Nr. 4.
Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.
94. Jahrgang.
E rschet irnnHSw,ise: 6 mal wöchentlich. Anzeigenpreis: Di« klein pattige Zeile 1L Psa», Reklameu r» Vfa. Hchiuft der Anzeigenannahme 9 Uhr vor» m ttng-. fserusurecher O.
Dienste den 7. Januar ISIS.
Bezugspreis.- In der Stobt mit DeSgerlohn Mt. SW vicrleljiihriich, PvstdezugSpreiL im Orts» und Machbarortsnerlehr Mt. «.1L, tm Fanvcrkchr _ LU. L.W, Bestellgeld in Württemberg SV Pfg.
L^^erkrieg in Berlin.
Die Wahlen in Baden.
E»Aas Ergebnis der badischen Wahlen.
Karlsruhe. 6. Jan. Bei den gestrige» Wahlen zur badischen Nationalversammlung wurden gewählt: 41 Mitglieder des Zentrums, 3S Sozialisten, 24 Demokraten, 7 Deutsch-Nationale, kein Unabhängiger.
Der Bürgerkrieg in Berlin.
(WTB.) Berlin, 6. Ja». Heute' vormittag fand in der Reichskanzlei ein Kriegsrat der Bolksbeauftragten statt unter Beteiligung der Mitglieder des Zentralrats der Arbeiter- und Soldatenräte Deutschlands. Die Regierung hat beschlossen, sofort mit allen ihr zu Gebote stehenden Machtmitteln einzugreifen, um dem Treiben der Spartakusleute ein Ende zu setzen. Zum Oberkomman- dierenden der Regierungstruppen wurde der Bolksbeauf- tragte Noske ernannt. Die regierungstreuen Truppe» werben mit Lastautos von allen Seiten in das Innere der Stadt befördert, wo sie in der Nähe der Reichskanzlei gesammelt werden. Im Innern der Stadt ist den Passanten Weisung erteilt worden, so schnell wie möglich die Straßen zu verlassen. Alle Fenster müssen geschlossen bleiben. Die Regierung hat es abgelehnt, mit den Spartakusleuten zu verhandeln. Die beiden Parteien stehen sich in IM Meter Entfernung gegenüber. Nach den, „Achtuhr-Abendblatt" dürfte es ZU neuen blutigen, folgenschweren Zusammenstößen kommen.
Es liegt uns heute eine große Menge von Nachrichten aus Berlin vor. die wir wegen Platzmangels u rd Behindenrng in der Benützung unserer Setzmaschinen nicht wiedergeben können. Wir müssen uns deshalb ruf eine gedrängte Zusammenstellung der Ereignisse de- 'chränken. Die heute noch andauernden Zustände lassen darauf schließen, daß die unabhängigen Sozialisten und die Spartakusleute am Sonntag und Montag einen vorbereiteten Plan zur Ausführung bringen wollten, die Regierung Ebert-Scheidemann stürzen, und wie Liebknecht sagte, „zum Abscheu der ganzen Welt" machen. Alan hatte zu diesem Zweck die Anhänger der Radikalen bewaffnet» die Spandauer Waffen- und Munitionsdepots wurden gestürmt, und nun zog man vor das Reichskanzlerpalais und bedrohte die Bolksbeauftragten Eberl und Scheidemann, die wiederum von einer großen Menschenmasse beschützt wurden. Das Wolffsche Telegraphenbureau wurde besetzt und ebenso der „Vorwärts". Den nächsten Anlaß zum Ausbruch des Streits gab die Absetzung des Polizeipräsidenten Eichhorn, der sich durch die Tatsache der Annahme von Ünterstützungsgeldern seitens der ru sischen Bolschewisten bloßgestellt hatte. Eichhorn erklärte, er werde bleiben, solange er das Vertrauen des Berliner Proletariats, mit anderen Worten, des Berliner Straßenpöbels besitze. Die Volksbeauf- iragten, deren Leben direkt von den Spartakusleuten bedroht wird, haben sich nun vom Zentralrat der deutschen A.- und S.-Räte die Vollmacht geben lassen, endlich mit dem Texror, der auf die Regierung und die öffentliche Meinung in Berlin in unerhörter Weise aus- geübt wird, aufzuräumen. Es wurden regierungstreue Truppen herangezogen, wogegen die Spartakusleute ebenfalls Soldaten ihrer Farbe heranführen. Die Volks- marincdivision hält selbstverständlich zu Liebknecht, Eichhorn und Rosa Luxemburg. Auch der Russe Radek macht Propaganda sllr die radikale Umsturzöewegung. Wie die Kämpfe, die nach den letzten Nachrichten immer noch andaucrn und die mit Armecgewehren und Handgranaten. sowie Maschinengewehren durchgesührt werden, enden werden, das kann im gegenwärtigen Augenblick nicht vorausgesagt werde». Die Reichsregierung stellt sich nach den Aeußeruirgcn Scheidemanns und Eberts auf den Standpunkt, daß mit den ..Spartakusschweinereien endlich Schluß gemacht werden müsse, damit wir Frieden und Brot bekommen. Die Radikalen, sie Schcidemann wollen die Wahlen zur Nationaloer- mmluna verkindern und die Revolution weiterfühcen
während die Regierung zwecks Sicherung der Ordnung und Ruhe die Wahlen ordnungsmäßig durchzuführen gewillt ist. Hoffen wir, daß es der Regierung jetzt endlich gelingt, die Straßenpolitik auszuschalten.
Daß die Unabhängigen u. Spartakusleute im Volke ^ nicht die Anhängerschaft haben, die sie sich elnreden, das können sie aus dem Ergebnis der Wahlen in Baden ersehen. Allerdings wird man sagen müssen, gerade das „Musterländle" Baden bildete von jeher durch seine gemäßigte, liberale Politik, die die Klassengegensätze nicht in dem Grade hervortreten ließ, wie sie in Norddeutsch- land bewußt konstruiert wurden, für radikale Strömungen keinen günstigen Nährboden, und daran mögen sich diejenigen ein Beispiel nehmen, die schon wieder Bürger 1. und 2. Grades einführen möchten. Darüber dürfen wir uns keiner Illussion hingeben, in den Staaten des Klassenwahlrechts. Preußen und Sachsen, werden die Wahlen für die bürgerlichen Parteien nicht so gut aus- fallen, abgesehen vielleicht vom Zentrum, das seine Wähler aus religiösen Gründen zu halten wußte, und das auch im Kriege in richtiger Erkenntnis der Bolkspsyche eine volkstümliche Politik eingehalten hat. Aber das wird man ruhig behaupten können, eine sozialistische Mehrheit werden wir für die Nationalversammlung nicht zu fürchten haben. Das Stimmenverhältnis in Baden ist folgendes: Zentrum 369058 (1912: 129104), Sozialdemokraten 316181 (117154), Nationalliberale und Fortschritt zusammen 227110 (138979), die Konservativen 70081 (29141) und unabhängige Sozialdemokratie 14550 (1912 noch nicht getrennt). Also die unabhängigen Sozialisten haben in Baden eine ausgesprochene Ablehnung ihrer Anschauung zu verzeichnen. Den Gewinn an den Wahlen haben die Parteien der Mehrheitssozialisten und des Zentrums, wo die Organisation straff und wohl durchgebildet ist. Hier werden eben besonders auch die Frauen einen starken Anteil genommen haben. Die liberalen Parteien haben eigentlich nicht viel von dem Frauenwahlrechtprofitiert, weil sie eine gute politische BildurHfürdie Aufnahme ihrer Ideen beanspruchen, während die aridem Parteien mehr mit Schlagwörtern wie Religion, bessere Löhne usw. arbeiten können. Und da die Frauen diesmal den Ausschlag geben, so sind solche Schlagwörter ja nach dem Stand der Frau maßgebend. Immerhin aber ist eine überragende Mehrheit der bürgerlichen Parteien vorhanden. Die ausschlaggebende Stellung in der badischen Landesversammlung wird die demokratische Partei haben, da weder die Linke noch die Rechte ohne sie eine Mehrheit zu bilden vermag. Entsprechend den Traditionen der parlamentarischen Entwicklung in Baden durfte aber die Regierung wohl aus Demokraten und Mehrheitssozialisten gebildet werden, obwohl in vielen Fragen ein Zusammengehen der Linken mit dem Zentrum möglich sein wird.
O. 8.
3« MjskHWMr- «ud MLenchM.
Der angelsächsisch-romanische Bund
macht den Präliminarfrieden.
Genf, 7. Iun. Am 14. Januar findet in Paris die Konferenz der vier verbündeten Großmächte statt, in welcher die Grundlagen für den Präliminarfrieden festgesetzt werden.
Immer wieder Worte statt Brot.
Paris. 3. Jan. (Reuter.) Der Vorsitzende der amerikanischen Lebensmittelkommission Hoover gab einen Bericht über die Ernährungslage Europas, in dem er sagte: Die Bevölkerung Deutschlands hat sicher genug Vorräte, um noch eine Zeit lang auszubalten, abgesehen von der Versorgung mit Fett, das ohne Zweifel sehr knapp ist, wodurch die Entstehung von Krankheiten und viel sozialer Unzufriedenheit gefördert wird. Die Festsetzung der Bedingungen über Maßnahmen, die notwendig sind, um den befreiten Gebieten zu helfen, muß indessen unsere erste Sorge sein. Sie umfaßt insgesamt Länder mit etwa 125 Millionen Menschen. Durch die Besetzung
des Feindes und die Verwüstungen ist die Produktton dieser Länder sehr stark gesunken, und die Lebensmittel- vorräle, die sie von der letzten Ernte übrig behalten haben.
! werden bald erschöpft sein. Damit in der Lebensmittellieferung während der Zeit der Untersuchung und der Schaffung der Organisation keine Verzögerung entsteht, haben wir durch gemeinsames Zusammenwirken des Kriegsamtes und der Lebenmitteloerwaltung bis heute etwa 150 0W Tonnen Nahrungsmittel nach verschiedenen europäischen Häfen gesandt. Daneben geben wir bisher monatlich 150000 Tonnen »ach Belgien und Nordftank- reich. Die Ernährung Europas während der nächsten 6 Monate bildet ein großes ökonomisches Problem. Sie ist auch von allergrößter politischer Bedeutung, wenn wir Anarchie verhindern wollen. Das finanzielle Problem zerfällt in drei Kategorien: 1. An Deutschland und einige Alliierte und Neutrale können wir die benötigten Nahrungsmittel in der Form eines richtigen Handelsgeschäftes gegen angemessene Bezahlung in annehmbare» Wetten verkaufen. 2. Die befreiten Gebiete und einige i Alliierte, denen Amerika nach den gegenwärtigen gesetzlichen Bestimmungen zeitweilige Anleihen geben kann, j 3. Die Völker, die die Unterstützung Amerikas in erheblichem Maße benötigen, denen diese Unterstützung überaus den gegenwärtig verfügbaren Fonds nicht gewährt werden kann. Es erscheint den Alliierten und der amerikanischen Regierung nur gerecht, daß, da ein großer Teil der Schwierigkeiten der befreiten Lander durch die rücksichtslosen Handlungen der deutschen Armeen (1) verursacht ist, die Deutschen veranlaßt werden sollten, Schiffe für den Nahrungsmitteltransport nach diesen Gebieten zu stellen. Es wird zweifellos eine Vorbedingung für die Gewährung von Lebensmittelsendungen an Deutschland sein, daß deutsche Schiffe für die Versorgung aller befreiten Länder benutzt werden.
Alls den Verhandlung«« der WaffenstiLftandskomMissio«.
(MTV.) Berlin, 8. Jan. Die Deutsche Wasfenstillstands- kommissron gibt bekannt, daß die Engländer nunmehr versprachen, aus England 800 schwerverwundete Deutsche über Rotterdam und 490 ebenfalls schwerverwundete kriegs. gefangene Deutsche auf dem Wege über die Front nach Köln zurückzubefördern. Außerdem wollen die Amerikaner die in ihren Linien zurückgebliebenen Sanitätspersonrn über Koblenz nach Deutschland zurückschicken. Die Kommission hat die Alliierten dringend gebeten, diesem Beispiel baldmöglichst allgemein zu folgen.
Die D. W. K. gibt bekannt, daß in der letzten Sitzung über die elsaß-lothringische« Angelegenheiten eine Entscheidung des Marschalls Fach mitgeteilt wurde, nach der den Familien der deutschen Beamten in Elsaß-Lothringen keinerlei Befehl erteilt worden ist, Elsaß-Lothringen vor dem 15. 12. zu vxrlassen. Nack Wiederherstellung des normalen Verkehrs kann der Transport des Mobilars der Beamten bewerkstelligt werden. Ferner wurde bestimmt, daß kein F-r- brikerzeugnis von Elsaß-Lothringen oder den besetzten deutschen Gebieten nach dem unbesetzten deutschen Gebiet heraus» gehen darf ohne Erlaubnis der zu diesem Zwecke in Straß- burg und Köln eingerichteten Sonderausschüssen.
Die D.W. K. gibt bekannt, daß das Oberkommando der Alliierten mitgeteilt habe, die polnische Regierung führ« Klage darüber, daß die deutschen Militärbehörden in Litauen udn Polen angeblich die Organisation der lokalen Verteidigung gegen die Bolschewisten verhinderten. General o. Winterfeldt erklärte, es könne der deutschen Obersten Heeresleitung nur willkommen sein, wenn die Polen sich gegen den Bolschewismus wendeten. — Dem deutscherseits geäußerten Wunsch, freien Verkehr für Arzneimittel zu! gewähren und Kohlensendungen für das Berzelius- Bergwerk zuzulassen, ist Folge gegeben worden. — Franzö» stscherseits wurde vor dem Verkauf der in den Schlössern und Potsdam befindlichen Kunstwerke gewarnt.
Die D. W. K. teilt mit: Im Zusammenhang mit den gewährten Erleichterungen im Verkehr zwischen dem links« und rechtsrheinischen Gebiet zur Vornahme der Wahle« für die deutsche Nationalversammlung wurde bekannt gegeben, daß in betreff der bayerisch«« Landtagswahl««»