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Nro. 82 .
Dienstag, 16. Juli 1895.
31. Jahrgang.
Württemberg.
Gestorben: 12. Juli zu Stuttgart Oberfinanzrat a. D. Wilhelm Schnurrer, Ritter des Ordens der württ. Krone, Ritter 1. Klasse des Friedrichsordens, 78 I. a.; 13. Juli zu Höfen Fabrikant Heinrich Lerch, Ritter 1. Klasse des Friedrichsordens. 56 I. alt.
Stuttgart, 9. Juli. Der Landtag wurde am Donnerstag geschlossen. Die Neligionsreversalien, das Steuergesetz und das Wasserrechtsgesetz kamen nicht mehr zur Beratung, sondern wurden bis zum Herbst vertagt.
Stuttgart, 12. Juli. Ihre Kaiserliche Hoheit Frau Herzogin Wera mit den Herzoginnen-Töchtern Elsa und Olga wohnten gestern abend 6 Uhr in der Glockengießerei von H. Kurz dem Gusse der Glocke für die neue russische Kapelle an.
Stuttgart, 12. Juli. Das würt tem- bergische Grenadierregiment „König Karl" begeht den 6. August dieses Jahres als den 25jährigen Jubiläumstag der Schlacht bei Wörth in festlicher Weise, sämtliche frühere Angehörige des Regiments oder des früheren dritten württembergischen Jägerbataillons sind zu dem Feste eingeladen.
— Am 20. Juli, nachmittags 3 Uhr 5 Minuten trifft anläßlich des deutschen Turntags in Eßlingen ein Sonderzug mit 500 sächsischen Turnfahrern hier ein. Bei der Enthüllung des Georgiidenkmals am 21. Juli wird der Stuttgarter Turngau zahlreich vertreten sein.
— Die württemb. Kammer der Standesherren hat das Gesetz über die Verlängerung der württemb. Notenbank in Stuttgart zur Ausgabe von Banknoten in der Fassung der Kammer der Abgeordneten angenommen und sodann in der Endabstimmung den Hauptfinanz-Etat und das Finanzgesetz genehmigt. Ferner wurde das Disciplinargesetz für die evangel. Geistli- lichen unter Zustimmung zu den Beschlüssen des anderen Hauses angenommen und die Eingabe um Einführung gewerblicher Gewerbe-Inspektoren der Regierung zur Kenntnisnahme überwiesen, wozu ausgesprochen wurde, daß die Kammer der Standesherren die Beiziehung weiblicher Vertrauenspersonen zu der Gewerbeinspektion für bemerkenswert halte.
Ludwigsburg, 13. Juli. Gestern Vorm, hat auf dem großen Exerzierplatz hier ein Unglücksfall anläßlich einer Vorstellung der 1. Abteilung des Feldartillerie-
Regiments Nr. 29 bei einer Bewegung im Marsch-Marsch zugetragen, wobei 2 Geschütze aufeinander ^auffuhren. Einem Kanonier wurde der Fuß dreifach gebrochen, einem andern einige Rippen eingedrückt, 2 weitere sind leichter verletzt. 4 Mann befinden sich im Lazaret. Ein Pferd mußte auf dem Platz gestochen werden. Ein starker Baum wurde umgefahren. Die Schuld des Zusammenstoßes ist in dem sehr staubigen Boden zu suchen; der Staub wird bei den Artillerieübungen oft so dicht anfgewirbelt, daß jede Aufsicht, selbst auf wenige Schritte gehindert ist.
Heilbronn, 12. Juli. Die 14jäh- rige Tochter des Metzgers Schwarz von hier stürzte heute vormittag zwischen 10 und 11 Uhr mit ihrem 2jährigen Brüderlein von einer Plattform in einen Hof hinab und in eine kurz vorher geleerte Düngergrube hinein. Das Mädchen trug vom Sturze einen Bruch des linken.Armes und einen Schädelbruch davon, so daß ihr Leben in Gefahr steht, währenv der Knabe unverletzt davon kam.
Neckarsulm, 12. Juli. Heute früh wurde bei dem Entleeren des Aborts in dem Gasthaus z. Post dahier der Leichnam eines neugeborenen Kindes männlichen Geschlechts vorgefunden. Der Kopf war mit einem Tuch umwickelt, welches um den Hals zugezogen war, wodurch ohne Zweifel drr Tod herbeigeführt wurde. Ueber die Thäterin bezw. die Mutter fehlt bis jetzt jede Spur. Untersuchung ist eingeleitet.
q Gundelsheim O.-A. Neckarsulm, 11. Juli. Gestern Abend wurde die seither auf Schloß Hornegg wohnende verwitwete Gräfin Waldeck, nebst ihrem früheren Hauslehrer, einem angeblichen russischen Grafen Nesfelrode, verhaftet und unter Geleit des Amtsrichters und des Stationskommandanten in Civil in das Neckarsulmer Amtsgerichtsgefängnis verbracht. Wie verlautet, soll es sich um den Verdacht des Meineids handeln.
Tübingen, 13. Juli. Ein orkanartiger Sturm hat gestern größeren Schaden angerichtet. An Obstbäumen wurde von dem wenigen Obst vieles heruntergerissen, ebenso Aeste, so namentlich in unseren Alleen, wo man kaum mehr passiren konnte. Nachmittags legte sich der Sturm und trat der gewünschte Regen ein, der I nach der sehr schwülen Temperatur Erlfrischung brachte.
— Die Landesversammlung des Ver eins der württemb. Körperschaftsbeamten findet Heuer in Tübingen am 25. Juli statt. Nach einer Besichtigung der Stadt folgen die geschäftlichen Verhandlungen im oberen Museumssaal mit folgender Tagesordnung: 1) Begrüßung der Fest- gäste durch den Bereiusvorstand; 2) Rechenschafts- und Kassenbericht des Ausschusses und Kassiers; 3) Vorträge über a) die Einführung periodischer Ortsvorsteherwah- len, d) die beabsichtigte Aenderung in den Geschäftsaufgaben der Gemeindebehörden e) die Gesetzentwürfe betr. die Steuerreform. Nachm. ist gemeinschaftl. Mittagsmahl im Festsaal des Museums.
Rottenburg, 13. Juli. Gestern Nacht ist ein etwa 30 Jahre alter angeblicher Betriebsingenieur aus Berlin aus dem hiesigen Amtsgerichtsgefängnis entwichen. Derselbe hat die Schrauben am Gitter seiner Arrestzelle gelöst, die Teppiche in seiner Zelle zerschnitten und sich an dem hievon gefertigten Seil in den Hof hinabgelasfen, von wo aus er spurlos verschwunden ist. Er ist im Mai d. I. in Folge gefälschter Zeugnisse in der mechanischen Fabrik hier als Ingenieur angestellt worden. Anfangs Juni hat die K. Staatsanwaltschaft Beuthen in Oberschlesien wegen verschiedener Betrügereien Haftbefehl erlassen. Derselbe befand sich seither hier in Untersuchung.
Tuttlingen, 10. Juli. Gestern abend wurde von dem Stationskommandanten Pfetsch hier die ledige zwanzig Jahre alte Luise Vötsch von hier festgenommen. Dieselbe soll, wie verlautet, im Monat Juni dieses Jahres ihr neugeborenes uneheliches Kind durch Aufschlagen auf den Ofenstein getötet und außerhalb der Stadt bei der Ziegelhütte vergraben haben. Auch die Mutter der Berbrecherin, welche auch van der Sache wissen soll, wurde vom Stationskommandanten verhaftet und das Königliche Amtsgericht eingeliefert.
Horb, 10. Juli. Kommt da eines schönen Tages von Amerika herüber ein Mann, der seinem Auftreten nach „schwere Gelder" besitzt, hieher und besucht auch das nahegelegene Jakobsbad. Die reizende Lage, die Wirtschaft nebst Kegelbahn, die Badeeinrichtung gefällt ihm, die Wohn- räume finden Gnade vor den Augen seiner Gemahlin. Er fragte den Besitzer um dem Preis des ganzen Anwesens, der Wirt nennt eine annehmbare Summe,