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700 Doppelhäuser umfassen, also Wohnungen für 1400 Arbeiter bieten. Es sollen nur verheiratete Arbeiter dort zu- gelasseu werden; junge Leute siud ausgeschlossen, da ein Vermieten an solche nicht gestattet wird. Da die Werft nach beendetem Ausbau im Ganzen 7000 Personen beschäftigen soll, werden Vs derselben in Kiel und Gaarden Wohnung nehmen müssen. Die Arbeiterkolonie wird etwa 15 Minuten von der Werft entfernt liegen.
Hamburg, 6. August. Der Photograph Max Priester, Teilhaber der Firma Wilke und Priester, der wegen Hausfriedensbruchs, begangen im Sterbezimmer des Fürstest Bismarck auf Schloß Friedrichsruh, der von der Strafkammer in Altona zu drei Monaten Gefängnis verurteilt worden war, wird jetzt von der Staatsanwaltschaft steckbrieflich verfolgt. Priester hat sich der rechtskräftig gewordenen Strafe durch die Flucht entzogen und soll bereits das Ausland erreicht haben. Seine beiden Teilnehmer, der Photograph Wilke und der Förster Spörcke, welche ebenfalls zu Freiheitsstrafen verurteilt worden sind, haben ein Gnadengesuch an den Kaiser gerichtet, worauf die Entscheidung noch anssteht.
W i e n, 4. Aug. Der deutsche Reichskanzler Fürst Hohenlohe verläßt am 8. August Aussee und begiebt sich nach Pom- mersfelden in Bayern.
Montreux, 3. Aug. Das Komite für Errichtung eines Denkmals für Kaiserin Elisabeth hat von den eingesandten Entwürfen denjenigen des Bildhauers Bian- coni in Lugano genehmigt. Derselbe stellt nach den Basl. Nachr. die Kaiserin auf einem Baumstamm sitzend dar, ein Buch auf dem Schoß, in der rechten Hand den Sonnenschirm, den Blick träumerisch dem See zugewendet. Das Denkmal wird in karrarischem Marmor in Lebensgröße ausgeführt werden. Es kommt in die Nähe der Bahnstation Teritet auf den „Rosenplatz" zu stehen.
Unterhaltendes.
Entlarvt.
Kriminalroman von Friedrich Halt.
(Fortsetzung.) (Nachdr- verboten.)
Dort ist ja das alte Gemäuer, von Epheu dicht umrankt, wo ihr Mann todt gefunden, wo entweder die Hand eines Meuchelmörders oder seine eigene dem Leben ein Ende gemacht, einem Leben, welches sein Weib durch Untreue beschimpft hat. Und an den Orten, wo blutige Thaten geschehen, da wandeln ja die Geister der Gemordeten, wie an jedem anderen Orte.
Ist es oben in ihren Gemächern besser, läßt es ihr dort Ruhe, tritt nicht aus jeder Wand, aus jeder Fensternische das blutige Gespenst hervor, steht nicht in jeder Thür die Gestalt des sterbenden Mannes mit brechendem Auge, stumm auf das kleine Loch in seiner Schläfe zeigend, aus dem das rote Blut niedertropft, das weiße Sterbekleid, das weiße Haar färbend.
Und sie will trinken, der Mund ist ihr ausgetrocknet, die Zunge klebt am Gaumen, sie ergreift die Krystallflasche, sie gießt das Wasser in das geschliffene Glas, sie bringt es an die Lippen, aber entsetzt läßt sie es fallen, daß es klirrend zerspringt; es war nicht Wasser in dem Glase, Blut war der kühle Trunk geworden und das Blut, es kommt aus der kleinen Wunde, es rieselte unaufhaltsam weiter
Tropfen auf Tropfen, langsam sickernd, und doch so unendlich, so schnell fällt es herab, als wie die Wogen des Niagara Herabstürzen, auf den Boden hinrinnend, zu einem großen Strom anschwellend.
So ihr Leben in ihren Gemächern, und hier unten im Park, in der Nähe der „Ruine" ?
Als sie dort Beide gingen, da trocknete sie ihre Stirn, kalter, blutiger Angstschweiß hatte das feine Battisttuch gefärbt, sie sah es trotz der Dunkelheit, sie fühlte, wie feucht und klebrig es geworden, sie wollte es in die Tasche stecken, die Finger mußten das Gefühl verloren haben, es fiel zur Erde, unbemerkt vor ihr, von ihm, bleibt es dort liegen.
Endlich begann der Tag zu grauen, der Maler stand aus, er ging nach dem Wege, wo die Beiden promenirt hatten, tief bückte er sich zur Erde, er wollte wissen, wer hier gegangen. Und er fand, was er gesucht, und dann am Ende der Veranda, nahe dein Ausgang nach dem Felde ein Battisttuch, nicht vom Blut rot gefärbt, aber in einer Ecke eine Freiherrnkrone und darunter die Buchstaben „E. v. d. B." gestickt. Alles, was er heute in der Nacht beobachtet, es mußte ihn sehr ernst stimmen, ein Ausdruck düsteren Sinnens lag auf seinem Gesicht, als er den Park verließ und nach Steiuhagen zuging.
Taufrisch lag es noch über der Erde, als der Landschaftsmaler schon auf einem alten Baumstamm saß, der in der Nähe des Werner'schen Hauses lag, und zu zeichnen begann. Werner trat jetzt aus der Thür, er ging leicht grüßend bei Albrecht vorüber, er mochte fünfzehn Schritte von dem Maler entfernt sein, als dieser,, Werner" rief. Der Manu kehrte zurück, es war unschwer auf seinem Gesicht das Erstaunen zu erkennen, daß der fremde Herr seinen Namen wisse, aber es lag auch eine Frage daraus, es mochte ihn wohl neugierig machen, was der Maler von ihm wolle.
„Wer sind die Beiden, die im Marien- thaler Park spazieren gehen?" fragte Alb- recht ruhig, fast nachlässig, aber scharf zu dem jetzt vor ihm Stehenden aufsehend.
Die Frage hatte Wörner nicht erwartet, er erbleichte, er gab keine Antwort.
„ Sie werden allein dort Nichts schaffen," bemerkte Albrecht in gleichgiltigem Ton, „aber wenn Sie mir vielleicht Alles er- zählten, was Sie bis heute beobachtet haben, ich würde dann die Sache mir genauer anschauen, als Sie es können. Sie glauben nicht, lieber Werner, was wir Maler Alles können," setzte er in eigentümlich klingendem Tone hinzu.
Der Mann stand noch immer sprachlos, und als wenn Albrecht es nicht anders erwartet hätte, sagte er vertraulich: „Nun! sagen Sie es mir, vier Augen sehen mehr als zwei."
„Ich werde Ihnen Alles sagen, was ich weiß, es ist möglich, Sie finden sich dazwischen zurecht, ich kann es doch nicht," gab endlich Werner zur Antwort.
Ec setzte sich Albrecht gegenüber auf einen Stein, schweigend sah er zu dem Fremden hin, er prüfte wohl, ob er es mit einem ehrlichen Manne zu thun habe, ob dieser vielleicht uicht mit den Beiden eine Karte spiele, ihn nur frage, um ihn auszuforschen.
„Lassen Sie das, Werner," sagte der Maler, der den Blick des Mißtrauens bemerkt hatte, „die Sache liegt nun ein
mal so, ich bin zu dem Zwecke zu Ihnen gekommen, Sie müssen mir sagen, was Sie wissen. „Nun, wer sind die Beiden?"
„Wer der große Herr ist, werden Sie wohl selbst wissen, und der kleine ist — der Satan, wenn uicht noch schlimmer," gab Werner zur Antwort.
Albrecht nickte bestätigend.
„Seitwann beobachten Sie die Beiden dort?" fragte Albrecht.
„Etwa acht Tage, nachdem der Baron beerdigl war", erhielt er zur Antwort.
„Und wie kamen Sie zu der Idee?" fragte der Maler, und es klang so herzlos, als wäre es nur gesprochen wie Etwas gesagt wird, eben umnurzu fragen, aber sein Auge ruhte auf dem Geiicht Werner's, wie verschleiert war sein Blick und doch Alles beobachtend.
„Ich war auf der Schäferei gewesen, die jenseits des Gutes liegt," eutgegnete Werner schnell und unbefangen, „auf dem Heimwege ging ich die Straße außerhalb der Parkmauer. Es war mir dauu als häsche Etwas über den Weg, ich blieb stehen: da hörte ich jenseits der Mauer, im Park, ein leichtes Husten; vorsichtig ging ich hinein und da sah ich die Beiden dort."
„Und wann und von wo kommen Sie her?" fragte jetzt Albrecht.
„So gegeuelf, Sie kommen vom Herrenhause her."
„lind wann und wohin gehen Sie, wenn Sie den Park verlassen? — Sind Sie den Beiden schon nachgeschlichen?" fragte Albrecht.
„Gegen zwölf gehen Sie wieder nach dem Herrenhaus zurück; ich bin Ihnen so nahe wie nur möglich, ohne bemerkt zu werden, auf den Fersen geblieben, aber — Werner zuckte die Achseln."
„Sie sind mit den Verhältnissen da bekannt," fragte Albrecht, „ist dort eine Thür nach dem Parke hin?"
„Nein!" sagte Werner bestimmt, und dann setzte er nach einigen Augenblicken wie beklommen hinzu: Das ist das Furchtbare, Beide siud da wie vom Erdboden verschwunden. Oben liegt Sie krank und unten läuft der Teufel herum."
„Sie waren früher auf dein Gute, haben Sie nie dort Verdächtiges bemerkt," fragte Albrecht, und als Werner schwieg, setzte er hinzu, „ich meine mit Bezug auf die Beiden."
„Mir ist in einer Nacht im vorigen Herbste mit ihm Etwas vorgekommen," gab Werner zur Antwort, „ich glaube aber nicht, daß es mit dem Allen zusammenhängt, ich meine in Bezug auf den Spaziergängen im Park. Es waren vier Wochen nach dem letzten Brande, ich war einer der Wächter, die auf dem Gutshofe die Nachtwachen hatten, als ein Postbote einen Brief an den Baumeister brachte, derselbe sollte ihm sofort gegeben werden. Ich ging nach der Wohnung des Baumeisters; als ich bei seinem Wohnzimmer vorüber kam, es sind das die letzten Fenster nach dem Herrenhause, da sah ich einen matten Lichtschimmer durch eine feine Spalte des Fensterladens; v. Ioskor mußte also noch auf sein, ich klopfte, erhielt aber keine Antwort, auch auf stärkeres Pochen blieb es still; ich bangte, es könnte ihm ein Unglück zugestoßen sein und pochte deshalb sehr heftig; da hörte ich den Hund des Baumeisters, der sich bis dahin ganz ruhig verhalten hatte, bellen und gleich darauf aufschreien,