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die Mittel zur Verfügung, die von Kennern auf über 20000 Mk taxirte Sammlung für das Osnabrücker Museum zu erwerben und sie somit der engeren Heimat zu erhalten.
Köln, 29. Nov. In der verflossenen Nacht herrschte am ganzen Mittelrhein, von Köln bis oberhalb Worms, ein heftiges Gewitter, verbunden mit starkem Regem und Hagelschlag. Bei Oberspay ist ein holländisches Schiff gesunken. Unweit davon stürzte ein Matrose von dem mit Glatteis bedeckten Verdeck eines Schiffes in den Rhein und ertrank. In Bingen riß sich ein der Mainzer Schleppschiffahrts- Gesellschast gehöriges Fahrzeug los und sank. Der für die Schiffahrt maßgebende Pegel bei Kaub zeigt noch einen Wasser- stand von 1 Meter 30 Cm. unter dem für die Schiffahrt nötigen Wasser. Die Dampfer der Schiffsgesellschaft Egau haben die Fahrten nach Mannheim eingestellt.
Berlin, 30. Nov. Der Reichstag wurde heute durch eine Thronrede des Kaisers eröffnet. Präsident Buol heißt die Abgeordneten willkommen und verliest die Eingänge. Dies sind die Marinevorlage nebst Begründung des Etats, die Militärstrafprozeßordnung und kleinere Vorlagen. Anwesend waren 147 Mitglieder.
Berlin, 24. Nov. Die „Nationalzeitung" erfährt jetzt mit größerer Bestimmtheit, daß Prinz Heinrich die eine ostasiatische Kreuzerdivision kommandieren werde. Der Chef des ganzen Geschwaders bleibe Kontreadmiral Diederichs. — Die Kriegsschiffe „Deutschland" und „Gefion" gehen voraussichtlich am 10. Dezember von Kiel nach China ab.
— Nach der „Nat.-Ztg." werden die Postreform-Vorschläge, mit denen Herr v. Podbielski vor den Reichstag treten will, die Herabsetzung des Portos von Postanweisungen kleinern Betrages, die Erhöhung der Gewichtsgrenze für einfache Briefe auf 20 Gramm und die Einführung des Fünfpfennig Portos für den Ortsbriefverkehr betreffen und mit einem rechnungsmäßigen Einnahme-Ausfall vrn 11 Millionen verbunden sein.
— Vergangenen Samstag wurde die letzte Nummer des „Kladderadatsch" konfisziert. (Der „Kladderadatsch" hatte die letzte Kaiserrede gelegentlich der Vereidigung der Garderekruten, in welcher es u. a. hieß, daß schlechte Christen auch schlechte Soldaten seien, mit Hinweis auf Friedrich den Großen, Napoleon, Alexander den Großen, LeonidaS rr. glossiert und illustriert). (Bd. Pr.)
Wien, 28. Nov. Vor dem Reichsrats- gebände fanden im Laufe des Vormittags unausgesetzt Demonstrationen statt. An 50000 Menschen füllten die Ringstraße von der Universität bis zum äußeren Thor der Hofburg. Zuerst griff die be- rittene Sicherheitswache mit blanker Waffe ein, und, als diese nichts ausrichten konnte, traten Husaren in Thätigkeit und säuberten in scharfer Attacke mit blanker Waffe die Straße. Es fanden zahlreiche Verwundungen statt. Die Rettungsgesellschaft entsandte 3 Ambulanzen. Vor dem Landgericht für Strafsachen demonstrierte eine sich auf etwa 10 000 Mann belaufende Volksmenge zu Gunsten des Abg. Wolf. Berittene Sicherheitswachen zersprengten die Menge mit blanker Klinge. L Personen sollen schwer verletzt worden
sein, eine derselben soll mit zerspaltenem Schädel in einem Kaffeehause liegen.
Wien, 28. Nov. Der Kaiser nahm die vom Ministerpräsidenten Grafen Ba- deni unterbreitete Demission des Gesamtkabinets an und betraute den bisherigen Unterrichtsminister Freiherrn Gautsch a. Frankcnthurn mit der Neubildung des Kabinets.
— Der Sturz des verhaßten Kabinets Badeni hat ganz Deutsch-Oesterreich mit ungeheurem Jubel erfüllt, da es öen endlichen Sieg der deutschen Sache nach Zeiten entsetzlichster parlamentarischerVer- wirrnng und Gesetzlosigkeit, rücksichtsloser slavisch-czechischer Brutalität und verzweifelter Abwehr und Aufopferung der deutschen Abgeordneten in sich zu bergen scheint.
London, 30. Nov. Seit gestern wütet an der Ost- und Westküste Englands ein heftiger Sturm. An der Küste von Norfolk sind 7 Schiffe mit der gesamten Mannschaft nntergegangen. An Bord des einen Schiffes befanden sich 11 Personen. An der Küste von Cornwallis ist ein Dampfer mit der Mannschaft gesunken.
New-Jork, 25. Nov. Das auch in Deutschland bekannt gewordene, überaus rohe Fußballspiel hat in der letzten Zeit in den Vereinigten Staaten so zahlreiche Opfer gefordert, daß die öffentliche Meinung sich mehr und mehr gegen diesen, besonders in Stndentenkreisen lebhaft betriebenen „Sport" wenden. Obwohl die „Fußball-Saison" erst wenige Wochen im Gange ist, haben bereits drei blühende Menschen in dem Spiel ihr Leben eingebüßt, und 26 bis 30 sind für alle Zeit zu Krüppeln geworden. Die Zahl zerbrochener Gliedmaßen, Nasen,- Schlüsselund Brustbeine sowie Hüftknochen geht ins unendliche. In Atlanta, der Hauptstadt von Georgia, nahm ein Fußballspiel einen so üblen Ausgang, daß die gesetz- gebende Körperschaft dieses Staates am 8. November mit 91 gegen 3 Stimmen einen Gesetzentwurf annahm, wonach Fußballspiele im ganzen Staate verboten sein sollen. Die Uebertretnnz dieses Verbots soll mit 1000 Dollar Geldbuße oder einjähriger Gefängnishaft bestraft werden.
L o A cr L e s.
):( Wildbad, 1. Dezbr. Gestern Abend fand die Uebergabe der dem hiesigen Kriegervereine von S.M. dem König verliehenen Erinnerungsmedaille auf dein Rathaus statt. Herr Stadtschultheiß Bätzner hielt als Obmann der Kriegervereine des Bezirks eine feierliche Ansprache an die Mitglieder des Vereins und heftete die Bänder mit der Medaille an die Vereinsfahne. Die Medaille ist oval, zeigt ans der einen Seite den Reichsadler, auf der andern das württ. Wappen in sehr schöner Prägung. Unmittelbar darauf war Bankett in dem geschmackvoll dekorir- ten Saale des Gasthofs z. „Ochsen",zu dem sich der,, Militärverein", der„Liederkranz", sowie die bürgerl. Collegien und zahlreiche sonstige Gäste eingefunden hatten, um den Veteranen ihre dankbare Anhänglichkeit zu zeigen. Herr Stadtschultheiß Bätzner hieß die Versammlung herzlich willkommen, erinnerte an die Pflichten, die wir alle unserem König, Kaiser und Reich schuldig seien und schloß mit einem Hoch auf König und Kaiser. Hr. Baron v. Süßkind dankte im Namen des Mi
litärvereins für die kameradschaftliche Einladung zu diesem Ehrentag des Kriegervereins, dessen Freude auch der Militärverein teile, der fast vollzählig erschienen sei. Der „Liederkranz" trug viel zur Erheiterung des 'Abends bei durch zahlreiche Vorträge, die durchweg prächtig gesungen und mit stürmischem Beifall ausgenommen wurden. Die Fenerwehr- kapelle hatte sich ebenfalls eingefnnden und erfreute die Anwesenden durch ihre fröhlichen Weisen. Hr. Lehrer Monn sang den „Trompeter an der Katzbach" und Hr. Stadtschultheiß Bätzner sah sich veranlaßt, allen denen, die sich bemüht hatten, den Abend so heiter zu gestatten von Herzen im Namen des Kriegervereins zu danken, dem dieses schönen Tages gewiß noch lange gedenken werde.
Vermischtes.
— Einen milden Winter prophezeit, im Gegensatz zu Falb und Ha- benicht, der englische Astronom Max Dowat, der aus dem Vorhandensein von zahlreichen Sonnenfleckeu einen solchen für West-Europa herleitet. Falb prophezeit: „Für die nächsten Tage sind bei verhältnismäßig hoher Temperatur leichte trockene Schneefälle zu erwarten, für das erste Drittel des Dezember ist in Mittel- und Süddeutschland strenge trockene Kälte wahrscheinlich. Der 9. Dezember ist ein kritischer Tag dritter Ordnung.
— Ein unangenehmes Erlebnis hatte die Gattin eines Kaufmanns, die aus Stuttgart nach Berlin fuhr. Ans der Reise zwischen Weimar und Erfurt bemerkte sie unter der Bank ihres Konpees einen in ein Tuch eingewickelten harten Gegenstand; sie machte den Schaffner darauf aufmerksam, welcher ihr einfach erklärte, das sei ein toter Mann, welcher durch seine Unvorsichtigkeit unterwegs von der Maschine erfaßt und getötet wurde (der Leichnam war buchstäblich in zwei Hälften geteilt.) Man hatte ihn, da kein anderes leeres Koupee vorhanden, hier untergebracht. Die Dame war darüber so erschrocken, daß sie in Ohnmacht fiel, und lange währte es, bis sie sich erholte.
— Eine Stradivari-Geige ans dem Jahre 1718 wurde durch Zufall hier in Nordhausen entdeckt. Ein junger Kauf- mann erstand eine alte ramponirte Geige, die mit Zithersaiten bezogen war, von einem Dorfmusikanten stammte und schon längere Zeit im Schaufenster eines hiesigen Althändlers ausgelegen hatte, für 12 M. Bei der Reparatur fand sich der Stempel „8trnäivariu8 kaeit 1718". Sachverstän- dige bekunden den Ton des restaurirten Instruments als einen ganz hervorragen, den und die Echtheit als Stradivari. Der Wert der Geige, welche somit aus den besten Zeiten des Meisters stammt, wird auf 6000 Mk beziffert.
— Von der Unverschämtheit eines „armen Reisenden" erzählt das „Hannov. Tagebl.": In einem hiesigen Herrschafts- Hause erschien Freitag Nachmittag ein armer Reisender, der um eine kleine Gabe ansprach. Die Köchin verweigerte die gewünschte klingende Münze, bot dem Manne aber einen Teller des soeben fertigen Mittagessens an, was dieser bereitwilligst annahm. Während die Herrschaften im Speisezimmer aßen und die Köchin voll- auf in der Küche zu thun hatte, saß der