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Heilbronn, 17. Juli. Vor der Strafkammer des kgl. Landgerichts hier, fand gestern die Verhandlung gegen die Fabrikarbeiters-Ehefrau Bauer und deren Tochter Luise wegen Kuppelei statt. Die Mutter wurde zu der Zuchthausstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten, sowie zum Ver­lust der Ehrenrechte auf die Dauer von 5 Jahren verurteilt. Die Tochter wurde freigesprochen.

Freuden stadt. Die heurige Frequenz übersteigt diejenige des Vorjahrs und wir haben eine sehr gute Saison zu gewär­tigen Als eine zeitgemäße Neuerung er­scheint Heuer erstmals im Verlag der L. Kaupertschen Buchdruckerei ein eigenes Organ für das Kurwesen, dasFremden­blatt von Freudenstadt" mit wöchentl. Kurliste und sonstiger: Kurnotizen. Der neue offizielleFührer" durch Freuden­stadt leistet als zuverlässiger Wegweiser durch Stadt und Umgebung erwünschte Dienste.

Tuttlingen, 19. Juli. Oberamts­wundarzt Dr. Teufel-Cousin von hier hat in Gemeinschaft mit einem Kollegen das in nächster Nähe Baden-Badens gelegene Sanatorium Annaberg käuflich erworben. Der Kurort kann bei den neuesten Ein­richtungen ca. 5060 Leidende aufnehmen; zugleich wird eine zum Anwesen gehörige > Villa als Kinderheilanstalt eingerichtet.' Tie Eröffnung erfolgt im Laufe dieses Monats. §

Gerabronn, 18. Juli. Heute früh 5 Uhr wurde der Maurer Köhnlechner vom nahen Billingsbach auf dem Weg nach Sigisweiler, während er vor dem heftigen Gewitter unter einem Baume Schutz suchte, durch einen Blitzschlag ge­tötet. Derselbe hinterläßt eine Witwe und 8 Kinder, wovon das jüngste erst 3 Wochen alt ist..

Rundschau.

Pforzheim, 18. Juli. In den Stadtverordnetenvorstand ist zum ersten Male nun auch ein Sozialist gewählt worden; Obmann des Vorstandes ist Fabrikant und Landtagsabgeordneter G e- sell(ntl.), Bankdirektor Kayser vermochte nicht durchzudringen als Obmann-Stell­vertreter, dieser Posten verbleibt vielmehr Herrn Hermann Becker.

Pforzheim, 17. Juli. Von hier wird berichtet: Die hiesigen Sozialdemo­kraten haben sich bekanntlich mit den strei­kenden Brauern in Karlsruhe solidarisch erklärt und über alle Wirtschaften am Platze, welche Karlsruher Bier rühren, den Boykott verhängt. In großen In­seraten und in Maueranschlägen wurden dieArbeiter und Bürger" aufgefordert, kein Karlsruher Bier mehr zu trinken: aber nach dem Verkehr in den boykot- tirten Wirtschaften zu schließen, scheinen Bürger und Arbeiter" mehr ihrem Ge­schmack und der Gewohnheit als den sozial­demokratischen Partcilcitern Rechnung zu tragen. Der hiesige Boykott bricht den Karlsruher Brauereien das Genick sicher nicht. Diese Ansicht stimmt mit einer Korrespondenz des soz.Volksfr." überein, in der gefragt wird, wie es komme, daß jetzt mehr Eglau-Bier aus Durlach nach Pforzheim gesandt wird, als vor dem Boykott.

Pforzheim, 17. Juli. Herr Seeger zumRatskeller" hier zieht nächsten Mo­nat nach Ludwigsburg, um dort eine von ihm erworbene Weinwirtschaft zu betreiben.

Die Brauereibesitzer des ba­

dischen Landes haben beschlossen, sich an der Feier des 70. Geburtstages des Groß­herzogs durch Stiftung eines Humpens im Wert von 40000 zu beteiligen. Ueber- haupt nehmen die Gaben und Stiftungen für jenen Freudentag einen bedeutenden Umfang an.

München, 17. Juli. Ein gräßliches Familien-Drama Ereignete sich heute Nacht gegen 10'/r Uhr. Ein dem Arbeiterftande ungehöriger Mann war unerwartet nach Hause zurückgekehrt und traf seine Frau mit dem Zimmerherrn zusammen an. Von grenzenloser Wuth erfaßt, griff der betrogene Ehemann zum Messer und schlachtete seine Frau förmlich ab. Der Zimmerherr, welcher sich zur Wehr setzte, erhielt ebenfalls zwei lebensgefährliche Stiche. Der Mann ergriff hierauf die Flucht. Man glaubt, daß er sich ein Leid ongethan hat. Die beiden Schwer­verletzten dürften kaum mit dem Leben davon kommen.

München, 18. Juli. Nach Blätter­meldungen ging über die Gegend von Pfaffenhofen ein furchtbares Hagelwetter nieder, das außerordentlichen Schaden anrichtete. Tausende von Dachziegeln wurden heruntergeschlagen, alle Fenster an der Nord- und Westseite wurden zer­schmettert.

Gießen, 17. Juli. Am Ludolfsfeld wurde der Forstmeister Klippert (in der Nähe des Rothaargebirges stationiert) in seiner Wohnung des Nachts von einem Wilderer überfallen und erschossen. Die Ehefrau und das Dienstmädchen wurden schwer verletzt. Es liegt ein Racheakt vor. Der Mörder ist entkommen.

Berlin, 18. Juli. Wie wir erfahren, wird für die Erhöhung der Beamten- und Offiziersgehälter im Reiche ungefähr eine Summe von 12 Millionen Mark er­forderlich sein.

Dr. Bumiller, Wißmann's lang­jähriger Reisegefährte, befindet sich gegen­wärtig im Aufträge des Kaisers auf der Insel Kreta, um die dortige Lage zu studieren und einen unparteiischen Bericht darüber zu erstatten.

Noch nie in ihremLeben auf der Eisenbahn gefahren war eine ältere Frau, welche dieser Tage von dem Porzellanhändler Böttcher in Potsdam mit Geschirr nach Neubabelsberg geschickt wurde. Im Coupee bekam sie eine der­artige Furcht, daß sie wiederholt betend zur Erde stürzte, laut aufkreischte, wenn ein Zug vorüberfuhr und es Vorzug, den Heimweg lieber zu Fuß zurückzulegen. ..Einmal und nicht wieder!" so erklärte sie ihrem Auftraggeber.

Flensburg, 17. Juli. Die erste Straf- kammer verurteilte heute den Hufner Jes- pen aus Busdorf, welcher als Verwalter der Sparkasse in Hadely 20000 M. unter­schlagen und Bücher gefälscht hatte, zu 5 Jahren Gefängnis.

Königsberg, 17. Juli. Seine Ma­jestät der Kaiser hatte den General Gra­sen Lehndorf mit seiner Vertretung bei der gestrigen Taufe des Enkels des Für- sten Bismark beauftragt.

Budapest, 15. Juli. Die Verlobung des Herzogs Philipp von Orleans mit der Erzherzogin Marie Dorethea, der Tochter des Erzherzogs Joseph, wurde heute offiziell bestätigt.

Paris, 17. Juli. Sämtliche Blätter stellen fest, daß das Attentat auf den Prä­sidenten der Republik keine politische Trag­weite besitzt, sondern wesentlich das Werk

eines Verrückten ist. Als die beiden Schüsse abgefeuert wurden, wußte Prä­sident Faure nicht einmal, um was es sich handle.

Petersburg, 17. Juli. Über den Empfang der Offiziere der deutschen Schul­schiffeStosch" undStein" bei dem russischen Kaiserpaar in Peterhof sind noch folgende Einzelheiten zu melden: Der Kaiser ließ die Offiziere, Seekadetten und Kadetten am Bahnhofe in Hofgala­wagen abholen und dieselben dann zu­nächst durch den Park von Peterhof fahren, in welchem auf Befehl des Kaisers sämt­liche Wasserwerke in Thätigkeit gesetzt waren. Nach Besichtigung der kaiserlichen Schlösser und historischen Denkwürdigkeiten wurde den Gästen des Kaisers im Ale­xander-Palais ein Frühstück servirt. Nach demselben empfingen der Kaiser und die Kaiserin die befohlenen Offiziere und Kadetten in huldvollster Weise. Sie zogen jeden einzelnen in ein Gespräch, in dem sie sich bei dem Kommandanten eingehend nach der Ausbildung und Erziehnng der Kadetten erkundigten, von denen ihnen erzählt worden sei, daß sie überall, wo sie in der Öffentlichkeit erschienen seien, einen mustergiltigen Eindruck hervorgeru­fen hätten. Im gleichen Sinne hätten sich die Marine-Autoritäten in Petersburg über die Besatzung der Schiffe und ihren Aufenthalt in Petersburg geäußert.

Neapel, 16. Juli. Der Vesuv ist in voller Thätigkeit. Der Kegel bildet ein Flammenmeer. Die Fahrten der Drahtseilbahn sind eingestellt. Die Lava strömt in großen Mengen heraus.

London. 17. Juli. Die Fahrrad­fabrik von Huber u. Co. in Coventry ist heute früh vollständig abgebrannt. In der Fabrik befanden sich nahezu 4000 Fahrräder. Mehrere benachbarte Häuser sind ebenfalls abgebrannt. Der Schaden wird auf mindestens 80,000 Pfund ge­schätzt. 600 Personen sind arbeitslos.

Havanna, 17. Juli. Die Aufstän- dischen verursachten in der Nähe von Sagua die Entgleisung eines Güterzugs, welcher vollständig zertrümmert wurde. Der Lokomotivführer wurde getötet, 2 Heizer verwundet.

Japan hat gegenwärtig eine schwere Hungersnot dnrchzumachen. Die wichtigste Nährsrucht, der Reis, ist im ganzen Lande mißraten und die Speku­lation hat die Preise noch so hoch als möglich Hinaufgetrieben. Diese Notlage hat zum Masse »verkauf von japanischen Mädchen geführt. Jedes Opfer für die Eltern zu bringen, um sie vor Entbehrung zu bewahren, ist in Japan etwas Selbst­verständliches, und die Regierung, die sich gegen den wachsenden Notstand, wie der Mg. Korr." berichtet wird, erst unbe­greiflich langsam aufgerafft hat, erteilt jetzt armen Eltern die Erlaubnis, ihre Töchrer zu verkaufen, um Brot ins Haus zu schaffen. Das Mädchen verkauft sich als zweite Frau an einen reichen Ja­paner. Ihr Minimal-Alter muß 12 Jahre betragen. Der Kaufpreis, unter gewöhn­lichen Verhältnissen 800 Mk., ist jetzt nur 20 Mk. Der Kaufvertrag wird ge­richtlich abgeschlossen. Dann trägt der ! Käufer alles Geld, das er aus das Mädchen verwendet, in ein Buch ein, wo­rin ihr auch genau ihre Pflichten mit­geteilt werden. Nach 3 Jahren muß der Käufer das Mädchen freilasfen, sobald das Geld, das er für dasselbe verwendet hat, ihm zurückgezahlt ist.