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beifolgenden Brief wegen der langen Verzögerung um Entschuldigung. „Ich war", schreibt er, „durch mißliche Umstände gezwungen, meinen bisherigen Wohnsitz heimlich zn verlassen. In Amerika ging es mir auch nicht gut, konnte aber so viel verdienen, um meine Familie zn ernähren. Im Herbste v. I. wohnte ich einer Ruderregatta bei. Zwei Boote Unterteil, die Insassen stürzten ins Wasser. Als guter Schwimmer warf ich meinen Ueberrock ab und stürzte mich ins Wasser. Zwei junge Leute hatte ich glücklich gerettet, jetzt galt es, noch Einen zn retten, welcher verzweifelt mit dem Elemente rang. Ich faßte ihn am Kragen und brachte ihn nach vieler Anstrengung glücklich ans Ufer, wenngleich auch leblos. Die von mir angestellten Wiederbelebungsversuche waren von Erfolg. Ich nahm ihn, da meine Wohnung nicht iveit ab war, mit mir nach Hanse und brachte ihn zn Bett. Schon nach etwa einer Stunde las man an allen Anschlagsäulen eine Bekanntmachung, daß der einzige Sohn eines Millionärs bei der Ruderregatta ins Wasser gestürzt und wahrscheinlich ertrunken sei. Die Eltern bitten Alle um Hilfeleistung zur Bergung der Leiche. Auch! uns kam die Bekanntmachung zn Ohren, und bei meiner Frau stieg die Ahnung ans, ob nicht etwa der bei uns Gerettete der Vermißte sei. Als derselbe nach einiger Zeit wieder erwachte und etwas Thee getrunken hatte, fragte ich nach seinem Namen, bezw. wo die Angehörigen wohnter, und siehe — ich kann den augenblicklichen Schreck oder die Freude nicht beschreiben —: es ist der Gesuchte. Tie Eltern des Gesuchten wurden sofort von mir davon benachrichtigt. Dieselben trafen alsbald ein. Das Wiedersehen war herzzerreißend. Ich mußte alles umständlich erzählen. Eine größere Geldsumme und ein in der lebhaftesten Straße angekauftes großes Geschäftshaus haben die Grundlage zn meinem jetzigen großen Konfektionswarenhans gemacht. Tie reichsten Leute sind meine Kunden, und mein Versandgeschäft erstreckt sich schon im Umläufe von 100 deutschen Meilen, lieber 200 Angestellte sind in meinem Geschäft thätig".
Berchtesgaden, 25. Juli. Ter Kaiserin wurde durch den Direktor des orthopädischen Instituts in Goeggingcn ein Contentivverband angelegt, wodurch der Kaiserin die Möglichkeit gewährt wird, Gehversuche zu machen. Das Allgemeinbefinden der Kaiserin ist sehr gut.
— Aus Newyork wird berichtet': Großes Aufsehen erregt hier die Nachricht von dem plötzlichen Verschwinden einer reichen jungen Dame, Miß Addie Philips, die bei ihrem Onkel in Massachusetts lebte. Die unternehmende Dame ist nämlich mit dem Kutscher des Hauses durchgegangen. Wie nun gemeldet wird, hat sich das Paar in aller Stille trauen lassen. Miß Philips ist eine ausgesprochene Schönheit von 18 Jahren. Ihre Familie gehört zn den angesehensten des Landes. Der Kutscher Ben Kennedy ist ein junger Ire von 26 Jahren und von sehr geringer Herkunft. Nach der Trauung begaben sich die Neuvermählten zu ihrem Onkel, der Kennedy sofort davonjagte. Der Onkel versuchte seine Nichte von ihrem Gatten abzuschlicßen, 'aber sie entkam und das Paar reiste zusammen ab. Das Vermögen der jungen Frau beläuft sich auf 7 000 000
Dollars. Es wird von ihrem Onkel verwaltet, der beabsichtigt, sie, sobald sie die' Mündigkeit erreicht haben wird, unter! Kuratel stellen zu lassen. Kennedy ist arm und hat eine Anzahl von Verwandten zu unterstützen.
Lokales.
tz Wildbad, 28. Juli. Der zu Ehren Sr. Durchlaucht des Reichskanzlers Fürsten zn Hohenlohe gestern stattgehabtc Fackelzug verlief in glänzender Weise. Jung nnd alt war ans den Beinen, um das hier so seltene Schauspiel zn sehen. Den Höhepunkt erreichte das schöne Fest vor dem Hotel Bellevue, woselbst eine ungeheure Menschenmenge sich angesammelt hatte, um dem hochverehrten Manne, der trotz seines hohen Alters in so trefflicher Weise das Staatsschiff zn lenken versteht, seine Huldigung darzubringen. Nachdem der hieß „Liederkranz" einige Chöre gesungen, hielt Herr Stadtschultheiß Bätzner folgende Ansprache: „Euer Durchlaucht bitten wir in aller Ehrerbietung unsere zwar bescheiden ausgestattete, aber um so herzlichere Huldigung in Gnaden entgegen zn nehmen. Hier ans dem klassischen Boden der Unterthanentreue für das angestammte Herrscherhaus, blüht auch Liebe und Treue zu .Kaiser und Reich; sonach auch zu den hohen Persönlichkeiten, welche dem Kaiser beratend nnd beschließend zur Seite stehen. Was Euer Durchlaucht für den Weltfrieden für Recht nnd Gerechtigkeit, für Heer und Marine, für Gewerbe und Handel, für Kunst und Wissenschaft, für Sittlichkeit nnd Ordnung, überhaupt für die Wohlfahrt des deutschen Volkes gethan haben wird einst die Geschichte glänzend erzählen. Heute kommt uns bloS zu, ehrfurchtsvollen, tiefgefühlten und herzlichen Dank dafür darzubringen. Wir danken aber auch aus warmein Herzen für die hohe Ehre nnd das Glück, welche uns durch die Anwesenheit Eurer Durchlaucht in Wildbad be- scheert wurde, konnten wir doch auf Tritt und. Schritt sehen nnd hören, welch' menschenfreundlicher und gütiger Herr an der Spitze derdeutscheu Regierung steht. Herzlichen und nnterthänigen Tank! möge der liebe Gott die hies. Kur mit seinem Segen begleiten, möge sie Euer Durchlaucht neue Kräftigung bringen zu weiterer ersprießlicher Arbeit für Kaiser nnd Reich! Gott erhalte und schütze Euer Durchlaucht noch recht lauge! Wir alle aber, Einwohner und Kurgäste, wollen diese Wünsche bekräftigen, indem wir aus voller Brust rufen: Seine Durchlaucht unser hochverehrter und geliebter Fürst-Reichskanzler lebe hoch! Hierauf dankte der Fürst mit etwa folgenden Worten:
„Ich danke Ihnen, Herr Stadtschultheiß, von ganzem Herzen für Ihre freundlichen Worte der Begrüßung und bitte Tie, Ihren Mitbürgern, den würdigen Bewohnern des klassischen Bodens der Unterthanentreue, meinen Dank übermitteln zn wollen für die glänzende Ehrung die sie mir am heutigen Abend haben zu Teil werden lassen. Ebenso danke ich den verehrten Kurgästen, die sich an dem Zuge beteiligt haben, für die mir erwiesene Aufmerksamkeit. Es ist diese Feier eine zweifache Ehrung: einmal der herzliche Gruß, den meine süddeutschen Landsleute mir, dem ans Süddeutschland stammenden Reichskanzler darbringen, und
dann die Anerkennung weiterer Kreise aus ganz Deutschland, die hier vertreten sind. Das ist für den alten Politiker, der sich der Grenze seiner Thätigkeit nähert, von besonderem Wert, denn es wird ihm ja bezeugt, daß er nicht umsonst gelebt hat. Wenn der Herr Stadtschultheiß von meiner Leutseligkeit gesprochen hat, so möchte ich bemerken, daß es hier selbst dem grämlichsten alten Diplomaten schwer geworden sein dürfte,nicht freundlich zu sein, wenn ihm ans jedemSchrittvon schönerHand duftende Blumen gereicht werden und er überall freundlichen Blicken begegnet. So wird mir denn mein Aufenthalt in Wildbad in guter Erinnerung bleiben. Ich bringe mein dankbares Gefühl znm Ausdruck und glaube Ihrer Zustimmung sicher zu sein, wenn ich Sie auffordere, mit mir einznstimmen in ein kräftiges Hoch auf Wildbad."
Nachdem der „Licderkranz" noch einige schöne Weisen znm Besten gegeben, schickte man sich, hohe Begeisterung im Herzen, unter brausenden fast endlosen Jnbelrnfen zum Rückzug an. Möge cs Wildbad vergönnt sein, noch oftmals die hohe Ehre zn haben zu seinen Gästen den hochverehrten Reichskanzler zählen zn dürfen!
— Honte Vormittag ll'/e Uhr hat der Fürst-Reichskanzler unsere Stadt nach fast dreiwöchigem Aufenthalt wieder verlassen um sich nach München zu begeben. Der Fürst fühlt sich von der Kur sehr gekräftigt- und sieht sehr wohl ans.
(Eingesandt.) Gestern Nacht zwischen 2 und 3 Uhr hat eine Gesellschaft von nach Hans zurückkehrenden „Herren" nnd „Damen" bei der Diakonissenstation einen solchen Skandal aufgesührt, daß Schreiber dieses, der mit einer Anzeige bei der Polizei nicht Vorgehen kann, weil er die betreffenden Personen nicht kennt, sich veranlaßt sieht, wenigstens de» hiesigen Mitgliedern dieser Gesellschaft (denn das sind die in schwarzem Anzug und Cylinder jedenfalls gewesen) es nahe zu legen, daß eine solch plumpe Rücksichtslosigkeit zahlreiche Kurgäste, die nach schweren Leiden in Wildbad Erholung suchen, durch einen solch skandalösen Unfug fast eine Stunde lang aus der Ruhe zu bringen, gewiß nicht im Interesse des Bades ist. Es sind ja hier zur Auslassung der Weinlanne genug Lokale vorhanden. 8.
Standesbuch-GHr-onik
-er Stadt Wildbad
vom 21. bis 28 Juli 1899. Geburten.
17. Juli. Eitel, Friedrich, Kutscher hier, Karls Sohn, 1 Tochter.
19. ., Braun, Johann Friedrich, Holzhauer
in Sprollenmühle, .Gde. Wildbad, 1 Tochter.
21. „ Hammer, Wilhelm Friedrich, Zimmer
mann hier, 1 Sohn.
27. „ Eitel, Carl Friedrich, Holzhauer hier,
1 Tochter.
G e st 0 r b e n i
22. „ Schmid, Gottfried Friedrich Metzger
meister hier, 74 Jahre alt.
25. „ Bott, Pauline Emilie Meta, Tochter
des Schuhmachermeisters Christian Friedrich Bott vonhier, 4 Monatealt. 27. „ Dreifus, Louis, Kaufmann von Altdorf
Bez. Ettenheim, Baden, vorübergehend hier, 35 Jahre alt.