Amtsblatt für die Stadt Wildbaö.

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Nr. 117.

Donnerstag, 5. Aktober 1899.

35. Jahrgang.

Rundschau.

Calw, 1. Okt. In der mit Fahnen und Guirlanden schön geschmückten Turn­halle fand heute vormittag der 41. Ver­bandstag der Württembergischen Gewerbe­vereine statt. Im ganzen waren 91 Vereine vertreten mit über 300 Teil­nehmern. Um 10' Uhr eröffnete Prof. Gießler die Versammlung: Es sei seitens des Kabinets Sr. Maj. des Königs ein huldvolles Schreiben eingegangen, das die allbesten Grüße und die wärmsten Glück­wünsche Seiner Majestät znm Gedeihen der Verhandlungen ausspricht. Zum Tank für dieses huldvolle Gedenken brachte die Versammlung ein begeistertes Hoch am den König aus und beschloß die Ent­sendung eines Huldignngstelegrammes. Ministerialrat Mosthaf begrüßte den Ver­bandstag im Auftrag des Ministeriums des Innern. Regierungsrat Wendel wünschte den Verhandlungen im Namen der Zentralstelle für Gewerbe und Handel den besten Erfolg, worauf Prof. Gießler seinen Dank ausspricht. Prof. Gießler erstattete sodann den Bericht des Ver­bandsvorstandes. Der Verband habe um

19 Vereine und um 4319 Mitglieder zu­genommen, sodaß nunmehr im Ganzen

20 381 Mitglieder dem Verbände ange­hören, von denen die Mehrzahl Hand­werker sind. Die Beteiligung und das Interesse an der Sache der Handwerker habe zugenommen. Redner spricht seine Freude über die bisherigen Erfolge aus, doch stünden leider noch viele Tausende von Handwerkern unthätig abseits, doch auch diese müßten noch der Organisation beitreten. Auch über die Agitation be­richtete Redner. Unter anderem bedauerte er die Stellungnahme der Kölner Ver­sammlung von Gewerbevereinen zu der Frage der Beschickung der Pariser Welt­ausstellung, die Fernbleiben von der Ausstellung beschloß. Man solle nicht von Paris fern bleiben, sondern man müsse dort hin gehen zum Wettkampf und zum Lernen. Hierauf besprach Redner einige von ihm selbst ausgehende Vor­schläge unter dem Beifall der Versammlung, die, wenn sie ihre Verwirklichung fänden, gewiß zur Hebung der Lage der Hand­werker gereichen würden. Prof. Gießler will das Großkapital dem Kleinbetrieb dienstbar machen. Dieses solle im Großen Motoren kaufen und dann diese gegen eine geringe Monatsmiete den Gewerbe­treibenden, auch den kleinsten, leihen. Hiedurch werde nicht blos das Einkommen

eines jeglichen Handwerkers erhöht, son­dern dies bringe auch große gesundheit­liche Vorteile mit, was Redner durch zahl­reiche Beispiele darthut. Wenn der Be­trieb sich vergrößere, so werde der Motor gegen einen größeren nmgetauscht und finde andwswo Verwendung. Da die Motoren geliehen seien, gegen ganz ge­ringe Monatsmiete, so würden die Leute niemals durch das Schreckgespenst der Schulden geschreckt. Sodann wendete sich Redner gegen die Auswüchse des Snb- missionswesens, z. B. gegen das Unter­bieten. Viele junge Meister, ohne jeg­lichen materiellen Rückhalt, trachteten darnach unter allen Umständen Arbeit zu erhalten und unterboten so die andern Meister, was natürlich deni ganzen Hand­werk schädlich sei. Redner schlägt eine Handwerkerversichernng vor, wobei jungen Meistern bei Uebernahme eines Geschäftes eine gewisse Summe ausbezahlt werden soll. Dr. Hans Crüger - Charlottenburg sprach überGewerbliches Genossenschafts­wesen, Warenbazare, Großwarenhäuser." Der Referent, eine Autorität in seinem Fach, führte aus, daß die Lage des Ge­werbes und des Handels eine ernste, aber nicht verzweifelte sei, die Wege sznr Ab­hilfe seien mannigfacher Art, er sei aber gegen den Befähigungsnachweis zur Aus­übung des Gewerbes und gegen ein ein­seitiges Eingreifen des Staates und der Gemeinde, das deutsche Handwerk befinde sich in einem Umbildnngsprozeß, es könne dieser oder jener Zweig absterben, aber ans den Ruinen entsprösse neues Leben, ein planloses Herumdoktern sei bedenklich, was die Fabrik für den Handwerker, sei der Bazar für den Kleinhandel, man habe aber nie eine solche Agitation gegen Fabriken entfaltet, er müsse die Mittelstandspolitik bekämpfen, es solle Genossenschaftspolitik getrieben werden. Ju Deutschland be­stehen jetzt schon 17 000 Genossenschaften. Dem Kleinhandel und dem Gewerbe könne nur durch Bildung von Genossenschaften anfgeholfen werden, damit der Kleinbe­trieb sich die Vorteile des Großbetriebs, billigen Einkauf, besseren Verkauf und Maschinen, verschaffen könne. Alle Vor­teile fallem dem Kleinbetrieb durch organi­satorische Verbindungen zu. Der Hand­werker solle aber nicht nur technisch ge­schult, sondern auch kaufmännisch gebildet sein. Der Konkurrenzneid unter dem Kleinbetrieb müsse aufhören, eine Soli­darität müsse unter dein Gewerbe und Kleinhandel Platz greifen, lieber die

diesjährige Schulausstellung berichtete Prof. Ziegler in Geislingen. Nach seiner Ansicht ist im Zeichnen eine unverkennbare Besserung zu verzeichnen, der Unterricht habe wehr System bekommen und der organisatorische Aufbau sei ein klarer und zielbewußter geworden. Hierauf kam ein Antrag des Gewerbevereins Aalen zur Besprechung und zur Annahme, es solle an die Regierung die Bitte gerichtet wer­den, es möge für die württ. Besucher der Pariser Weltausstellung ein Bureau in Paris errichtet werden, das den Besuchern die nötige Auskunft und Führung gebe. Ein weiterer Antrag vom Gewerbeverein Tübingen betreffs Versicherung der Ge­werbevereine für Unfall und Gründung einer eigenen Sterbekasse und ein Antrag Traunecker-Zuffenhausen betr. Gründung einer Krankenkasse für Gewerbevereiue wurde einer Kommission zur weiteren Be- ratung übergeben. Als nächster Versamm­lungsort wurde einstimmig Biberach ge­wählt. Zum Vorstand wurde Pros.Gießler, obgleich dieser wegen Krankheit eine Wiederwahl nicht mehr annehmen wollte, und zu dessen Stellvertreter Malermstr. Schindler-Göppingen per Akklamation be­rufen. Damit hatte die höchst interessante Tagung ihren Abschluß gefunden. Das Festmahl, an dem sich 200 Personen be­teiligten, fand im Waldhorn statt.

Tübingen, 28. Sept. In der heut­igen Sitzung wurde der 45 I. alte, verh. Amtsdiener Karl Zeeb von Kusterdingen wegen fahrlässigen Falscheids zu 4 Monaten Gefängnis verurteilt. Der 36 Jahre alte verheiratete Maurer Ad. Joh. Rauscher von Trailfingen O. A. Urach angeschuldigt wegen Meineids und der 34jähr. ledige Bauer und Fuhrmann Ehr. Fr. Hauff, von dort, wegen Anstiftung zu diesem Verbrechen wurde heute freigesprochen.

Tübingen, 2. Okt. (Schwurgericht.) Zwei volle Tage, Freitag und Samstag, waren für die Verhandlung gegen 1) den 1838 geborenen Kaufmann und Fruchthändler Joh. Georg Pfeiffer von Gültlingen O.A. Nagold, 2) dessen Sohn Christian Pfeiffer, 1867 geboren, gleich­falls in Gültlingen, 2) dessen 2. Sohn, den 1874 gebor. led. Buchhalter Paul Pfeiffer in Dillweißenstein und 4) den 1841 geb. Bauern Joh. Müller in Gült­lingen wegen betrügerischen Bankerotts und Beihilfe hiezu angesetzt. Der Kauf­mann und Fruchthändler Johann Georg Pfeiffer ist von Beruf Schmied; er fing nachher einen Holzhandel und dann einen