Amtsblatt für die Stadt Wil'öbad- Meral- Anzeiger für Uildbsd und Umgebung.

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Wr. 72.

Donnerstag, 1. Juki 1897.

33.Iahrgang

Württemberg.

Stuttgart, 26. Juni. Die für Stuttgart in Aussicht genommene Grün­dung einer Volksbibliothek mit Lesehalle, hauptsächlich für die unteren VolkSklassen bestimmt, kann als gesichert gelten und wird voraussichtlich noch in diesem Herbst dem Publikum zugänglich gemacht werden. Die Bibliothek wird mit einem Bestände von ca. 3000 Bänden (hauptsächlich gute, populäre Unterhaltnngsschriften) eröffnet werden können. Als Leihgebühr sollen pro Woche und Band etwa 2 Pfg, in Anrechnung gebracht werden. In der täglich während der Abendstunden geöff­neten Lesehalle sollen auch alle in Stutt­gart erscheinenden Tagesblätter aufgelegt werden. Aehnliche Einrichtungen haben sich in andern größeren Städten eines großen Zuspruchs zu erfreuen; darum wird wohl auch hier die Eröffnung dieser Bibliothek seitens der beteiligten Kreise gewiß mit Freuden begrüßt werden,

Tübingen, 26. Juni. (Schwur- gericht.s Wegen Körperverletzung mit nachgefolgtem Tod wurde mit 2 Jahren Gefängnis bestraft der 18 Jahre alte Ziegelarbeiter Kehrer von hier.

Ulm, 25. Juni. Die hiesigen Metz- gcr sind in großer Erregung, da samt- lichen militärischen Fleischlieferanten von den hiesigen Truppenteilen auf 1, Mai 1898 die Lieferungsverträge gekündigt worden sind. Es soll nämlich wie bereits in 134 norddeutschen Garnisonen künftig auch in Württemberg an jeder Garnison die gesamte Lieferung von Fleisch an ei­nen einzelnen Großunternehmer vergeben werden. Auch für andere Lebensmittel sei eine derartige Konzentration des Bezuges geplant und zwar wird alles vom Korpskommando in Stuttgart aus vergeben, Tie einzelnen Truppenteile haben mit den Verpflegnngslieferungen gar nichts mehr zu thun. Die Menage- komissionen würden ganz wegfallen. Diese Aendernng wäre ein großer Schlag für den gewerblichen Mittelstand der Gar- nisonsstädtc, wo sich bisher die einzelnen Gewerbetreibenden in die Militärliefer­ungen teilten. Nur das Großkapital und das Großunternehmertnm würde den Nutzen.davon haben. Die hiesigen Metz­ger befürchten, es könne hier von einem Großunternehmer eine große Schläch­terei und Wursterei für das Militär er­richtet werden, wodurch viele kleine und mittlere Existenzen schwer geschädigt wür­den.

Der Neckar soll von Heilbronn ans wieder mit Dampfern befahren wer- den. Es hat sich vorgestern die Aktien­gesellschaft für Dampfschiffahrt ans dem Neckar für Personen» und Eilgüter-Trans- port in Heilbronn mit einem Aktien­kapital von 200,000 Mk. konstituiert. Das Kapital ist nahezu vollständig auf­gebracht, so daß für das nächste Jahr dieser Betrieb als sicher in Aussicht zu nehmen ist.

Münsingen. Wie Apotheken ün Werte steigen, beweist der kürzliche Ver­kauf der hies. Apotheke. Im Jahre 1796 verkaufte sie der Besitzer Hummel alt um 6000 fl. (10 500 Mk.) an Hnmmel jung, dieser veräußerte sie 1801 an Apo­theker Wullen. Von diesem Kauf ist der Preis nicht bekannt. Dagegen bezahlte der Sohn Wullen seiner Mutter im Jahre 1836 hierfür 13 000 fl. (22 750 Mk.). Nun folgt nach verhältnismäßig kurzer Zeit eine wesentliche Preissteigerung, indem sie W. i. I. 1846 an Apotheker Baur verkaufte um 42 000 fl. (73 500 Mk.), aber wegen Nichterfüllung des Ver­trags 1852 wieder zurücknahm und dann i. I. 1856 um diesen Preis an Fried­lein veräußerte. Dieser erlöste im Jahr 1865 von Alber 46 500 fl. (81 375 M.), worauf sie 1884 an Fischer überging um 101000 M. Letzterer erlöste dann schon 1892 165 000 M. und jetzt nach 5 Jahren werden von Apoth. H äberle von Göppingen 175 000 M. bezahlt. Also 1796 war der Kaufpreis 10 500 M., 1897 dagegen 175 000 M. Münsingen auf der württemb. Alb hat etwa 1700 Einwohner.

Rundschau

Karlsruhe, 28. Juni. Infolge der großen Hitze sind am Samstag nachmittag 23 Stück von auswärts nnt der B'hn im Schlachthaus hier angekommene, für einen Metzgcrmeister bestimmte Schweine im Wert von über 2500 Mk. umgestanden und dem Wascnmeister übergeben worden.

Aus Wöris Hofen schreibt man derAllg. Z.": Nach dem Tode Kneipps ist es die Nachfolgefrage, die neben der mit ihr so innig zusammenhängenden Sorge um die Zukunft Wörishofeus die Gemüter hier lebhaft beschäftigt. Sie bietet erhebliche Schwierigkeiten, die ihren Grund in einem gewissen, vorwiegend persönlichen Gegensatz zwischen vr. Baum­garten, der den Verstorbenen in seiner letzten Lebenszeit behandelte, und dem eigentlichen" Nachfolger Kneipps, dem

Prior der barmherzigen Brüder, Reille, haben. Letzterem Orden sind urkundlich die hiesigen Kuranstalten übertragen, und Prior Reille hat unter ärztlicher Assistenz des Dr. Mahr deren Leitung inne, die er nach Kneipps Vorbild führt. Aus diesem Verhältnis hat sich eine Konkur­renz ergeben, die schon in den letzten Jahren latente Differenzen im Gefolge hatte. Man fürchtet nun, daß jetzt nach Kneipps Tode der Widerstreit offen aus­brechen könnte. Dr. Baumgarten ist ein wissenschaftlich geschulter, sehr gebildeter Mann, welcher verschiedene Sprachen spricht, und hier hauptsächlich die Frem­den anzieht. Als gewandter Redner hat er schon während der Krankheit Kneipps und erst recht jetzt dessen Vorträge fort- ! geführt oder vielmehr sie in das Nord- -! deutsche und Akademische übersetzt. Er hält, wie er sagt, das Kneippverfahren keineswegs nur für sehr einträglich, son­dern auch wirklich für gut und segensreich. Aber es müssezünftig" gehandhabt werden, nicht laienhaft. Darum habe er einen jahrelangen Kampf geführt; er werde ihn fortsetzen und schließlich auch siegen. Die Krisis in Wörishofen wird zunächst eine wirtschaftliche sein. ES ist hier auf den Namen Kneipp sehr viel gesündigt, spekulirt, in die Luft gebaut 'worden. Eine ganze Anzahl von Villen ist entstanden, deren reizendes Aeußere nur schwach die innerlich lastenden Hypo­theken verbirgt. Nun ist, trotz der 2000 l Fremden, in der Frequenz doch ein er­heblicher Rückgang zu verzeichnen im ^ Vorjahr waren es 3000. Die Krankheit und der Tod Kneipps haben auf Wöris- ! Hofen gewirkt wie eine schlimme politische ^age auf die Börse. Diejenigen, welche ;auf guten Grund gebaut haben, die älte­ren Villenbesitzer, die ihr Schäfchen nach ;dem Goldregen der letzten Jahre im , Trocknen haben, können die Sache ab- ; warten, einen Ausfall tragen und ruhig auf die Zukunft vertrauen. Wer aber auf Sand gebaut hat, wird bald ins Purzeln kommen. Schon jetzt kann man Villen, für die im Vorjahr 18000 Mk. verlangt wurden, für 14 000, ja für 12 000 Mk. haben. Aber Kauflust ist leider wenig vorhanden und von halb ;vder ganz leerstehenden Häusern kann man keine Schnldenzinse zahlen. Nach der früher übertriebenen Hausse ist jetz jedenfalls eine übertriebene Baisse einge­treten. In einigen Monaren wird sich wohl eine mittlere Linie Herstellen. Bis