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kommen, und den Verhandlungen des preußischen Abgeordnetenhauses über die Kanal-Vorlage beizuwohnen. Acht Tage darauf beabsichtigt der Fürst nach Rußland zu reisen.
Berlin, 25. Juli. Ein nach Unterschlagung von 240000 Mk. aus Paris flüchtig gewordener, in Deutschland geborener Prokurist ist der „Freis. Ztg." zufolge von der Schöneberger Kriminalpolizei verhaftet worden. Ter fetzt etwa 49 Jahre alte Kfm. A. mar im Jahre 1874 von Merlin nach Paris gegangen und hatte dort auf Grund von Empfehlungsschreiben in dein bekannten großen Bankhanse Credit Lyonnais eine sehr gute Stellung erhalten und war dort zum Prokuristen avancirt. Er hatte aber das Vertrauen seines Chefs mißbraucht, durch sehr geschickte Manipulationen jahrelang das Bankhaus betrogen und ca. 300000 Fr. unterschlagen. Er wurde später gefaßt und zu einer sehr hohen Gefängnisstrafe verurteilt, wußte aber durch ein raffiniertes Manöver sich der Verbüßung der Strafe zu entziehen und zu flüchten. Durch Zufall wurde neulich ermittelt, daß er sich in Schöneberg anfhalte und so erfolgte seine Festnahme.
— Or. Versmann, Bürgermeister der freien und Hansestadt Hamburg, eine der bedeutendsten politischen Persönlichkeiten Hamburgs, ist gestern früh im Alter von 79 Jahren nach längerem Leiden gestorben.
Danzig, 26. Juli. Die „Danz. Zeitung" meldet über den Brand in Marienburg folgendes: Seit heute früh 5 Uhr wütet der Brand; in Hohenlaube sind 17 Häuser niedergebrannt. Der Turm des Rathauses ist abgebrannt; der Dachstuhl desselben steht in Flammen. Die Akten des Rathauses wurden gerettet. Zwei Apotheken sind abgebrannt, darunter die Ratsapotheke Im ganzen sind bis 2 Uhr 50 Häuser eingeäschert worden. Der Brand wütet weiter.
— Circus Renz unter dem Hammer' das ist die letzte Etappe in der so reich bewegten Schicksalsgeschichte des einst so stolzen Zirkus >Renz. Dieser Tage fand in Brüssel die öffentliche Versteigerung des gesamten lebenden Inventars und der Requisiten des Renz'schen Instituts statt. Hundert in der hohen Schule und in der Freiheit dressirte, zumeist wertvolle Pferde, reiche Kostüme und Livreen aller Art, sowie ganze Berge von Material zu den großen Ausstattungsstücken, die man bei Renz in den letzten Jahren zu sehen bekommen hat/befanden sich darunter. Das luxuriöse Material wurde zu niedrigen Preisen angekauft. Ob der Erlös zur Tilgung der Schulden, die der letzte Direktor, der jugendliche Ernst Renz, ein Enkel des „Altmeisters," im Verlauf seiner zweijährigen Direktionsführung kontrahiert hat, reichen wird, ist fraglich. Der junge unerfahrene Direktor war das Opfer von Geldgebern geworden, die ihn systematisch auszubeuten verstau- den. Allerdings gebrach eS auch Renz jr. völlig an der SachkeuntniS und Energie, die die Führung eines so großen Jnsti- tuts fordert. Er verliert sein Erbteil von l'/i Mill. Mark und ist außerdem unter Kuratel gestellt worden. Sein Onkel, Kommissionsrat Franz Renz, der vor 2 Jahren, müde des Konkurrenzkampfs mit einem rücksichtslosen Gegner und der Zwistigkeiten unter den Renz'schen Erben,
das Direktiousszepter niedergelegt, hatte keine Lust, von Neuem au die Spitze des Instituts zu treten, und so ist denn der ruhmreiche Zirkus Renz eudgiltig vom Schauplatz verschwunden.
Lokales.
KZ Wildbad, 30. Juli. Wie alljährlich, so auch Heuer wieder bot die König!. Badverwaltuug den Kurgästen Wildbads eiuherrlichesTchauspieldar,durch die BeIe u ch tungder Euzaulagc u verbunden mit großem Feuerwerk. Diese seltene Augenweide lockte wieder eine Menge der Gäste zur Dämmerstunde hinaus jn unsere Anlagen. Teil ganzen Tag schon sah mau viele geschäftige Hände sich regen und schon die großen Vorbereitungen machten manchen neugierig. Wenn nun schon in rückhaltslosem Lobe über unsere Naturanlageu fast alle Besucher oerseiben jederzeit übereinstimmen, wie vielmehr muß mau daun ein einstimmiges Lob erwarten, wenn dieselben sich noch iw magischen Zauberscheiue der viel- tausendfachen verschiedenen und immer wieder neuen Lichtbilder zeigen und daher mit allen ihren Naturreizen mächtig ergreifend auf unser Gemüt einwirken. Gern möchte man seine Schritte hemmen, um bei jedem neuen uns überraschenden Eindruck sinnend verweilen zu können, jedoch der mächtige Menschenstrom eilt und drängt immer vorwärts dem Hauptplatz des Feuerwerkes zu, woselbst der bewährte Pyrotechniker Fischer aus Cleebronn uns wieder staunenswerte Kunststücke vor Augen führt. Große Schlagraketen eröffneten den glänzenden Reigen; laufende Sonnenräder sprühten ein mächtiges Lichtmeer aus, dazwischenhinein erstrahlten dann wieder geheimnisvoll in bengalischer Beleuchtung die prächtigen Anlagenpartieen. Es folgten noch einige interessante Darbietungen, ein strammer Turner producierte sich am hochgespannten Draht in Lichtfeuer; eine Schlange verfolgte einen um einen Rosenzweig herumflatternden Schmetterling; Mandel- und Palmbäume erstrahlten in schönstem Bril- lantseuer. Das Hauptdekorationsstück bil- dete das württb. Wappen mit Krone, wozu die Curkapelle die Königshymne ertönen ließ. Ein fröhliches Händeklatschen zeugte von der guten Aufnahme des dargebotenen seltenen Schauspiels seitens der geehrten Besucher. Wohl befriedigt von diesem Herr- lichen Abend, denn auch her Himmel hatte ein Einsehen hiefür begaben sich die Teilnehmer auf den Heimweg.
WnterHcrttenöes.
Entlarvt.
Kriminalroman von Friedrich Halt.
(Fortsetzung.) (Nachdr. verboten-)
Der Maler hatte schon seit fast einer Woche seine Giebelstube im Krug zu Stein- Hagen bezogen; aber nur die Nächte war erdort, die Früh-und Abendstunden brachte er in der Umgegend, den Tag über in H. zu. „
Und am Abend, wenn Älbrecht von seinen Ausflügen in der Umgegend zurück- gekehrt war, dann nahm er unter der großen Buche seinen Platz, und bald saßen die Bauern des Dorfes um ihn und konnten trotz ihrer Müdigkeit nicht lange genug bleiben, wenn der Maler vom „alten Fritz" erzählte, oder vom „Marschall Vorwärts" tolle, derbe Geschichten auftischte. Oft
wurden aber auch unter der großen Buche, ernste Sachen besprochen, häufig bildeten die Brandstiftungen in Marienthal und der Tod des Barons die Unterlage» zu solchen Gesprächen. Und hierbei hatte nun der Maler gehürt, daß, als das erste mal die Wirtschaftsgebäude niederbraunteu, da angenommen wurde, daß das Feuer durch Fahrlässigkeit eines Arbeiters ausgekommen sei, uud wie nun nach zwei Jahren die Flammen wieder die Ernten und die Gebäude zerstört hatten, da wurde daun dem Gutswächter noch ein Mann beigegeben, beide zuverlässige Leute mußten stets zusammen die Runde machen, somit konnte einer dem andern seine Wachsamkeit kontrolireu, aber — die Wirtschaftsgebäude brannten doch nieder.
Nuu wurden vier Wächter angestcllt uud im nächsten Herbst standen die Gebäude mit der eiugebrachten Ernte wieder in Flammen, ganz ebenso hatte das Feuer im letzten Jahre gewütet, wieder Ernte uud die Gebäude vernichtet. Dann hatten sich auch noch die Leute erzählt: wie bei dem ersten Feuer der Gutswächter dasselbe erst bemerkt habe, als die Flammen fast überall zu gleicher Zeit aus den Dächern hervorbrachen. Die Gebäude waren alt und mit Stroh gedeckt gewesen, es sei damals viel Vieh mit verbrannt, so schnell hätte das Feuer um sick gegriffen. Beim zweiten und dritten Brande, da sei jedesmal das Feuer in der Mitte der Gebäude in der hohen Scheune ausgekommeu, beim letzten Brande da hatte es am Giebel, der nach der Straße zu liegt, zuerst gebrannt, aber dem Feuer sei nie Einhalt entgegen zu setzen gewesen, denn jedesmal wenn es gebrannt, hätte furchtbarer Sturm geherrscht. Auch über den Tod des Barons wurde in solchen Stunden viel und eifrig gesprochen. Keiner konnte begreifen, was den Herrn zu diesem Entschluß gebracht habe, Jedem war es so, als müsse sich die That noch fortleugnen lassen.
Und an eineni Abend da hatte der alte Gutsmeier von Marienthal gesagt: wenn ich mir nicht die Stelle so genau angesehen hätte, wo der Baron todt lag, ich würde behaupten, er hat sich nicht selbst das Leben genommen, aber da, wo ich ihn zum letzten Mal als Leiche gesehen da konnte kein Mörder sich verbergen, um den Baron hinterlistig zu erschießen; ich habe mir die Stelle sehr genau darauf angesehen. Und der alte Mann hatte dann lange vor sich schweigend hingeschaut, dann hatte er noch hinzugefügt: ich kann trotz Alledem nicht glauben, daß der Baron sich erschossenhät,dennamvorhergehendenAbend da habe ich vor der Thür gestanden, der Baron kam vom Felde, und als er mich sah, trat er zu mir heran und plauderte mit mir, da erzählte ich ihm auch, daß der Wassermüller in Berko sich erhängt habe, und da sagte der Baron: der Mann hat seinen Verstand schon lange im Fusel ertränkt, nur ein Mensch, der Nicht mehr denken kann, dem ist es nur möglich, sich das Leben zu nehmen, sonst würde er wissen, daß er dem lieben Gott vorgreift, früher vor ihm erscheint, als er gerufen werde, und er würde auch noch daran deüken, daß der Selbstmord die größte Sünde ist, weil derselbe das Leben endet, ein Leben, welches, und wenn es noch so lange währt immer nicht hinreicht, all das begangene Unrecht, was man gethan hat, gut zu machen.
Hatte auch Herr v. Noskor dem Maler