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Nr. 300.

Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.

93. Jahrgang.

Samstag de« LI. Dezember 1918.

8«zngSpr«ir: In der Stadt mit Lrägerlohn Mk. LLS viei-teljLhrlich, Poj2>cz»L»prei« im Ort«, »nd NachborortSverkehr Wk. r.lb, im Ferrivirkehr _ Mk. 2.28, Vest»vcleld W ^*^»mL»erg M Psg.

Zur Lage.

Der Schlußtag des Reichskongresses der Arbeiter­und Soldatenräte zeigte noch einmal recht deutlich, welche abarurdlieken Gegensätze innerhalb dieses ersten Revo- luüonspariaments vorhanden sind. Den fünften Tag, den die Mehrheit auf Verlangen der Radikalen noch zu- zugebsn haue, benützten diese, um mit Aufbietung aller srenischen Mittel ihre Anschauung zum Ausdruck zu brin­gen. Es handelte sich um die Frage der Verstaatlichung von Großbetrieben, der sog. Sozialisierung, die bekannt­lich zu den Haup punkten des sozialistischen Programms gehört. Es wurde ein Antrag angenommen, alle für die Verstaatlichung reifen Betriebe, im besonderen die Bergwerke, zu verstaatlichen. Der unabhängige Sozia­list und Volksbeauftragte Barth wünschte die Verstaat­lichung des Bergbaus, des Stahloerbands, des Lokom - tiobaus, der Kaliindustrie und der Elektrizitätsindust' e, andere die Sozialisierung der Stickstoffgewinnung, o!" Austeilung der großen landwirtschaftlichen Güter, l Referent über diese Frage erklärte, die Sozialist. . könne nicht bedeuten, Uebergehen der Betriebe an die Arbeiterschaft, sondern nur Rückführung der gesamten Produktion in die Verfügungsgewalt der Gesellschaft. Es solle nicht enteignet, sondern entschädigt meroen. Den Anlaß zu dem großen Echlußtumult gab ein An­trag der Soldatenfraktion, es solle eine einheitliche sozialistische Front im Heere geschaffen werden. Da­gegen protestierten aber die Unabhängigen mit größter Heftigkeit. Ledebour sagte, eine Verschmelzung sei un­möglich, denn dazu seien Scheidemann, Ebert und Lands­berg zu sehr mißkreditiert. Wenn die Masse der Arbeiter auf Seiten der Unabhängigen stehe, dann sei die Zeit der Einigung da. Schcidemann antwortete, solche Halt­ung sprenge die Arbeiterschaft auseinander und er wies auf den 19. Januar, an dem die Unabhängigen das Er­gebnis ihrer Haltung erkennen könnten. Jetzt erhob sw neben brausendem Beifall der Mehrheit ein ungeheure Lärm auf der Seite der Radikalen. Und wenn schließ­lich auch im Schlußwort der Vorsitzende einigende Worte sprach, von der Sicherung der Rem ..tion, der Nationalversammlung, die die Gewalt haben werde, und dag man verhindern wolle, daß über die Errungenschaften der deutschen Revolution der Imperialismus England-, Frankreichs und Amerikas triumphieren, daß man Deutsch­land von allen Bedrückern von innen und außen frei machen wolle, so war doch die Erkenntnis vorherrschend, daß unter den gegenwärtigen Zuständen solche Hoffnungen wenig Aussicht auf Erfüllung bieten, wenn selbst inner­halb der Regierung die Parteien sich in den schärfsten Gegensätzen befinden. Die wertvollste Arbeit aber hat der Kongreß damit geleistet, daß er den Termin der Nationalversammlung varverlegt hat, und damit dem Volk Gelegenheit geschaffen hat, seiner Meinung darüber Ausdruck zu geben, wie es regiert werden will.

Während wir uns im Innern um Dinge streiten, die größtenteils nur theoretischen Wert haben, werden innerhalb der Entente die großen Fragen der Weltpoliük ohne unser Mittun behandelt. Wilson hat in Paris Gelegenheit gehabt, die verschiedensten Ansprüche der Alliierten kennen zu lernen, und es scheint, daß er nach den Reuter scheu Ansprüchen davon nicht sehr erbaut ist, weil die Alliierten keinerlei Neigung zeigen, seinen Grundsätzen zu entsprechen. Die Franzosen wollen das links Rheinlifergebict dauernd behalten, außer Elsaß- Lothringen. Die Italiener liegen in schärfstem Gegensatz mit den Deutschösterreichern und Südslawen, weil sie das ganze östliche Adriaufer mit Albanien beherrschen wollen,! die Tschechen wollen die Deutschböhmen nicht frcigeben und bekaupten, das sei ihnen von der Entente zugestan-f den. Die Polen haben nicht nur Posen besetzt, sondern sollen auch mit 50000 Mann gegen Danzig im An­marsch sein. Die Eroberungstriebe, die die Entente zu-^ sammengeführt haben, stehen jetzt in schönster Blüte, und i Wilson soll also diese Forderungen mit seinem Pro­gramm in Einklang bringen. Wie die Entente arbeitet, ^ dm die deutschen Stämme dauernd auseinanderzuhalten, »as ersieht man aus dem französischen Versuch, den.

österreichisch-ungarischen Staat wieder znsammenznbringen, lediglich um den Deutschen Oesterreichs den Anschluß an Deutschland zu versperren. Aber die Italiener haben dagegen Einspruch erhoben, weil dann ihr ganzer Krieg umsonst gewesen sei. Man muß sag-n: die italie­nischen Meuchelmörder sind jetzt recht ehrlich, genau so wie die Herren Engländer, die nur vom Siege Englands sprechen, der nach Lloyd George's Ausspruch der größte seit 105 Jahren also seit der Niederwerfung Frank­reichs sei. Deutschland aber trägt die Schuld an diesem Kriege. Und das deutsche Volk läßt sich in völliger Apathie eine solche schamlose Heuchelei gefallen.

O. 8.

Äk ssd MMrsrige.

Der Rückmarsch der Ostarmee.

B.) Berlin, 20. De br. Reval ist ger" '

.r Teil der Ostfront wird in offenem Hrch< all -.ilngen und Verträge von Sovjcttruppeu ie setz. .-ie versuchen, die Bevölkerung zu terrorisieren. Ir der r kra >c wurden unsere Truppen bei Sarry, Schito- n.ir, B rbitschew und Iekaterinoslaw in Kämpfe oer- wi-h.l', öa die Bolschewisten die Abtransporte hinderten. Ili.'.re Truppen blieben bei geringen Verlusten überall S' r. Bei Echiiomir nahmen wir den Bolschewisten 15 beschütze ab. Die Stimmung unserer Truppen ist gilt.

Die dauerde wirtschaftliche Vergewaltigung

Deutschlands seitens der Franzosen.

Berlin, 20. Dez. Die Forderungen, die französi- scherseits der Wirtschaftskommission der deutschen Waffen- stillstcndskemmission vorgclcgt wurden und von dieser abgelehnt werden mußten, betrafen die Belieferung der Hüttenwerke und der Fabriken Lothringens, des Elsaß und der benachbarten Gebiete mit täglich 10500 oder monatlich 315 000 Tonnen Koks auf Eisenbahnen und mit 3 500 Tonnen täglich oder 105000 Tonnen monat­lich auf Wasserwegen aus rechtsrheinischen Gebieten. Außerdem sollte die deutsche Regierung durch rechts­rheinische Gruben für die Besagrmgstruppen der Brücken­köpfe und der Flrißufcr monatlich 15000 Tonnen Brenn­stoff liefern. Eine zeitliche Beschränkung dieser Liefer­ungen war in der französischen Forderung nicht vorgesehen, sondern lediglich für die außerdem verlangte Lieferung von monatlich 9 000 Tonnen Rcinmangan oder 112 500 Tonnen 8 ttges Manganerz. Die Lieferungen sollten ohne Verzug beginnen rrnd bis auf weiteres fortgesetzt werden. Außerdem verlangte die französische Vertretung auch für Fabriken mit Maschinen deutscher Herkunst in größtem Umfang die Lieferung von Fabrikaten. Grul en- material, Material für Eisenhütten, Elektrizitätswerke und Eisenbahnen, sowie Snezialemnchtungen jeder Art. Be­auftragte der französischen Regierung sollten in Deuisch- lcnd an Ort und Stelle zweckdienliche Feststellungen vor­nehmen, Für die Vorlage der verlangten Auskünste wurden 8 Tage Frist festgesetzt und bei Ueberschreitung Gegenmaßnahmen angedröht mit dem Hinzufügen, daß dadurch weiteren Maßnahmen nicht vorgegriffen werden solle. Die den''che Wirtschaftskommission erklärte sich zu der Erörterung dieser einseiligen Forderungen auf der Erundlaqch^des Prinzips der Gegenseitigkeit bereit. Der französische Oberst Mercier, ein Sachverständiger, erwi­derte daß diese Antwort die Ablehnung der überreichten Forderungen bedeute und verließ darauf Spaa.

Die französischen Entschädigungsansprüche.

Bern, 21. Dez. In der vorgestrigen Sitzung des französischen Senats erklärte Ribot anläßlich der Erör­terung über die Verlängerung des Privilegs der Bank von Frankreich, daß sich das allgemeine Budget Frank­reichs ungefähr auf 17 Milliarden Francs belaufen werde, von denen 8 Milliarden zur Tilgung der Kriegs­anleihen seien. Um die Finanzen auszugleichen, genüge es nicht nur, Steuern zu erheben, die selbst bei der stärk­sten Heranziehung des Kapitals jährlich nicht mehr als 11 Milliarden einbringen könnten. Frankreich müsse deshalb vom Feinde eiue große Entschädigung verlan­

gen. Diese Frankreich zu leistende Entschädigung müsse die Priorität gegenüber allett' anderen zu zahlenden Ent­schädigungen haben. Die Opfer, die Frankreich gebracht haoe und die größer seien als die der Alliierten, recht- fenigten dieses Verlangen. Bekomme Frankreich die Priorität nicht, so drohe es unter den ungetzeueren Lasten zusammenzubrechen. Wenn die Entschädigung zum Aus­gleich nicht genügend sein sollte, müßten die Lasten und Einnahmequellen der Alliierten zusammengelegt werden» um den Verpflichtungen Nachkommen zu können.

Die Kriegsschäden Frankreichs.

Genf. 20. Der. Die französische Kammer nahm die Diskussion über den Gesetzentwurf, betreffend der Kriegsschäden, wieder auf. Der Bericht des Budget- Kommissars Louis Dubois, der eine Studienreise in die oerwüsteien Gebiete unternommen hatte, legte der Kammer einen Bericht über den Umfang der ane erich- len Schaden vor. Darin heißt es u. a.: In Reims nid von r4000 Häusern 12000 vernichtet. Insgesamt wird die Zahl der im ganzen Gebiele Nordfrankreichs vernichteten Häuser auf 200 250000 geschätzt. Die Oberfläche des Ackerbodens, die für eine ganze Zeit für den Ackerbau nicht verwendbar sein wird, wird auf 100000 Hektar geschätzt. Hierbei sind diezerstörten Wälder u. Holzungen nicht miteingerechnet. Ueber die vernichteten Ver­mögenswerte machte Dubois folgende Angaben: Zerstör­ungen an Wohnhäusern 20 Milliarden, zerstörtes Mo­biliar 5 Milliarden, Verwüstung des Ackerbodens, Ver­luste an Wäldern und Vieh 10 Milliarden, Verluste der Industrie 20 Milliarden, zerstörte öffentliche Unterneh­mungen 10 Milliarden, zusammen 65 Milliarden. In dieses Summe sind nicht eingeschlossen die notwendigen Wiederherstellungsarbeiten für die Straßen, ebensowenig für die Verluste an historischen Bauwerken, wie die Kathedralen von Reims, Soissons usw. Interessant ist die Bemerkung Dubois', daß der Verbleib der Kunst­werke zum größten Teil festgestellt werden könne, dank den von den Deutschen veranstalteten Ausstellungen und Katalogen.

Das Hatz- «nd Nachespster.. L«r Franzose« i« Elsaß-Lothringen.

(WTB.) Kehl, IS. Dez. 5ine große in Kehl stattgehaLte Versammlung von aus Elsaß-Loth.ingen ausgewiesenen Per sonen und zurückkehrenden Heeresangehörigen altdeutscher Abstammung hat sich an die deutsche Waf'enstillstandslom- mission mit der dringenden Bitte gewandt, bei der fran­zösischen Negierung vorstellig zu werden, daß die Möglichkeit einer vorübergehenden Rückkehr nach Elsaß-Lothringen unter Gewähr persönlicher Freiheit gegeben werde. Die gewalt- rme Fernhaltung von dem Mittelpunkt ihrer wirtschaft­lichen Interessen und der Familien führe zu einem unhalt­baren Notstand. Dringende Abhilfe fei erforderlich. Be­sonders erschwert werde die Lage durch die gleichzeitige, rück­sichtslos den Wassensiillandsbedingungen widersprechend« Sperre des Post-, Telegramm- und Eeldverkehrs.

Strafe für nationales Bewußtsein.

(WTB.) Wien, 18. Dez. Die Korrespondenz der National­versammlung meldet: Am 4. Dezember sind tschecho-slowa- kische Legionäre, die italienische Uniform trugen und unter denen angeblich auch italienische Offiziere waren, in Woergl entwaffnet, beleidigt und ihrer Reiseeffeklen beraubt wor­den. Dieselben Offiziere und Mannschaften wurden dann auch in Linz angehalten und von der Volksmenge bedroht.

Als Genugtuung für diese Vorfälle hat das italienische Ober­kommando von der deutsch-österreichischen Negierung die Be­strafung der Schuldigen und Zahlung von 100 000 Franken » in Gold gefordert. Das Direktorium des Staaisrats be­schloß, diese Forderung zu erfüllen.

Schreckensherrschaft der Tschechen in Deutsch-Böhmen.

Wien, 19. Dez. Die Fälle der Willkür, deren sich die Tschecho-Slowaken gegenüber der deutschen Be­völkerung von Znaim schuldig machen, mehren sich von Tag zu Tag. Insbesonders die Eisenbahner, die stets