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der Reise von Fulda nach Freiburg er- erlitt er kurz nach seiner Ankunft im hiesigen erzbischöflichen Palais einen Schlaganfall, dem er heute früh erlegen ist.)
München, 9. Mai. Die Verwüstungen, die der Hagelsturm vom 28. April in Obernzell bei Passau, wo die berühmten Schmelztiegel aus Thon und Grafit gemacht werden, angerichtet hat, stellt sich weit größer heraus, als man im ersten Schrecken annahm. (Gewöhnlich ist das Umgekehrte der Fall.) Es sind nämlich außer den Schäden an Straßen, Brücken und Häusern, deren 11 eingestürzt sind, auch die Felder, Wiesen und Gärten von dem Geröll, das die Wildbäche von den steilen, hohen Bergen mitbrachten, in ein Steinmeer umgewandelt, dessen Beseiti- gung vielfach unmöglich erscheint. Ein Hilsskomite sammelt für die armen Leute, die schon im Herbst vom Hochwasser arg mitgenommen wurden. Am 4. hat ein furchtbares Hagelwetter die Umgebung von Roding (im Oberpfälzer Wald) ähnlich wie die von Obernzell verwüstet; die Schlossen hatten vielfach die Größe von Hühnereiern, ihnen widerstand kein Dachziegel.
Davos, 10. Mai. Die Errichtung einer deutschen Heilstätte für minderbemittelte Lungenkranke scheint jetzt gesichert. Ein im Februar d. I. in Berlin verstorbener Arzt aus Hannover hat letztwillig als Betriebsreserve 100 000 Mk. hinterlassen. Das Davoser Heilstätten- konrite verfügt außerdem zur Stunde über ein Baukapital vou 116 000 Mk., so daß es zum Bau aus Deutschland nur noch weiterer 100000 Mk bedarf. Somit kann die Verwirklichung der deutschen Heilstätte in Davos schon als gesichert angesehen werden.
Wien, 11. Mai. Die Prinzessin Luise von Koburg wurde vom Bahnhof direkt in die Heilanstalt von Obersteiner in Döbling gebracht. Es wird versichert, daß die Prinzessin freiwillig in der Anstalt interniert wurde. Ihre finanziellen Angelegenheiten werden im Auftrag ihrer Familie durch den Advokaten Dr. Neuda geordnet und zahlt die Familie, sowie der König von Belgien ihre sämtlichen Verpflichtungen. Es verlautet, daß die Prinzessin unter Kuratel gestellt und der Präsident der Wiener Advokatenkammer ihr Kurator werden wird. Herzog Alfred von Sachsen-Coburg-Gotha wird die Scheidung der Ehe aussprechen. Graf Keglevich, der ehemalige Adjutant des Prinzen Philipp von Coburg, welcher die Prinzessin auf ihren Reisen begleitete, wurde verhaftet.
— Aus Pest, 10. Mai meldet man der Frks. Ztg.: Abends spielte sich vor der Wohnung der Prinzessin Chimay eine aufregende Szene ab. Johann Rigo, der in Begleitung der Prinzessin aus seiner Wohnung kommend, auf der Straße erschien, wurde von seiner angetrauten Frau, einer Zigeunerin, erwartet und weidlich durchgeprügelt.
Aus Oesterreich, 9. Mai. Aus Bielitz in Oesterreich-Schlesien berichtet die „N. F. Pr.", daß ein dortiger Fabrikbesitzer am 2. Mai früh eine Auerhahn- Doublette geschossen habe. In dem Augenblick, als der Schuß den balzenden Hahn vom Aste herunterbrachte, ließ sich ein zweiter Hahn auf dem nämlichen Aste nieder und wurde unmittelbar darauf
zur Beute des glücklichen Jägers. Eine Auerhahn-Doublette gehört zu den allerseltensten Ereignissen wes Jagdlebens. Gilt doch gerade der Auerhahn als dasjenige Thier, welches die allergrößte Vorsicht im Umgang mit Pulver und Blei anwendet.
Mailand, 11. Mai. Die Situation ist andauernd Hochernst. Es wird fortgesetzt gekämpft. Die Aufständischen halten noch immer alle Bahnhöfe besetzt. Trotzdem man Kanonen in Anwendung bringt, entstehen fortwährend Barrikaden. Einige hundert aus Padua und Bologna eingetroffene Studenten lieferten an der Porta Venezia dem Militär eine förmliche Schlacht, wobei 21 Studenten den Tod fanden. Da die Umgebung der Stadt ebenfalls in vollem Aufruhr ist, wird heute die Verhängung des Belagerungszustandes über die ganze Lombardei pub- lizirt werden. Man schätzt die Zahl der Todten auf über tausend, die Zahl der Verwundeten aus über dreitausend. Die Turiner Ausstellung wurde von dem Pöbel in Brand zu stecken versucht.
Mailand, 11. Mai. Die hiesige Garnison beträgt jetzt etwa 20,000 Mann. ^ Die Truppen schossen auf jede Ansamm-,' lung von 3 Personen. Am Sonnabend^ sollen es 100 bis 200 Todte, am Sonntag noch mehr, die meisten aber am Montag § gewesen sein. Verwundet sind viele Hun-' derte von Personen. Das Militär nahm etwa 300 Personen gefangen.
Lugano, 10. Mai. Die Bauern haben sich mit Heugabeln bewaffnet und sind nach Mailand gezogen, um die aufständischen Eisenbahnarbeiter zu unter- stützen.
Pisa, 10. Mai. In Pontevedro fanden gestern wiederum Kundgebungen statt. Die Truppen wurden angegriffen und erwiderten mit Gewehrschüssen. Drei Personen wurden getödtet, drei weitere schwer verwundet.
Venedig, 10. Mai. Der Stadt-! rath beabsichtigt, die Abgaben auf Mehl! teilweise aufzuheben, die Brodpreise sind in Folge dessen erheblich gesunken. Die ganze Garnison, sowie Mannschaften der Kriegsschiffe sind in Bereitschaft. 23 Sozialistenführer wurden verhaftet. In Padua wurde die Universität geschlossen.
Madrid, 12. Mai. Eine Feuers- brnnst zerstörte eine Mehlfabrik und vernichtete 4000 Sack Mehl und 6000 Hektoliter Weizen, was in der jetzigen Zeit der Brodtheuerung als ein wirthschaftli- sches Unglück zu betrachten ist.
— Die innere Lage Spaniens hat sich immerhin noch nicht gebessert. Die Lebensmittelfrage verursacht in Madrid Besorgnisse. Der Getreidevorrat soll nach Ablauf eines Monats zu Ende gehen. Es sind Maßnahmen getroffen, um Getreide im Ausland aufzukaufen.
New - Aork, 11. Mai. Graf Costina, das Haupt der hiesigen Karlisten, erklärte vor seiner Abreise nach Europa dem Berichterstatter der „Fkf. Ztg.", daß die Thronbesteigung des Prätendenten Don Carlos sicher sei. Er habe russische und: französische Unterstützung. In den nächsten Tagen würden alle amerikanischen Kar- ^ listen die Rückreise antreten. Kostina sagt, Don Carlos werde einen ehrenvollen ^ Frieden mit Amerika abschließen. Falls aber die Fortsetzung des Krieges nötig wäre, habe Don Carlos immense Mittel zur Disposition.
Vermischtes
— Wie die „Barmer Ztg." aus zu- verlässiger Quelle erfährt, ist jetzt die Ausführung des vielerörterten Zepp elin'- schen Luftschiffes gesichert. Das Blatt teilt mit, am 9. Mai ds. Js. wird in Stuttgart die Gründung einer Aktiengesellschaft „Gesellschaft zur Förderung der Luftschiffahrt" stattfinden, die auf der Grundlage eines bereits gezeichneten Grundkapitals von 800000 Mk. zunächst die Verwirklichung des Zeppelinschen Projektes in die Hand nehmen werde. Die verhältnismäßig günstigen Ergebnisse, welche die Versuche mit dem Schwarz'- schen Aluminiumschiff auf dem Tempelhofer Felde bei Berlin bei der kgl. Luftschiffe^ abteilung im Nov. v. I. zeitigten, haben dem Projekt des Grafen v. Zeppelin zur wesentlichen Förderung gedient. Ein Aufruf, der einerseits auf diese Ergebnisse, andererseits auf die gegenüber dem Schwarz'schen Luftschiff nicht zu verkennenden Vorzüge des Zeppelin'schen Projekts hinwies, hatte zur Folge, daß eine Anzahl hervorragender deutscher Industrieller auf das wärmste für das Unternehmen interessiert wurde und dem Plan einer für dasselbe zu gründenden Aktiengesellschaft beitrat. Bedeutsam für die Ausführung des Unternehmens war der Beitritt des Kommerzienrats Karl Berg in Lüdenscheid, der das Schwarz'sche Luftschiff erbaut hat und schon zu Lebzeiten des jetzt verstorbenen Agramer Ingenieurs Miteigentümer aller in jenem Projekt verwerteten Erfindungen war Dadurch ist es ermöglicht, daß auch die praktischen Neuerungen des Scbwarz'schen Aluminiumlustschiffes und die sich ans denselben ergebenden Erfahrungen ihre Verwertung bei dem Zeppelin'schen Projekt finden. Das erste Zeppelin'sche Luftfahrzeug wird nach Gründung der Generalversammlung der Aktiengesellschaft in Stuttgart so bald wie möglich gebaut werden, öie ersten Versuchsfahrten sollen, wie das Blatt vernimmt, auf dem Bodensee und um ganz gefahrlos zu bleiben, in mäßiger Höhe über dem Wasserspiegel stattfinden.
— Mit Schulwandtafeln aus Linoleum soll nächster Zeit in Berlin ein Versuch gemacht werden. Während es sich auf diesen grün gefärbten Tafeln ebenso leicht mit Kreide schreibt, wie auf Holz, haben sie den großen Vorzug, daß sie völlig stumpf sind, das Lesen des an die Tafel Geschriebenen also nicht durch die Blendung der blanken Tafel beeinträchtigt wird. Selbstverständlich lassen sich auch die Kreidestriche vom Linoleum völlig glatt abwischen, ohne Risse im Material zu hinterlaffen. Nachpolieren, Abschleifen oder Nachstreichen ist ebenfalls unnötig, dürfte die Schuljugend weniger interessieren, als die geplagten Schullehrer oder in größeren Schulanstalten die Diener.
(Schornsteinfeger und Schul- meister.)Der Posten des Orts-Schornsteinfegers war in dem Orte Poschiavo im Engadin vor wenigen Tagen ausgeschrieben. Der Gehalt für dieses Amt beträgt jährlich 800 Franken und steigt später um ein Geringes. Nach dem Bericht mehrerer italienischer Zeitungen nun haben sich unter den Bewerbern nicht weniger als drei Schullehrer der benachbarten italienischen Dörfer gefunden, die alle ihre Dienste als