Amtsblatt für öie Stadt Wit'dbad

General-Anzeiger für Wildbai» «nd Umgebung.

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Nr.

3S.

Donnerstag, 23. März 1899.

35. Jahrgang.

Rundschau.

Die Wahl des gepr. Verwaltungs- Kandidaten Friedrich Kipp, Buchhalters bei der K. Heil- und Pflegeanstalt Win­nenthal (früher in Wildbad und Calm­bach) zum Ortsvorsteher der Gemeinde Höfingen, O.-A. Leonbcrg, wurde bestätigt.

Stuttgart, 21. März. Der dies­jährige Verbandstag der Wirte Württem­bergs, welcher ursprünglich in Hall sein sollte, welches ablehnte, wird nunmehr in Freudenstadt im Mai oder Juni abge­halten werden.

Stuttgart, 20. März. Im hiesi­genN. Tagbl." steht folgendes Inserat: Bierabnahme-Gesuch. Wegen Bier­zwangs wird ein Abnehmer von täglich 100 bis 120 Liter, Wirt oder Flaschen­bierhändler, gesucht. Suchender bezahlt auf den Liter 1 Pfg. nnd 5°/o. Das Bier ist von einer der ersten Brauereien hier und hochfein. Schriftliche Offerten unter u. s. w." Der betr. Wirth oder Wirt­schaftspächter hat also mit einer Brauerei einen Vertrag eingehen müssen, wonach er dieser Brauerei täglich ein ganz beträcht­liches Quantum Bier abzunehmen hat. Wie es der Mann verkauft, ist dann seine Sache. Seine Gäste trinken ihm dieses Quantum nicht ab und nun muß er zu dem geschilderten Mittel greifen, um we­nigstens nicht seine ganze Existenz zu ver­lieren.

Calw, 20. März. Gestern Sonntag nachmittag erstattete der Reichstagsabge­ordnete Herr Friedrich Schrempf den Wählern des Bezirks einen eingehenden Bericht über die seitherigen Reichstags­verhandlungen. In 2'/» stündigem freiem und gewandtem Vortrag schilderte der Redner zunächst die Aeußerlichkeiten bei der Reichstagseröffnung und den Geschäfts­gang im Reichstage, sodann besprach er einige der wichtigsten Punkte, die bei der Etatsberatung die lebhaftesten Debatten im Reichstag herbeiführten, besonders die Frage über die Fleischnot und über die soziale Gesetzgebung. In Bezug auf letztere wurde ausgeführt, es sei höchst wünschens­wert, daß die Witwen und Waisen der Arbeiter versorgt werden, die Beiträge sollten aber auf das Reich übernommen werden, daniit auch das Großkapital ge­bührend dazu beitragen müsse, jedenfalls dürfen neue Lasten dem Mittelstand nicht aufgewälzt werden, da sonst zahlreiche Existenzen zu Grunde gehen. Die großen städtischen Versicherungskassen, namentlich in den Jndustriebezirken haben förmlich

Ueberfluß an Geld, den landwirtschaft- lichen Kassen mangle es an solchem. Die persönliche Ansicht des Redners geht dahin, man hätte die Landwirtschaft von der Versicherung weglassen sollen, es sei nicht richtig, daß man die Leute nötige, in Ver­sicherungen einzutreten. Aus dem Lande liegen die Verhältnisse ganz anders als in der Stadt, ebenso anders in Nord­deutschland als in Süddeutschland. Die Sozialgesetzgebung sollte in die Hände der kleinen Bundesstaaten gelegt werden. Das Jesuitengesetz habe ebenfalls zu starken Auslassungen Anlaß gegeben. Redner ist überzeugt, daß die Regierung die Einrich­tung von jesuitischen Klöstern und Schulen nicht gestatte; dagegen sei in dem Gesetz ein Punkt, der für die Katholiken ver­letzend sein müsse; nach tz 2 des Gesetzes könne der Staat den Jesuiten ein Zwangs­domizil anweisen. Mit Recht sagen nun die Katholiken: Jeder Sozialdemokrat und Anarchist hat das Recht, im deutschen Reiche herumzuziehen, warum nicht auch unsere frommen Väter und Jesuiten? Es sei deshalb auch der Antrag angenommen worden, § 2 zu streichen, tz 1 stehen zu lassen. Wenn der Orden einmal zugelassen werde, dann sei der Einfluß des Zent­rums ungeheuer groß. Der Einfluß sei jetzt schon ein großer, weil die evange­lischen Mitglieder in viele Fraktionen ge­spalten und weil viele in Bezug auf Reli­gion interesselos seien. Das müsse er (Redner) offen sagen, ein frommer Katho­lik sei ihm viel-vielmal lieber als ein frecher Gotteslästerer und es gehen deshalb auch in seiner Partei viele Abgeordnete in reli­giösen Angelegenheiten mit dem Zentrum zusammen. In den weiteren Ausführungen behandelte der Abgeordnete die Beschwer­den über den Handelsverkehr mit Ame­rika, die geplante Abänderung des Bank­notengesetzes, den Löbtauer Gerichtsfall, das einheitliche Reichsmilitärgericht, die Militärvorlage und den Jnvalidenfonds. Die Ausführungen des Redners wurden oft mit Beifall unterbrochen, nach Schluß der Rede wurde die lebhafteste und ein­mütigste Zustimmung der Zuhörer laut.

Tübingen, 15. März. (Schwurge­richt.) Von den Angeklagten des zweiten Falls ist Rudolf Burkhardt des Todschlags und der Körperverletzung, Friedrich Burk­hardt der gemeinschaftlichen Körperver­letzung, Goldarbeiter Karl Götz und Georg Erhardt sowie Schreiner Jmanuel Lürcher der Begünstigung beschuldigt. Rudolf Burkhardt stand schon einige Zeit mit

dem als kräftig geschilderten Schindel­macher Georg Faas von Kapfenhardt auf nicht ganz gutem Fuß. Am 27. Nov. v. I., einem Sonntag, war Georg Faas kurz vor 11 Uhr heimgegangen, vor seinem Hause entstand bald darauf Lärm, ver­ursacht von Rudolf Burkhardt, Lörcher und Erhardt, hauptsächlich aber von einem total betrunkenen Begleiter namens Katz. Als Georg Faas zum Fenster heraus die Lärmenden zur Ordnung wies, kam es zum Wortwechsel, wobei an Georg Faas die Aufforderung erging, er solle doch herunterkommen. Zu seinem Ver­hängnis leistete Faas dieser Aufforderung Folge. Kaum war er vor seinem Hause dem Rudolf Burkhardt entgegengetreten, als dieser ihm sein Messer bis zum Heft in die Brust stieß, so daß Georg Faas nach einigen Tagen starb. Dem auf den Lärm herbeigeeilten Bruder des Faas (namens Friedrich) wurden von Rudolf Burkhardt gleichfalls vier, glücklicherweise ungefährliche Messerstiche beigebracht, wäh­rend Friedrich Burkhardt auf ihn los- schlng. Die drei weiteren Angeklagten suchten den Rudolf Burkhardt durch Be­seitigung des Messers und durch unwahre Aussagen vor dem Landjäger und dem Untersuchungsrichter der Bestrafung zu ent­ziehen. Um dies zu bewirken, wurden in Juppe nnd Weste des Rudolf Burkhardt Messerstiche gemacht, es stellte sich aber bald heraus, daß sie von den Angeklag­ten selbst gemacht worden waren. Die Angeklagten konnten im wesentlichen ihre Schuld nicht mehr bestreiten, sie wurden im Sinne der Anklage, Rud. Burkhardt aber statt wegen Totschlags nur wegen Körperverletzung mit nachgefolgtem Tod, schuldig gesprochen. Tie Strafen laute­ten für Rudolf Burkhardt auf 4 Jahre und 1 Monat Gefängnis unter Anrech, nung eines Monats Untersuchungshaft; gegen die übrigen Angeklagten wurden Gefängnisstrafen von 2 Monaten, 3 Wochen nnd 4 Wochen erkannt, welche durch die Untersuchungshaft verbüßt sind.

Tübingen. (Schwurgericht.) Am letzten Samstag wurde der 34 I. alte Müller Johannes Speidel von Mäger- kingen, O.A. Reutlingen, wegen Gatten­mords zu einer Zuchthausstrafe von 12 Jahren verurteilt.

Baden-Baden, 19. März. Gegen­wärtig ivird mit der Anlage einer Wasser­leitung zur Bewässerung der Rennbahn in Iffezheim begonnen. Dieselbe befin­det sich nördlich vom Friedhofe in Jffez-