Nr. 60.
Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.
84. Jahrgang.
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Donnerstag den 13. M8rz 1918.
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Wie des „Gerechttgkeits- und Bersöhnungs--" Frieden aussehen soll.
Deuter meldet aus Paris, man hoffe noch immer, daß der Vorfriedensvertrag mit Deutschland am 20. März fertiggestellt sei werde. Er soll Wilson, wenn er heute in Paris eintrifft, vorgelegt werden, und die deutsche Friedensabordnung soll dann zwischen dem 23. und 25. März in Paris eintreffen. Das. Schriftstück werde dann den Herren ausgehändigt, und diese werden, wie Reuter mit unerreichbarem Zynismus sagt, vermutlich den Wunsch äußern, es nach Deutschland zur Erwägung, mitzunehmen. Diesem Wunsche werde entsprochen, und eine angemessene Frist für diesen Zweck zugestanden werden. Wir werden also diesmal die endgültigen militärischen Bedingungen erhalten. Und zwar dauernde Herabsetzung des Heeres auf 100 OM Mann, die nur aus Freiwilligen bestehen dürfen, Auslieferung der gesamten Kriegsflotte, von der die Alliierten noch nicht so recht wissen, was sie mit ihr anfangen sollen. Wie Reuter meldet, wollten die Engländer den Franzosen und Italienern einige deutsche Schiffe zngestehen, den englischen Anteil jedoch versenken, damit Amerika nicht zur Durchführung seines großen Schiffbauprogramms gezwungen werde, dessen Grundgedanke sei, daß kein Staat eine Flotte von solcher Größe haben dürfe, daß sie gegenüber andem Mitgliedern des Völkerbundes eine Kontrolle über die- See ansüben dürfe. Mit dieser Gerechtigkeitsgeste will man der Welt Sand in die Augen streuen. In Wirklichkeit halten doch die Engländer und Amerikaner dauernd zusammen, um zusammen die Welt beherrschen zu können. Geradezu schamlos ist dann die weitere Bemerkung Reuters, auch Amerika sei Wr Ansicht, daß die Verstärkung der fran- zösttchen und italienischen Flotte um eine bestimmte Anzahl Schiffe das aeaenwärttge „Gleichgew'cht" in der Seegewalt nicht erheblich verändern würde,, außer gegenüber Deutschland und Oestreich. Wo hat denn je ein Gleichgewicht bestanden? En"'and hat 1612 mit der ihm von jeher gegebenen Anmaßung von Deutschland verlangt, es solle seine Flottenrüstungen so weit zurllck- stellen, daß England immer noch eine so große Flotte habe wie die beiden nächstgroßen Seemächte. Jetzt aber soll den Deutschen die gesamte Flotte genommen werden. Und damit Iaoan keinen Einspruch erhebt, soll ein Teil der deutschen Flotte dielen beiden Mächten zugesprochen werden, mäbrend England seinen Teil versenken will. Im Ernstfälle aber würde natürlich die gesamte angel- sächsisch-romanische Flotte, verstärkt durch die Deutsche, d<>r iapanischen gegenüber stehen, und Japan dadurch vollständig aktionsunfähig gemacht. Die Japaner aber werden beute gegen dielen glänzenden angelsächsischen Schach- zuq nicht viel mehr unternehmen können, denn sie sind jetzt genau so wie wir vollständig der angelsächsisch-romanischen - Koalition ausgeliefert, die die Japaner in einem Kriege, v"rm!ttelst der Flottenblockade auf ihren Iitteln noch schneller ansbungern würbe als uns. Was die Dauer- vorschritten über das deutsche Heer anbelangt, so bedeuten sie die Versklavung Deutschlands im wghrsten Sinne des Wor'rs, Ein holländisches Blatt macht angesichts dieses Blaues darauf aufmerksam, daß Deutschland, wenn es nur 100 000 Mann halten dürfe, dem annexionisti- schen, Treiben der osteuropäischen Staaten vollständig aiisgeliefert märe. Die Polen allein könnten eine Armee van 600000 Mann stellen, nnd seien an keine Einschränkung der Nullungen gebunden. In der Ostsee wäre Deutschland ohne Flotte den Bolschewisten ansgeüefert, die noch eine größere Anzahl von Kriegsschiffen, darunter 5 Panzerkreuzer in Besitz hätten. Die Neutralen haben ihre naive Auffassung der Lage anscheinend noch nicht anfgegeben. Seit Deutschlands Flotte ausgeliefert ist, ist die Ostsee Eigentum der Alliierten, die von jetzt ob schalten und walten können, wie es ihnen gefällt, denn die nordischen Neutralen werden es ihnen nicht verwehren können. Uebrigcns hat der Alliiertenrat in Paris beschlossen, uns zur Ausführung der neuen militärischen Bedingungen 2 Monate Zeit zu lassen. Bis
dtzhin müssen alle Mannschaften entlassen sein über die zugestandenen, alles Kriegsmaterial, alle Munition usw. muß vernichtet werden, was über den Bedarf für diese 100000 Mann ist. Und die Alliierten werden dauernd kontrollieren, wieviel und was für Kriegsmaterial wir Herstellen. Und im Falle eines Krieges mit Rußland oder Japan würd-, weil wir dann wehrlos wären, Deutschland sofort besetzt werden, sodaß wir wie früher der Kampfplatz der Völker sein werden. 3a, die Allier- ten wollen sogar die Tum- und Schützenvereine in Deutschland verbieten, weil sie von deren Tätigkeit eine Wiedererstarkung des deutschen Volkes befürchten. Und daß man uns, wenn wir so gefesselt sind, auch eine Zensur unserer geistigen Tätigkeit auferiegen wird, ist nur natürlich. Der alliierte Rat hat auch grundsätzlich beschlossen, von Deutschland eine tonnenweise Entschädigung für die durch die U.-Boote versenkten Schiffe zu verlangen, und wenn der deutsche Schiffsraum nicht ausreichen sollte, so müßte der übrige Teil in bar bezahlt werden. Wir werden also auch die ganze Handelsflotte verlieren. Was das für einen Industriestaat von dem Umfang Deutschlands bedeutet, braucht wohl nicht erst ausgemalt zu werden. Wir können also ruhig die Flotte zur Lebensmittelversorgung hergeben, genommen wird sie uns ja doch. Uebrigens läßt sich Reuter von der famosen amerikanischen Lebensmittelvcrsorgungsdeiegation, deren Tätigkeit bisher darin bestanden hat, den Journalisten Auskünfte über ihre „Arbeiten" zu geben, sagen, daß zur Versorgung Europas 300 000 Tonnen notwendig seien. Zunächst — wenn? — würden Weizen und Fleisch geliefert werden. Der Wirtschastsrat würde alles Mögliche tun, um Deutschland mit Lebensmitteln zu versehen. aber ein Borrang könne ihm nicht eingeräumt werden.Natürlich, zuerst kommen die andern, wenn auch noch verschiedene Hunderttausende in Deutschland Hungers sterben, und der Spartalüsmus weiter unsere Wirtschasts- und damit Zahlkrast ru.niert. Die englische radikale Zeitung „Daily News" schreibt, der Grund für den Bolschewismus in Deutschland sei, daß England Deutschland immer noch aushungere. Wenn die englische Regierung nicht diese infame Politik — so schreibt ein englisches Blatt — treiben würde, so wäre Deutschland in der Lage, durch die Wiederaufnahme der Fuedcnsarbeiten seine Schulden zu bezahlen und England brauchte nicht ein so großes Heer von 1 Million Mann aufrechtzucrhalten, um den durch die englische Politik hervorgerufenen bolschewistischen Zuständen entgegenzuwirken. Churchill behaupte allerdings, daß Deutschland die Kosten der Besatzungs- armee bezahlen müsse, aber er misse aanz genau, daß die englische Politik in Deutschland absichtlich chaotische Zustände Hervorrufe, und auf diese Weise Deutschland die Bezahlung unmöglich mache. Wir dürfen diese richtige Kritik der englischen Zeitung nicht überschätzen, denn das war von jeher in England so, das; pian dem Volk bis zu gewissem Grade Meinungsfreiheit gelassen hat. Getan hat die Negierung imm das, was für Englands Macht am vorteilhaftesten war. lieber die Greueltaten der englischen „Kolonisatoren" in Amerika, Indien und Afrika wurden im englischen Parlament die größten Entrüstungsreden gehalten, das hat die Regierung aber nie gehindert, ihr Werk der kolonialen Eroberung nach demselben System fortzuietzcii, dem System der rücksichtslosen Vergewaltigung der zu unieriverfenden Völker. Und Deutschland ist jetzt das nächste Opfer der Unter- drücknngspolitik des perfiden Aibion. O. 8.
Zur MffenstillstMdr- md MdensikW.
Die deutsche Friedensaborduung.
Berlin, 13. März. Die Führung der Abordnung für Deutschland an den Friedensverhandlungeil sott Graf Brockdorff übernehmen. Die Regierung wird, wie der „Berliner Lokalanzeiger" hört, durch die Rcichsminister David (Soz.) und Giesderts (Ztr.) vertreten werden. Außerdem werden der Abordnung noch angehören der bayerische Gesandte in Bern, Dr. Müller und Prof. Schiickina.
Schamlose Behandlung der deutschen Abordnung im deutschen Posen.
Berlin, 12. März. Amtlich wird mitgeteilt: Die Mitglieder der deutschen und der interalliierten Kommission, die die Demarkationslinie gegen die Polen genau feststen nnd die aus dem Trierer Abkommen vom 18. Februar für das von den Polen besetzte deutsche Gebiet sich ergebenden wirtschaftlichen Verkehrs- und Vecival- tungsfragen regeln soll, hatten sich am 5' März in Kreuz getroffen. Da sich die alliierten Vertreter entgegen der getroffenen Vereinbarung weigerten, in Broinberg zu verhandeln, und trotz der deutschen Einsprüche aus ihrem Standpunkt beharrtcn, einigte man sich schließlich aus Posen als Verhandlungsort. Die interalliierte Kommission reiste von Kreuz direkt nach Posen. Die deutsche Kommission begab sich zunächst nach Bromberg, wo sie am 6. März längere Konferenzen mit den städtisch'' und den Eisenbahnbehörden hatte. Am Nachniittaa, l 6. März, trat sie sodann über Kreuz die Reise irachP.« sen an. Bei Betreten des von den Polen besetzten deutschen Gebietes wurden die deutschen Vertreter unter schaife militärische Bewachung gestellt und denjenigen Freiheitsbeschränkungen unterworfen, die für die letzten Verhandlungen in Trier seitens des Marsckalls Fach angeordnet waren. Die Fahrt der deutschen Kommission vom Bahnhof Posen nach dem ihr zugewiesenen Quartier erfolgte in offenen Droschken unter militärischer Begleitung. Fm Hotel wurden die deutschen Delegierten sofort durch ein starkes Postcnaufgebot von der Außenwelt abgeschnitten. Selbst der Verkehr innerhalb des Hotels mit Vertretern der dortigen deutschen Behörden, sowie Telephongespräche waren nur im Beisein polnischer Offiziere erlaubt. Freiherr von Rechenberg, der Vorsitzende der deutschen Kommission, legte sofort gegen diese unwürdige Behandlung bei Nauiens, dem Vorsitzenden der interalliierten Kommission, scharfen Protest ein und erklärte, die deutschen Vertreter würden an der für den 7. März angeordneten Sitzung nicht teilnehmen, falls die polnischen Anordnungen bestehen blieben. Auch die D. W.-K. in Spaa erhob ber Nudant Einspruch gegen das polnische Vorgehen. Nachdem hierauf die polnischen Maßnahmen zum Teil rückgängig gemacht morden waren. haben die Sitzungen der beiderseitigen Kommisse m am 7. März im Schloß ihren Anfang genommen. Berichterstattung über die weitere Sitzung bleibt Vorbehalten, bis die bisherigen Schwierigkeiten der Nachrichtenübermittelung behoben sein werden. Zurzeit finden nur Verhandlungen auf dem Gebiete des Verkehrswesens, der Verwaltung und des Wirtschaftslebens statt. Die militärischen Verhandlungen mußten ausgcsetzt werden, da vorerst unüberbrückbare Differenzen eingetreten sind.
Der ukrainische Anspruch auf Ostgalizien.
Bern, 13. März. Die französische' Presse meldet, daß der Präsident des ukrainischen Direktoriums zum Besuch der ivestukrainischen Republik (des früheren Ost- gaiiziens) in Ctanislau anqekommen ist. um die Vereinigung aller ukrainischen Gebiete vorzubereiten.
Die Aufteilung der Türkei.
(L^TB.) Gens, 10. März. „Journal de veröffentlicht einige Informationen über die wahrscheinliche Austeilung der Türkei. Das türkische Gebiet wird demnach auf das Plateau von Anatolien beschränkt bleiben. Die Westküste von Kleinasien zwischen Aivala und dem Golfe von Kos erhält Griechenland einschließlich des Hinterlandes. Aidin, Smyrna, Pergamon und Ephesus fallen ebenfalls an Griechenland. ' Italien erhält zusammen mit der Provinz Adalia.das internationale Mandat über den ganzen Teil von Kleinasien, der der Türkei verbleibt. Dar Vilajet von Adana, das von den Armeniern aus wirtschaftlichen Gründen beansprucht wird, aber zweifellos eine rein türkische Bevölkerung hat, wird zum türkischen Neich geschlagen werden, das demnach zwei Ausgänge zum Mittelmeer in Gestalt der Häfen von Adalia und Mersina haben würde. Das östliche Kleinasien erhält Armenien unter der wahrscheinlichen Kon-
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