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Kapstadt, 20. Okt. Das Lager von Glencoe ist gestern von einer Streitmacht der Buren angegriffen morden. Die Buren fuhren Geschütze auf eine die Stadt beherrschende Anhöhe und eröffneten das Feuer auf das Lager. Gegenwärtig wird auf der ganzen Linie gekämpft.
London, 21. Okt. Der „Standard" veröffentlicht folgendes Telegramm aus dem Lager von Glencoe von gestern mittag: Als die Füsiliere und Royal- RifleS auf 1000 Jards herangekommen waren, waren die Batterien der Buren von den englischen Geschützen, welche bis auf 2500 Jards mitvernichtender Wirkung geschossen hatten,vollständig znm Schweigen gebracht worden. Die Buren unterhielten immer noch ein heftiges Gewehrfeuer, welches die Reihen der Engländer stark lichtete. Gegen 9 Uhr früh schwärmten die Füsiliere und die Ristes über die Anhöhe aus und die Buren ergriffen die Flucht. Inzwischen waren die 18. Husaren, alle britischen Kolonie- und Reichsinfanterieregimenter, sowie das Leicester- regiment nach Norden und Osten vorgeschoben worden, wodurch den Buren die Hauptrückzugslinie abgeschnitteu wurde. Die Feinde gerieten nunmehr zwischen zwei Feuer und hatten schwere Verluste. In dem Augenblick, in dein dieses Tele- gram abgeht, dauert der Kampf fort. Die Niederlage der Buren ist aber vollständig und vernichtend. Es hat den Anschein, als ob nur wenige Buren entkommen wären. Die englischen Verluste werden sich wahrscheinlich auf 300 an Toten und Verwundeten belaufen, während der Verlust der Buren dreimal so groß sein dürfte.
— Uebermütig gemacht durch ihren Pyrrhussieg bei Glencoe, verteilen die Engländer schon Südafrika. Die englische Regierung will angeblich nach dem Krieg in Südafrika fünf Bundesstaaten schaffen: Kapstadt, Transvaal, Natal, Oranjestaat, Rhodesia unter dem Namen Dominions ok 8ontIi-L.triea. Der Sitz des Bundesparlaments soll Kapstadt sein.
— Wenn die bei Ladysmith in Aussicht genommene Schlacht zu Ungunsten der Buren ansfiele, würde ihre Lage eine ernsthaft kritische; denn sie befänden sich 30 Meilen von den östlichen Bergen und 100 Meilen von der nördlichen Gebirgskette entfernt. Ein Rückzug der Buren nach einer Niederlage würde für diese verhängnisvoll werden. Die Strategie des Generals Withe ist augenblicklich die des Abwartens, und diese Taktik wird im hiesigen Kriegsamte gebilligt.
Lokales.
Wildbad, 23. Okt. Gestern machte der ev. Kirchenchor seinen Herbstausflug. Der Spaziergang von Rothenbach nach Gräfenhausen war bei dem prächtigen Wetter und der wundervollen Färbung des Laubwaldes besonders genußreich und im „Waldhorn" in Gräfenhausen verlief der Nachmittag recht heiter. Bedauerlich war es, daß die Beteiligung seitens der aktiven Mitglieder so gering war, daß nicht gesungen werden konnte. Möchte doch diesen Winter, namentlich unter den hiesigen Damen, dem Verein und seinen gewiß idealen Zwecken wieder mehr Interesse zugewandt und bei den mit dieser Woche beginnenden regelmäßigen Proben icht wieder die alte Klage laut werden,
daß die geringe Zahl von Frauenstimmen das tüchtige Fortschreiten in den Leistungen ans diesem Gebiet des Chorgesangs hindern.
'Unterhaltendes.
Signor Carlo, der römische Herzog
Von Paul Revira.
(Forts > «Nachdruck verboten.)
„Allerdings habe ich es schon versucht. Vor 8 Tagen begab ich mich in den einsamen Garten der Villa Corsini, ließ mich vom Dufte der Lorbeeren und Myr- then umwehen und beschwor die Geister aller alten und neuen römischen Poeten, sie möchten mir doch ein Gedicht eingeben, welches im Stand wäre, das Herz oder doch den Beutel der Fürstin zu rühren."
„Und die Geister der Poeten erhörten Euch?"
„Gewiß. Das Sonett war fertig, wie gestochen prangte es auf feinstem Pergament. Ich lief zum Blumenstand, ließ mir von Marietta die schönsten Rosen schenken und gab Beides mit einer Empfehlung im Palast der Fürstin beim Portier ab."
„Und sie hat Euch bis heute nicht geantwortet? Unmöglich!" sagte der Graf Antonio entschieden.
„Ich warte einen Tag, ich harre zivei, drei Tage. Am vierten bringt mir der Bediente ein Billet. Ich öffne vorsichtig, ich suche... Es enthält..die schmeichelhaftesten Worte: Die Fürstin wage es nicht, schon jetzt die über alles Lob erhabene Arbeit zu honoriren. Sie befürchte, daß ich ihr sonst untreu werde und das Gegenstück nicht liefere, auf dessen Besitz sie einen doppelten Wert lege."
„Die Fürstin ist ebenso klug als gut. Wer sich einmal in ihre Netze verfangen hat, den läßt sie nicht gern mehr los," sagte der Graf, als spräche er aus eigener Erfahrung.
„Klug, ja das ist sie. Ob sie auch gut ist, das scheint ihr besser zu wissen als ich. Ich hätte ihr das Gegenstück um diesen Spottpreis auch gar nicht geliefert; nun bin ich gebunden. Oh, diese reichen Leute wissen nicht, was Mühe und Arbeit Heist. Aber beim heiligen Paulus, den man dort oben auf des heidnischen Kaisers Siegessäule stellte, als hätte er und nicht Marc-Aurel die Markomannen unterworfen, das muß anders werden. Diese Müssiggäuger von Fürsten und Herzögen, diese Gräfinnen und Baronessen müssen arbeiten, bis sie Schweiß auf der Stirn und Schwielen an den Händen haben!"
„Signor Carlo, wo kommt Ihr hin? Schwärmt Euer gutes Herz wieder für das arme Volk? Soll ich auch Schweiß auf der Stirne und Schwielen an den Händen haben?
„Nein, Graf, das sollt Ihr nicht. Ihr macht eine Ausnahme. Verzeiht, Ihr wisset schon, wie ich's meine."
„Ja, ich weiß es. Aber Ihr macht die Welt nicht anders, wenn Ihr sie von unten nach oben kehrt. Müssiggänger und Schlemmer gibt es in allen Schichten des Volkes, und wenn man die Hefe aufrührt, daß sie oben schwimmt, so wird dadurch der Wein nicht besser. Zudem wird ein sparsamer Schneider, wenn er das große Loos gewinnt, gar leicht ein Verschwender,
und — Signor Carlo," setzte der Sprecher bedeutsam hinzu,— „wenn Ihr ein Herzog würdet, was dann?"
Der Graf schaute den Gefragten mit durchdringendem Blicke an.
„Ich?" antwortete Signor Carlo errötend, „der Mond fällt nicht vom Himmel."
„Nein, Signor; doch sind Sterne schon vom Himmel gefallen, auch ist ein einfacher Bauer schon ein gewaltiger Herzog geworden."
„Aber ich werde kein Herzog, Graf Antonio; und wenn ich es könnte, ich wollte keiner werden," setzte er mit Nachdruck hinzu.
„Ihr wolltet nicht? c> sanata simM- eitas! da würdet Ihr, wenn ich Euch den Herzogshut hinhielte, auch beim heiligen Paulus dadroben den Schwur thun, daß Ihr ihn nicht aufsetzet? Und doch stünde Euch der Hut vortrefflich. Ihr habt eine edle Gestalt und feine Manieren, auch einen hohen Herrscherblick. Und wenn es gerade Not thüte, verstündet Ihr auch zu schelten und zu wettern, daß nicht bloß die Diener mit silbernen Schnallen und goldenen Tressen, sondern auch die Marmorwände zitterten. Wie schade, daß Ihr nicht wollt! Kommt mit mir hinüber zur Säule und streckt Eure drei Finger in die Höhe, damit der Schwur auch etwas gilt und Euch zuletzt nicht noch das Hündlein Reue beißt."
Mit diesen Worten zog der Graf seinen jungen Freund hinüber, lehnte sich mit ihm an das Postament der Säule, deutete auf einen Palast im Corso und sagte in feierlichem Tone:
„Signor Carlo, wenn Ihr mir jenen Palast dort schenket, so mache ich Euch zum Herzog."
„Und wenn Ihr, Graf Antonio, nicht aufhört, mit meinen heiligen Gefühlen zu scherzen, so zweifle ich an Eurer Freundschaft."
„Dazu habt Ihr kein Recht," erwie- derte Graf Antonio; „und jetzt erst sollt Ihr erkennen, daß ich Euer Freund bin." „Scherz bei Seite! Ich sage noch einmal: Schenkt mir dort jenen Palast, und ich mache Euch zum Herzog."
„Aber jener Palast gehört ja dem Daea Ditztro!" Gleichgültig, ob er dem Herzog Distro, Daolo oder Lmilio gehört, saget Ja und versprechet mir den Du- 1a.22o zum Geschenk, wenn ich Euch zum Duoa mache."
„Welche Comödie!" rief Signor Carlo.
„Aber ich wollte ja schon einmal aufs Theater gehen; so bin ich wohl schon ein halber Comödiäut?"
„Nichts Comödie und nichts Comö- diant! Doch wir brauchen zwei Zeugen. Oder halt! Wir machen es sofort schrift- lich. Dort sitzt ja der Schreiber an seinem Tischchen; er wird mit dem Briefchen, das ihm die hübsche Albanerin diktirt, bald fertig sein. Wie sie keck ist in ihrer kleidsamen Tracht und doch immer wieder errötet, wenn ihr der Schreiber die Worte vom Munde nimmt!" Mit dieser Bemerkung wandte sich Graf Antonio der Ecke des Platzes zu.—
In jener Zeit konnten nämlich die Landleute wohl etwas lesen und rechnen, aber selten etwas schreiben. Schulen gab es in den Albanerbergen wenige, einen Schulzwang nirgends. Schafe und Schweine hüten, nebenbei die Fremden anbetteln, das war der Kinder Hauptgeschäft. Sie