Amtsblatt für öie Stadt Wilöbaö.
eneral-Anzeiger für KUSbad und Amgebung.
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Nr. 33.
Samstag, 18. März 1899.
35. Jahrgang.
Rundschau.
Stuttgart, 14. März. Die Kammer der Abgeordneten nahm heute ihre Sitzungen wieder auf und trat in die erste Beratung des Gesetzentwurfs betr. die Giltigkeitsdauer der mit dem 31. März 1899 außer Wirksamkeit tretenden Bestimmungen über die Besteuerungsrechte der Gemeinden ein. Bei der Schlußabstimmung wurde der Entwurf, wonach das Besteuerungsrecht bis zum 31. März 1905 verläügert wird, mit 59 gegen 9 Stimmen angenommen. Der in der Beratung folgende Gesetzentwurf betr. die Aufheb. ung der Dienstkautionen der Staatsbeamten wurde mit 66 gegen 4 Stimmen an- genommen.
Stuttgart, 15. März. (Landtag.) Bei dem heutigen Bericht der Finanz - Kommission über die Prüfung der Staatsfinanzverwaltung legt Abg. Lang bei Kap. 117 der Kgl. Regierung nahe, sich durch die höheren Einnahmen der Badeanstalt Wildbad nicht zu übermäßigen Ausgaben verleiten zu lassen. Finanzminister v. Zeyer erwidert, daß,um konkurrenzfähig zu bleiben,gegen andere Weltbäder, Wildbad mit ihnen gleichen Schritt halten müsse. Bekannt sei, daß an den Komfort immer höhere Ansprüche gestellt werden; bei einem Weltbade lasse sich ein gewisser Komfort nicht vermeiden. Im weiteren Verlauf der Sitzung wurde von Abgeordneten aller Parteien ein Antrag eingebracht zum Schutze der Privatnotenbanken gegen Artikel 5 des Reichsbank- Gesetzentwurfs. Der Minister des Innern sagte die Unterstützung der Württember- gischen Regierung im Bundesrathe zu.
Stuttgart, 16.März. Minister- präsident Freiherr vr. v. Mittnacht begeht am morgigen Freitag seinen 74. Geburtstag.
— Infolge des allmählichen Zurück- weichens dee Getreidepreise an den größeren Handelsplätzen haben auch die Mehl- preise durchgängig einen kleinen Rückgang erfahren, was nunmehr wieder einen Abschlag der im Laufe des Sommers erhöhten billigeren Brotsorten ermöglichte. Wie die hiesige freie Bäckergenossenschaft be- känntgiebt, kosten von heute ab: Weiß- brot: 1 Kilo 27 -/? Kilo 14; Halb
weißbrot: 1 Kilo 26, -/r Kilo 13 ^ ; Schwarzbrot: 1 '/s Kilo 31; 1 Kilo 22 ^ ; */s Kilo 11 ; ferner Mehl je V? Kilo Nr. 0 19 Nr. 1 18 ^s. Die Preise bedeuten gegen früher einen Rückgang von je etwa 1 pro Sorte und Gewicht.
Tübingen, 14. März. (Schwurge- richt.) Die Sitzungen des 1. Quartals 1899 wurden am 13. März eröffnet. Der Angeklagte des ersten Falles war der Holzhauer Friedrich Stahl von Jgelsloch, O.A. Neuenbürg, angeklagt wegen Land- friedensbruches. Im Oktober 1898 standen 10 Bürger von Jgelsloch wegen Land- sriedensbruchs, begangen an Rößleswirt Stoll, vor dem Schwurgericht, und es wurden 6 mit je 3 Monaten Gefängnis bestraft, die andern 4 aber freigesprochen. Gegen den heutigen Angeklagten Stahl konnte wegen Krankheit nicht mitverhandelt werden. Der Hergang ist kurz folgender: Der Rößleswirth Stoll von Jgelsloch war wegen Verleitung zum Meineid in Untersuchung gezogen und bestraft worden; weil nun einige Jgelslocher Bürger als Zeugen gegen ihn aufgetreten waren, schwor er der ganzen Gemeinde Rache. Er nahm den Kesselflicker Hölle mit 11 Kindern in seinem Hause absichtlich zu dem Zweck auf, daß diese Familie den Unterstützungswohnsitz in Jgelsloch begründen, die Bürger finanziell recht geschädigt werden sollten. Die Jgelslocher wußten sich nur dadurch den Hölle vom Halse zu schaffen, daß sie ihm 1500 Mk. zahlten. Dies empörte die Jgelslocher im höchsten Grade, und im Juli v. I., als Stoll den Hölle wieder aufnehmen wollte, wurde das Haus des Stoll mit Steinen beworfen, der Gartenzaun eingerissen und der Brunnen beschädigt, auch wurde auf Stoll geschossen, worauf dieser die Schüsse erwiderte. Der Angeklagte ist beschuldigt und geständig, daß er sich beim Einreißen des Gartenzaunes und bei der Beschädigung des Brunnens beteiligt habe. Er wurde mit dem Strafminimum von 3 Monaten Gefängnis bestraft und zur Begnadigung empfohlen.
Baden, 15. März. Im Hinblick, daß seit einer Reihe von Jahren der Fremden- besuch schon im März hier ein ganz ansehnlicher, und im Monat April die Frühlingssaison in vollem Gange ist, hat der Stadtrat beim großh. Bezirksamt beantragt, daß der Beginn der Saison von nun an statt auf den 1. Mai, auf den 1. April festgesetzt werden soll. Die amtliche Fremdenliste wird also dieses Jahr schon am 1. Sonntag im April erscheinen.
Mannheim, 14. März. Ein richtiger „Monstre-Diebstahlprozeß" nahm hier seinen Anfang. Auf der Anklagebank werden sich nicht weniger als 37 Personen befinden. Es handelt sich um den im
Großen betriebenen Diebstahl von Getreidesäcken. Die Zahl der ermittelten gestohlenen Säcke beläuft sich auf etwa 130000, jedoch ist mit größter Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß sie in Wirklichkeit noch viel größer gewesen ist. Die 37 Angeklagten sind in drei Kategorien einzuteilen: 1) Diebe, 2) Hehler, 3) Vermittler. Die Diebe waren Arbeiter hieß Getreideimportfirmen und Sackhandlungen, die Hehler meistens Bäckermeister. — Die Affäre baut sich auf folgender Basis auf: Die Säcke der Getreideexportfirmen sind weniger gut als die Mehlsäcke und werden von den Sackhandlungen für die ersteren 27—32 Pfg., für die letzteren 34—35 Pfg. pro Stück bezahlt. Die Magazinarbeiter rc. stahlen auf Anstiften der Bäcker von den Exportfirmen Exportsäcke und verkauften sie an die Bäcker zu 20 Pfg. das Stück. Die Bäcker ihrerseits machten dje Säcke mehlig und verkauften die so bearbeiteten Exemplare an die Sackhandlungen als Mehlsäcke das Stück zu 34—35 Pfg. Diese Diebereien und Betrügereien wurden in den Jahren 1896, 1897 und 1898 in großem Stil betrieben und um diese Manipulation zu verdecken, Rechnungen und Quittungen gefälscht. Einer Firma allein wurden 43000 Säcke gestohlen. Die sechs angeklagten Bäcker verkauften in den angegebenen Jahren 126000 Säcke, über deren redlichen Erwerb sie sich nicht aus- weisen konnten.
— 15. März. Bei der heutigen Verkündigung des Urteils in dem Sackdiebstahlsprozeß wurden fünf Bäcker und ein Einkäufer wegen Hehlerei von 1 bis 2 Jahren Zuchthaus verurteilt, die Sackdiebe erhielten Ist» bis 3 Jahre Gefängnis, die übrigen Beteiligten bekamen Gefängnisstrafen von 20 Tagen bis 7 Monaten.
Berlin, 15. März. Der Kaiser wird der morgigen Beisetzungsfeier des Fürsten Bismarck in Friedrichsruh beiwohnen. Der Kaiser trifft voraussichtlich kurz nach 11 Uhr 30 Min. in Friedrichsruh ein und begibt sich nach dem Schloß. Sofort beginnt die Ueberführung der Särge nach dem Mausoleum. Hinter denselben wird der Kaiser mit Gefolge schreiten. Nachdem die Särge auf die Katafalke gestellt sind, findet die Begräbnisfeier und die Einsegnung statt. Sofort nach Beendigung dieser Feier erfolgt die Abreise des Kaisers. Der Sarg mit der Leiche der Fürstin Bismarck traf gestern Abend in einem schwarz drapirten und mit Taunen- zweigen geschmückten Wagen in Friedrichs-