4b0

Erregung. Oberstleutnant Lörch vom Be­zirkskommando in Biberach entfernte sich vorgestern von dort, passierte die hiesige Stadt und begab sich in den nahen Wald, woselbst er sich mit seinem eigens zu diesem Zwecke mitgebrachten Rasiermesser an bei­den Handgelenken schreckliche Verstümmel­ungen beibrachte, ohne indes sich die Puls­ader völlig zu durchschneidcn und sich ganz zu verbluten. In vollständig hilflosem Zustaud blieb er bis zum folgenden Nach­mittag in seinem Blute liegen. Eine auf einer nahegelegenen Wiese beschäftigte Per­son hörte das Schmerzgestöhn des Un­glücklichen, holte auf dessen Wunsch einen Arzt herbei und sorgte für dessen Ueber- führung in das hiesige Spital, woselbst ihm die sorgsamste Pflege und auch geist­licher Beistand zn teil wurde. Sein Zu­stand schien nicht absolut tödlich zu sein. Heute morgen gelang es ihm unter dem Vorwand, ihm etwas zu holen, die ihn pflegende barmherzige Schwester aus dem Krankenzimmer wegzuschicken. Während ihrer kurzen Abwesenheit schwang er sich auf die Fensterbrüstung und sprang zwei Stockwerke tief in den untenliegenden Gar­ten. Bald darauf verschied er. Der Ver­blichene stand allerseits in hoher Achtung. Bei seiner Auffindung trug er die Summe von 740 Mk. bei sich. Er lebte überhaupt in den glänzendsten finanziellen Verhält­nissen und erfreute sich des schönsten Fa­milienlebens. Seine Leiche wurde heute abend nach Biberach überführt. Der Un­glückliche hat die That ohne jeglichen Zwei­fel im Zustand geistiger Umnachtung voll­bracht. Allem Anschein nach hat er an Verfolgungswahn gelitten.

Karlsruhe, 21. Sept. Vor einigen Tagen saßen einige Stammgäste in einer hiesigen Weinwirtschast, wobei einer der­selben ein Zehnmarkstück auf den Tisch legte, um seine Z.che zu bezahlen. Es kam nun ein weiterer Stammgast in die genannte Wirtschaft, setzte sich an densel­ben Tisch, nahm das auf demselben liegende Zehnmarkstück und warf es einem am gleichen Tisch sitzenden Gast zu, mit den Worten:Da F., das schenk ich dir." Dieser besichtigte noch das Goldstück be­züglich seiner Aechtheit, steckte es ein und bedankte sich. Der eigentliche Eigen­tümer des Zehnmarkstückes ließ sich dieses, ohne ein Wort ^n sagen, gefallen und entfernte sich, um den Verschenker des Geldes zu verklagen. Derselbe wurde dann auch zur Zahlung verurteilt. Der Vernrtheilte hat nun den Beschenkten wegen Unterschlagung zur Anzeige gebracht.

M ü n ch e n, 27. Sept. Der Schaden der Stadt in Folge des Hochwassers be­ziffert sich bisher auf fast 4 '<2 Millionen Mark.

Berlin, 26. Sept. DerReichs­anzeiger" veröffentlichtnähereMitteilungen über den von den Erben des bei dem Untergange des französischen Dampfers Bourgogne" verunglückten Anthony Pol­itik aus Washington ausgesetzten Preis von 100 000 Frs. für die beste Vorrich­tung zur Rettung von Menschenleben bei Seeunfällen.

Berlin, 26. Sept. Finanzminister Dr. v. Miguel hat sich von seiner letzten, nicht unbedenklichen Erkrankung wieder vollständig erholt und übernahm die Amts- geschäste wieder in vollem Umfange.

Berlin, 25. Sept. Wie es heißt, sind in dem Prozesse gegen die Mitglieder

des Klubs der Harmlosen über 100 Zeugen geladen. Unter denselben sind verschiedene Kavallerie-Regimenter durch circa 20 Offiziere vertreten. Hierunter auch Offi­ziere von Dresdener und Leipziger Regi­mentern.

(Obsternte.) Nach Mitteilungen der Frankfurter Centralstelle für Obstver- wertnng sind die Aussichten der diesjäh­rigen Obsternte in Deutschland die denk­bar ungünstigsten. Gut bis mittel ist nur in einigen Gegenden bei Aepfel zu verzeichnen und zwar in Hessen-Nassau, Großherzogthum Hessen, Rheinprovinz, Hannover und Ostpreußen. Alle übrigen deutschen Staaten und preußischen Pro­vinzen verzeichnen in den Obstsorten Aepfel, Birnen, Zwetschgen, Nüsse: mittel, gering und sehr gering. Württemberg bedarf einer Summe vou etwa 12 Millionen Mark, um seinen Bedarf an Kelterobst zu decken. In Holland ist die Obsternte gut ausgefallen. »

Kopenhagen, 24. Sept. In Jüt­land will man die Haide durch Insassen des Zuchthauses in Horsens urbar machen lassen. Vorläufig sin > nur 15 Zuchthäusler, lauter schwere Vev recher, die sich aber durch ihr gutes Betragen ausgezeichnet haben, unter mehc reu Aufsehern nach einer kleinen Ansiedelung mitten in der großen Alheide geschickt worden, wo sie an der Urbarmachen:; der Haide arbeiten sollen. Wenn auch ne Arbeit schwer ist, so betrachten die Gef mgeuen dieselbe doch als eine große Vergmstigung, da sie die Arbeit in freier Luffl dem Aufenthalte in der dumpfen Zelle des Gefängnisses bei Weitem vorziehen. Eine Flucht in die öde Haide wäre hoffnungslos, und keiner der Gefangenen denkt daran. Wenn die Versuche sich als erfolgreich erweisen sollten, beabsichtigt man, größere Kolonien der Zuchthäusler über die Haide zu verteilen und die Arbeiten in größeren: Maßstabe sortzusetzen.

Neapel, 19. Sept. Frau Clementine Kettermy, die Gemahlin eines Berliner Bankier, die seit einigen Tagen in Neapel verweilt, erging sich gestern Vormittag 10 Uhr in den schönen öffentlichen An­lagen am Meere, der sogenannten Villa del Popolo. Die Anlagen waren von Spaziergängern ziemlich belebt. Hinter der deutschen Dame kamen zwei anständig gekleidete Herren, die plötzlich, wie von ungefähr, Frau Kettermy in die Mitte nahmen. Einer der Herren wandte sich in höflichem Tone an die Dame und er­suchte sie, ja nicht zu schreien, da er sie andernfalls erdolchen müsse. Der zweite Herr entriß der Dame ein Ledertäschchen, das sie in der Hand trug, sowie ihre goldene Uhr und Kette. Im nächsten Augenblick hatten sich die beiden Gauner in die Büsche geschlagen. (Frkf. Ztg.)

London, 21. Sept. Eine New- Aorker Firma hat Dreyfus eine Million Dollar angeboten, für die Veröffentlich­ung seiner Erlebnisse.

Johannesburg, 23. Sept. Das Gefühl der Unruhe dauert ununterbrochen an. Gestern kam es zu Ausschreitungen, wobei Fenster eiugeworfen wurden. Es wurden Barrikaden errichtet.

Durban, (Natal), 24. Sept. Während der letzten 48 Stunden sind über 1100 Flüchtlinge aus Johannesburg hier ein­getroffen. Man arbeitet Tag und Nacht, um den Wagenpark für die Trupvenbe-

förderung herzurichten. Tie Eisenbahn ist bereits in der Lage, täglich 2000 Mann zu befördern.

Lokales.

WiIdbad, 29. Sept. Der Asrika- rciseude, Oberleutnant a. D. West mark wird am Montag, den 2. Okt. Abends 8 Uhr im Gasthof z.gold. Ochsen" da­hier einen Vortrag halten. Derselbe wird u. a. folgende Punkte enthalten: Reise von Banana M'Srata, die Schwiegermut­ter von Las Palmas, ein Krokodil unter meinem Bett, Stanley Affaire, romanische Gemälde, Sitten der Kannibalen, Rassen der Menschenfresser, ihre Palawres, Ar­beiterfamilienverhältnisse, Sklaven, falsche Haare, Schmuck, Religion, Menschenfresse­rei, Mahlzeiten, Gastereien der Kanniba­len, Menschenopfer und Begrägnißfei- erlichkeiten, Leichentanz, ein Boot, von einem Flußpferd umgeworsen, Handels­sklaverei. In Marseille erhielt Westmark als Mitglied der dortigen geographischen Gesellsch. die goldene Medaille, lieber West- niark's Vorträge schreiben:Schw.Merk.:" Die Schilderung, wie mau 15 Monate unter den Menschenfressern am oberen Kongo leben und mit heiler Haut davon­kommen kann, hat dem Vortrag Westmark einen sehr lebhaften Beifall im zweiten Saale des oberen Museums eingebracht. Dem Redner wurde der lebhafteste Beifall zu teil. Das Kath. Volksblatt: Zugleich bot der Vortrag, wie nicht anders zu er­warten war, vieles Interessante, manches Heitere, Komische und auch Derbe, so daß er die Zuhörer sehr fesselte.Württemb. Volkszeitung": In den Vordergrund seiner überaus lebhaften, glänzenden Darstellung stellte der Redner die Persönlichkeit Stan- leys, der allerdings in einem sehr eigentüm­lichen, nicht gerade günstigen Lichte steht.

Vom 1. Oktober ab verkehren die Züge auf hiesiger Station wie folgt:

Ab

5.47

6.50*

8.50

11.21

1.30(Sonn-u Feiert.)

1.10 (Werktags)

6 . 22

8.10

An

8.07

11.48

2.45**

3.22

7.26

8.39

11.30

*) Werktags bis 11. März.

**) Sonn- und Feiertags nn Okt. und April.

Vermischtes.

(Aushilfe.)Unser Doktor hat so wenig zu thun, daß er sogar von Zeit zu Zeit seine Familie leicht vergiftet um nur nicht aus der Praxis zu kommen.

Obstpreiszettel.

Stuttgart, 23. Sept. (Nordbahn­hof.) 1 Waggon aus Bayern, 2 Waggon aus Rheinland, 1 Waggon aus Oestreich, 15 Waggon aus Italien, 2 Waggon aus Holland, welche im kleinen von 5 Mk. bis 5 Mk. 30 Pfg. per 50 Kilo verkauft wur­den. (Wilhelmsplatz.) Mostäpfel würt- tembergische 5 Mk. 80 Pfg. bis 6 Mk., Mostäpfel ausländische 5 Mk. 30 Pfg. bis 5 Mx, 50 Pfg. der Zentner. Verkauf langsam. -

Eßlingen, 25. Sept. Aus dem Güterbahnhof stehen heute 7 Wagen steier­märkisches Mostobst zum Verkauf. Preis 5^E80 per Ztr.