädiate Becken,