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Nr. 51. Amts- und Anzeigeblatt für den OberamtsbezrrL Calw. S4. Jahrgang.

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Montag, de« 8. März 1S19.

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Ei» Allfrus der WlhMUMing.

* Das gesamte Reichsinmistertum hat eine Kund­gebung an das Volk erlassen, in dem es darauf hmweist, daß mährend Reichsregicrung und Nationalversammlung an der Ueberiviudung politischer und wirtschaftlicher Note arbeiten, wirtschaftliche und politische Anarchie das Reich m« zerstören drohen. Die terroristischen Elemente wollen die aus dem freiesten Wahlrecht hervorgegangene Nati­on a l v e r f a m m l u n g sprengen und Reichs­regierung und Nationalversammlung machtlos machen, -indem sic in verleumderischer Weise der Regierung oorwerseu, sie wolle die Arbeiter uni die Früchte der Revolution bringen. Das Selbstbestinmumgsrechl des deutscheil Volkes nach innen dürfe aber von diesen Elementen nicht gestört werden. Noch größer als die politische Gefahr sei die wirtschaftliche Notlage. Tausende gingen fast täglich an Unterernährung zugrunde. Die «ngrheure Annee von Arbeitslosen sei noch im Wachsen begriffen: Täglich würden neue Bahnlinien stillgelegt. Das erste Gebot der Stunde laute jetzt: An die Arbeit. Das Gesetzbuch der wirtschaftlichen Demokratie solle geschaffen werden: Das einheitliche sozialistische Arbeiter- -rechl auf sreiheitlicher Grundlage. Die Betriebsräte sollen als berufene Vertreter der Arbeiterschaft überall eingeführt werden. Im neuen Deutschland solle Arbeit sozialistische Pflicht sein. Das Ziel der wirtschaftlichen 'Demokratie werde sein:Konstitutionelle Fabrik auf demokratischer Grundlage/' Unsere Volksregierung scheint sich vom Bureaukratismus auch noch nicht freigemacht zu haben, sonst hätte sie bedenken müssen, daß unter hundert kaum ein Staatsbürger sich linier dieser Be- ariffsbilduyg etwas vorstellen kann. Diekonstitutionelle" Fabrik fassen wir so auf, daß die Fabriken in Zukunft wohl wie bisher unter Leitung der Geschäftsinhaber stehen, daß aber die Angestellten und Arbeiter das Recht haben sollen, durch die von ihnen gewählten Betriebsräte ihre Ansprüche, Wünsche und Beschwerden geltend zu machen in Bezug aus Behandlung. Lohn. Arbeitszeit, hygienische Einrichtung nsw. Wir haben hisse Einrichtungen znm größten Teil schon im Buch- druckereigemerbe, das die am besten ausgebante gemein­schaftliche Organisation zwischen Arbeitgeber und Arbeiter varstellt. In diesem Sinne wird sich also wohl auch in den arideren Wirtschaftszweigen der soziale Ausbau vollziehen. Die Regierung kündigt dann weiter die Verstaatlichung der Bergwerke und die Uebernahme der Erzeugung der elektrischen und Wasserkräfte in staatliche oder gemischtwirtschaftliche (Staat, Gemeinde und Privat- kapital) Bewirtschaftung an. Alle diese Arbeit könne aber nur aus dem Wege organischer aufbauender Arbeit geleistet werden. Wilde Sozialisierungsversuche oder terroristischen Zwang gegen die Arbeiterschaft und be­waffneten Ausstand zur Zerstückelung des Reichs werde die Regierung aber rücksichtslos bekämpfen, denn die Revolution gebe keinen Freibrief ans Raub, Mord und Gewalttätigkeiten aller Art. Die Reichsregieruug erklärt, daß eine gewaltige Mehrheit von 22 Millionen Wählern hinter ihr stehe, und sie ruft das ganze Volk auf. sich zusammenzuschließen gegen Vergewaltigung, Zerstörung und Zusammenbruch. Die Zukunft sei uns sicher, wenn wir einig sind.

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Die Unabhängigen haben noch nicht genug mit der Revolution.

Berlin, 3. März. Der außerordentliche Parteitag der Unabhängigen Sozialistischen Partei Deutschlands wurde gestern durch den Alterspräsidenten Zubeil eröffnet, der in erster Linie der Opfer der Revolution gedachte, und als Aufgabe des Parteitags bezeichnet«, das Ge­bäude der Zukunft zu errichten. Alsdann nahm der Parteivorsitzende Haafe das Wort, um zu erklären, daß man sich schon 1917 auf dem Gothaer Parteitag auf die Revolution vorbereitet habe. Sie erfülle nicht alle Hoffnungen, aber die Unabhängigen seien nicht w töricht zu sagen, die Revolution sei schon zu Ende, vie werde.ihr« Vollendung finden in den, Triumph deo

internationalen Sozialismus. Die Regierung sei irr das beschauliche, windstille Weimar geflüchtet. Erschreckt habe sie eine Proklamation erlassen, um die Massen zu beschwichtigen. Die Machthaber sollten rächt so ver­blendet sein zu glauben, sie Könnten die Revolution auf- haltcir dadurch, daß sie den Massen einredeien, tnit der demokratischen Bourgeoisie und dem Zentrum die Sozialisierung durchführen Lu können. Die Zukunft gehöre den Unabhängigen. Die Stadtverordnetenwahlsn Zeigten den Umschwung in den Arbeitermassen. Luis» Zistz sagte daraus noch, noch viel schlimmer als durch die bürgerliche Presse werde das Volk durch die rechts­sozialistische belogen und getäuscht. Die jetzige Regierung sei die Konterrevolution selbst.

Zm Mffe«Ms!«ds- md Mienssrage.

Beginn der Dorverhandlung über die Lebensmittel­versorgung Deutschlands.

Berlin, 2. März. Marschall Fach ließ der D. W.« K. in Spaa am 2. März durch eine Note «Meilen, daß die alliierten Vertreter für die Vorbehandlung über die Lebensmittelversorgung Deutschlands und der damit zusammenhängenden Finanz- und Echiffahrtsfragen am 4. März in Spaa eintreffcn würden. Ihre erste Zu­sammenkunft mit den deutschen Delegierten sei für Mens­tag, den 4. März nachmittags 6 Uhr. vorgesehen.

Die Nationalversammlung fordert die Wiedereinsetzung Deutschlands in feine kolonialen Rechte. Weimar, 28. Febr. Der Nationalversammlung ist heute folgende von Mitgliedern aller Parteien mit Ausnahme der Unabhängigen Unterzeichnete Entschlie­ßung zugegangen: Die in Artikel 19 des Satzungsent­wurfes des Völkerbundes Wer die deutschen Kolonien getroffenen Bestimmungen sind mit den in Punkt 5 des jonprogarmms aufgestellten kolonialen Friedensbe- dinzunMn nicht in Eiuklang zu bringen. Die National­versammlung legt gegen eine einscttlc Aenderung dieser Bedingungen, die von Deutschland lind den Alliierten als gemeinsame Grundlage für den Frieden angenom­men worden sind, feierlich Verwahrung ei« und fordert die Wiedereinsetzung Dxutschlauds in seine kolonialen tc.

Der EntentevNLerbund.

Bern, l. März. Nach einer Havasmeldung er­klärte Wilson im Kongreß, daß die Bestimmung, wonach der Völkerbund das Recht habest solle, Ereig­nisse, die den Frieden bedrohen, zu prüfen nicht aus­drücklich sein werde, da der Text vom ganzen Rate gebilligt werden müsse. Die Abrüstung iverde die mili­tärische Ausbildung nicht verhindern. Eine solche Aus­bildung mit begrenzter Bewaffnung werde den Frieden nicht gefährden. Die getroffenen Maßnahmen zur An­wendung der Wünsche des Rats fänden aus solche Nationen Anwendung, die Verträge verletzen oder sich weigerten, Gebiet oder Güter zurückzugcben. Die Macht des Völkerbunds beruhe auf der Freundschaft zwischen Frankreich, Amerika, Großbritannien, Italien und Japan. Wenn eine dieser Nationen sich zurückziehe oder ihrer Verpflichtung, den Völkerbund zu unterstützen, nicht Nachkomme, so würde daraus die Ohnmacht des Völkerbunds hervorgehen. Irland besitze keine Stimme im Völkerbund. Die irische Frage sei zwischen Groß­britannien und Irland zu lösen. Es sei weuly wahr- scheinlich, daß Großbritannien mehr als eine Stimme im Exekntivrate des Völkerbundes erhalte. Die Liga er­mögliche cs. vor dem Kriegsdeginn zu diskutieren. Wenn man vor dem Kriege acht Tage Zeit gehabt hätte zur Diskussion, so wäre dieser Krieg nicht ausgebrochen.

Der italienisch-südslawische Konflikt.

London, 27. Febr. Reuter meldet aus Paris: Da Italien sich endgiltig geweigert hat, Wilson als Schieds­richter zwischen Italien und den Jugoslavcn anzuerken­nen, haben diese heute auf der Friedenskonferenz die Forderung erhoben, daß der Alouw di« Grenze bilden

solle. Berichten aus Italien zufolge ist von den Zugs» slavrn die allgemeine Mobilmachung angrordnet wor­den. Italien hat deshalb die Rückbeförderung der Jugo- slave», die während des Krieges mit Oesterreich gefan­gen genommen werden sind, eingestellt. Nach einer wei­teren Reutermcldung stellen die in Paris befindlichen jugoslaoischen Delegierten die Meldungen aus Italien Wer die allgemeine Mobilmachung der Jugoslavcn ln Abrede. Eis teile» mit. daß das Heer, Las nach der Niederlage von Oesterreich aufgelöst war, in sehr be­schränktem Matze neu organisiert wird.

Keine Abrüstung der serbische« Armee.

Belgrad, 28. Febr. General, Misrailo Raslo, dev serbische Kriegsminister, erklärte, er könne di« Verant­wortung für die sofortige Abrüstung der serbischen Arm.ee nicht übernehmen. Unter den Soldaten seien ncch 7 Jahren Krieg bolschewistische Ideen ausgespei- chert, die bei einer Demobilisierung in das Volk ge­tragen würden mW »ine Revolution heraufbeschwören könnten, gegen di« eine Regierung ohne Arme« kein Mittel zur Verfügung hätte. Uns scheint, daß eher die gespannte Lage gegenüber Italien der Grund der Aufrechterhaltung der Armee ist, denn gerade die Ent­lassung der Leute würde u. E. dem Bolschewismus Vor­beugen.

Eine englisch-zionistische Repubtit Palästina.

London, 27. Febr. Reuter erfährt, daß die zionisti­schen Delegierten heute auf der Friedenskonferenz für die Juden das Recht forderten, Palästina als nationale Heimat der Juden wieder zu errichten, bezw. unter de» Leitung Großbritanniens als Mandatur des Völkerbun­des. Dorum hat es sich doch gehandelt. '

Dl» Bolschewisten i« der Ukraine.

London, 3. März. Reuter meldet aus Warschau unter dem 28. Februar: Die Bolschewisten beherrschen 2/s der Ukraine. Der ukrainische Oberbefehlshaber- Petlmra steht in Unterhandlungen mit dem französischen Obewcsehlshaber in Odessa wegen Hilfe gegen die Bolschewisten. Der interalliierte Ausschuß händigte Petljura die Waffenstillstandsbedingringen ein, die Lem­berg und die Oelfelder in der Hand der Polen belassen.

Vom russischen Bolschewismus.

London, 3. Mürz. (Havas.) Die Bolschewik! haben in Cpiatigorok an die hundert Geiseln erschossen, darunter den General Rnßki und den Grasen Radko Dimitriew.

Vermischte Nachrichten.

Die Franzose« im besetzten Gebiet.

Die Aufführung der Franzosen im Hanaucrland zeugt von einem geradezu krcmkhastrn Hasse. Die Leute haben ihnen doch gar nichts zuleide getan; sie sind gtz, horsam und befolgen die Befehle ihrer UnterdriM« bis miss i-Tüpselchen. Aber wer sucht, der findet! LH Franzose sucht, und er findet Beweise: Gegen die Stadt­gemeinde Kehl z. B. schwebt ein Strafverfahren in Höhe von 1,S Mill. Franken (2,4 Milk. Mark), weil sie angeb­lich Kessel des (franz.-engsi) Ga-werks Kehl verkauft und in der Holzsrage keineeinwandfreie Haltung" ge­zeigt habe. Erbärmlich ist, daß Deutschs ihre Mit­bürger bei den Franzosen anschwärzen. In Rheinbi- fchofsheim zeigte ein Hanauer einen früheren Soldaten .an, weil »r aus dem l»esetzten Nordfrankreich Sache» nach Hause geschickt haben sollte. Die Franzosen hielten Haussuchung und fairden einige Kleinigkeiten. Strafe: 20 Jahre Zuchthaus. Besonders schlimm ergeht es den Bürgern ans Bodersweier. Dort ist ein Fabrikant aus Lille Ortskommandant, der den Deutschen einen furchtbaren Hatz entgegenbringt. Die Einwohner von Bodersweier müssen ständig den Straf-Eeldbeutel in der Hand haben; sie dürfen ohne Erlaubnis nicht ein­mal die Rüben auf dem Felde holen, die sie dort in Mie­ten «ingeschlagen haben. Id« llebertretung kostet 40 bi*