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kästen befinden sich nämlich in Schramberg, so daß die Lieferungsfähigkeit der Fabrik nicht beeinträchtigt wird. (Schw. B.)

Aalen, 2. Juni. Nachdem mit dem 1. April d. I. der Betrieb der Zellstosf- sabrik in Unterkochen eingestellt morden ist, mußte gestern früh 6 Uhr auch die mit derselben verbundene Papier­fabrik ihre Thätigkeit beendigen. Der Schaden, der hierdurch den Aktionären, den etwa 200 Arbeitern und Arbeiter­innen, die damit ihren schönen Verdienst verloren haben, der Gemeinde, der Eisen­bahn und den vielen Geschäftsleuten, die ihre Beziehungen zu den beiden Fabriken unterhielten, entsteht, ist groß und zur Zeit noch unübersehbar. Für die Ge­meinde Unterkochen wird die Sache ge­radezu verhängnisvoll, nachdem nun auch die größte Papierfabrik, die Maschinen­papierindustrie, ihre Zahlungen eingestellt hat und auch diese Fabrik geschlossen worden ist. Auch hier werden gegen 150 bis 200 Arbeiter schwer betroffen.

Ettlingen, 30. Mai. Heute Mittag gegen 1 Uhr verunglückte ein Zögling des zweiten Kurses des Lehrer-Seminars Ett­lingen beim Radfahren derart, daß er um halb 8 Uhr verschied. Er stieß, als er aus einem Hofe fuhr, auf das Hinterrad eines vorbeifahrenden mit lOOCtr.Steinen beladenen Wagens. Die ungeheure Last des Wagens erdrückte und zermalmte (mit Ausnahme der oberen) dem Radfahrer alle Rippen, drückte die Lungen platt, jeden­falls auch das Herz. Die Augen waren aus ihren Höhlen getreten, während beide Augenlider.gespalten waren.

Baden-Baden, 1. Juni. König Alexander von Serbien und sein Vater, König Milan werden, wie dasNeue Wiener Tagblatt" meldet, nach dem Kur­gebranch in Karlsbad Ende Juli zur Nachkur in Baden-Baden eintreffen.

Berlin, 3. Juni. Die Erwerb­urig der spanischen Südseeinseln, der Karolinen gruppe, durch Deutschland wird bererts allseitig erörtert. Das Bert. Tagbl." bezeichnet den Erwerb der Inselgruppen als einen großen Erfolg der Politik Kaiser Wilhelm II. und seines Staatssekretärs des Auswärtigen, Herrn von Bülow. Die Wirkung dieses Erfolges sei um so größer, als man es in unserem Auswärtigen Amte bewunderungswürdig verstanden habe, das Geheimnis zu hüten.

Die sämtlichen in Frage stehenden Inseln liegen im Großen Ozean, zwischen den Philippinen, Nen-Guinea und den Marschall-Jnseln. Die Palan-Jnseln im Umfange von 503 Quadratkilometern mit etwa 10 000 Einwohnern haben frucht­baren Boden, schöne Waldungen und ein gesundes Klima. Die übrigen Karolinen sind von rund 25 000 Malayen und einigen Hundert Weißen bewohnt und etwa 950 Quadratkilometer groß. Von den Marianen, die früher 1140 Quadrat- kilometer Bodenfläche hatten und 10000 Einwohner zählten, ist bereits der größte Teil an die Verein. Staaten abgetreten.

Die spanischen Cortes wurden gestern mit einer Thronrede eröffnet, die auch eine für Deutschland interessante Mitteilung enthielt. Die Thronrede ge­denkt der Schmerzen und Leiden des Va- terlandes. Man müsse aus denselben Lehren ziehen, aber Sammlung und Schwei­gen seien besser als Klagen. Sodann heißt cs weiter: Infolge der parlamentarischen

Schwierigkeiten und des Kabinetswechsels hat die Regentin den Friedensvertrag ge­mäß K 54 ratifiziert. Das vorherige Ka- binet ist der Ansicht gewesen, es sei nicht ratsam für Spanien, die Karolinen, die Pala'uJnseln und die Spanien noch ver­bleibenden Marianen-Jnseln zu behalten; es ist deshalb ein Abkommen mit dem deutschen Kaiser getroffen worden, nach welchem diese Inseln an Deutschland ab­getreten werden. Der betreffende Gesetz­entwurf wird den Cortes sofort zugehen. Die Tronrede betont sodann die herzlichen Beziehungen Spaniens zu allen Mächten.

Kiel, 2. Juni. Der niederdeutsche Dichter Klaus Greth von Heide in Hol­stein der unter großen Ehrungen am 24' April seinen 80. Geburtstag beging, ist heute an einer Rippenfellentzündung ge­storben.

Paris, 3. Juni. Der Kassationshof erkannte in seinem Urteil auf die Revision des Prozesses Dreyfus mit Verweisung vor ein Kriegsgericht in Rennes.

Paris, 3. Juni. Der Matin" ver­öffentlicht eine Besprechung seines Lon­doner Berichterstatters mit Esterhazy. Dieser erklärte:Ja, ich habe das Bor- üereau angefertigt. Ich habe es gethan in Aufforderung des Obersten Sandherr, meines Vorgesetzten und Freundes. Das Bordereau sei hergestellt worden, um den Verräter zn ermitteln. Die Generale, sagte Esterhazy, haben mit mir dieselbe Rolle gespielt wie mit Henry. Zu mir sagte man:Fertigen Sie das Bordereau an", zu Henry:Es ist nötig, daß das geheime Dossier vervollständigt werde." Henry ist als ein Opfer seiner Pflicht gestorben. Esterhazy äußerte heftige Drohungen gegen seine früheren Vorge­setzten. Er legte eine Anzahl Briefe vor, an denen er die Beziehungen zu diesen nachwies. Er schloß mit der Ankündig­ung, daß er nunmehr sprechen und die volle Wahrheit sagen werde.

Paris, 31. Mai. Der Kolonien­minister ermächtigte telegraphisch den Gou­verneur der Tcufelsinsel, Dreyfus von dem Zusammentritt des Kassationshofes Mitteilung zu machen.

Paris, 1. Juni. In der heutigen Sitzung des Kassationshofs sagte der Ver- theidiger des Dreyfus, Mornard :Ich er­bringe den buchstäblichen Beweis für die Unschuld Dreyfus, indem ich die Schuld Esterhazys Nachweise." Er sei überzeugt, daß er die Unschuld Dreyfus bewiesen habe und daß sich die Revision des Pro­zesses, für dessen Urteil Paty de Clam und Henry die Urheber gewesen seien, als notwendig erweise. Die falschen Zeugen­aussagen Paty de Clams und Henry's würden juristisch allein genügen, um die Revision zuzulassen. Er schließt, indem er die Kassation des Urteils und die Ver­weisung der Sache an ein neues Kriegs­gericht verlangt.

Paris, 2. Juni. Paty de Clam wurde gestern abend verhaftet und nach dem Gefängnis Cherche-Midi gebracht.

Der Seebadeort und bekannte, zum Teil auch berüchtigte Vergnügungsort Couey Island bei Newyork ist in der Nacht vom Donnerstag zum Freitag von einem verheerenden Feuer heimgesucht worden, welches beinahe 200 Hotels, Kneipen, Badehäuser und andere Gebäude vernichtete. Das Feuer brach um 2 Uhr nachts in dem Teile des Ortes aus, in

welchem sich gerade die verrufensten Häuser befinden, und zwar wenige Stunden nach dem Inkrafttreten von neuen Polizeiver­ordnungen, welche die dort herrschende Zuchtlosigkeit beschränken sollten, und des­halb auch wohl geeignet sind, den Ge­schäftsbetrieb vieler Wirte zu schmälern. Da die meisten Häuser nur aus Holz gebaut waren, griff das Feuer mit größter Schnelligkeit um sich, und Nachtschwärmer, sogenannte Künstlerinnen, die sich dort produzirten, und menschliche Abnormitäten, welche zur Schau gestellt waren, retteten sich in größter Eile und mit genauer Not. Während des ganzen Brandes wurde ge­stohlen und geplündert. Fässer ünd Kisten voll Spirituosen wurden auf die Straße geschafft und ausgetrunken. Infolge dessen war die Zahl der Betrunkenen so groß, daß dadurch die Thätigkeit der Feuerwehr behindert wurde. Um 6 Uhr morgens hatte die Feuerwehr den Brand in ihrer Gewalt. Es kamen über 40 Explosionen vor. Menschen sind wohl verletzt, aber es scheint Niemand umgekommen zu sein. Ter Materialschaden wird auf ungefähr 1 Million Dollar geschätzt.

Unterhaltendes.

Entlarvt.

Kriminalroman von Friedrich Halt.

(Fortsetzung.) (Nachdr. verboten.)

Ich sage Ihnen, Herr Rat, ich irre mich nicht, der Baron hat keine Waffe bei sich gehabt, folglich kann er sich nicht selbst erschossen haben, es ist von einer anderen Hand geschehen."

Für Ihre letzte Behauptung fehlt bis jetzt jeder Beweis, sagte der Rat ruhig.

Und das, was ich Ihnen mitgeteilt habe, wäre kein Beweis für die Unschuld Brückems?" fragte sehr ernst und fast heftig von Falk.

Nein, es beweist das Gegenteil," gab der Rat fest zurück.

Aber ich bitte Sie," sagte Falk ganz erschreckt,scherzen Sie nicht mit mir, setzte er dann fast unwillig hinzu."

Ich scherze uicht," erwiderte der Richter sehr ernst,ich werde Ihnen sagen, was ich thun werde, aber ich werde Ihnen auch sagen, was ich über die Sache denke. Ich werde keine Mühe scheuen, bis in das Kleinste diese Angelegenheit zu verfolgen, ich werde das Auge offen halten und scharf Hinschauen, ob ich eine Spur finden kann, die auf ein Verbrechen, aus einen Mord deutet; ich erfülle hier­mit nur meine Pflicht," sagte der Rat abwehrend, als er zn bemerken glaubte, daß von Falk für dies gegebene Ver­sprechen in Dankesworlen ausbrechen wollte,ich Halle mich hierzu umsomehr gedrängt, als auch ich an die Schuld des Barons nicht glauben kann, ich kann nicht daran glauben, daß der Mann die Wirtschaftsgebäude selbst angezündet haben sollte, ich kann, ich will als Mensch nicht daran glauben, aber als Richter," fuhr der Rat fort, finster vor sich hin­blickend,da, wo ich nur mit dem Ver­stände zu prüfen, zu erwägen, nur der ermittelten Wahrheit die Ehre zu geben habe, da sage ich Ihnen, daß nach der Lage, wie die Leiche gefunden ist, nach allen begleitenden Umständen, sie schlie­ßen einen Mord aus, sie zeugen nur auf einen Selbstmord hin.