93. Jahrgang.

Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.

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Freitag, den 20 Dezember 1918.

Nr. 299.

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Dom Reichskongreß der A.-> und S.-Räte.

Der gestrige Sitzungstag des Reichskongresses der A.- und S.-Räte brachte eine entschiedene Klärung über den Charakter der Mehrheit der Abgeordneten und über die Stimmung, die diese Mehrheit beherrscht. Nachdem man euien Antrag, der bürgerlichen Presse zunächst eine vierprozentige Verzinsung ihres Anlagekapitals zu be­lassen. und den Rest der Reichskasse zu überweisen, dem Dollzugsrat übergeben hatte, der wahrscheinlich damit so wenig wie die Vollversammlung anzufangen wissen wird, nachdem man einen Antrag aus Entwaffnung der Gegen» revolution, auf Uebertragung der Vollzugsgewalt und der gesetzgebenden Gewalt auf den Rat der Dolksbeauf- tragten bis zur Nationalversammlung angenommen hatte, wodurch also der. Berliner Boilzugsrat kalt gestellt wurde, leitete der Mehrheitssozialist Cohen-Reuß die Anssprache über die Nationalversammlung mit einem Referat ein, das die Notwendigkeit baldigster Einberu­fung so deutlich wie möglich darlegte. Er wies daraus bin, daß unser Land von Rohstoffen entblößt, unsere Fi» nanzen aufs schwerste gefährdet sind, und daß wir Le­bensmittel für unser Volk brauchen, das durch die jahre­lange Unterernährung entkräftet ist. Rohstoffe und Le­bensmittel gebe uns die Entente aber erst, wenn die Ord­nung wieder hergestellt sei. Wenn wir auch militärisch wehrlos seien, so habe die Entente doch Interesse daran, unsere Leistungsfähigkeit nicht ganz zu ruinieren, damit wir die Kriegsentschädigungen zahlen können. Das sei doch die Konsequenz der englischen Kriegszielpolitik. Aber die Desorganisation müsse verschwinden. Und das könne nur durch die Nationalversammlung geschehen, denn die A.- und S.-Räte stellen nicht den Willen des ganzen Volkes dar. Das erscheint uns als ein we.t- volles Eingeständnis eines Sozialisten. Und weiterhin sagte Cohen sehr richtig, die Revolution dürfe nicht zu einer großen Lohnbewegung werden. Diele Unternehmer stellen ihren Arbeitern die Betriebe zur Verfügung, aber die Arbeiter hätten davon nichts, denn sie könnten die Betriebe nicht aufrechterhalten. Es dürften jetzt keine Experimente auf dem Gebiete der Verstaatlichung ge­mocht werden. Das waren offene und ehrliche Worte des Mehrheitssozialisten und wir wissen aus den Erklär­ungen vieler Anhänger der Sozialdemokratie, daß sie der Anschaung sind, durch die jetzigen Verhältnisse bringe sich die Sozialdemokratie um ihren ganzen Kredit bei den vernünftigen und ruhigen Arbeitern. Wohl aus diesem Gefühl heraus treten die Mehrheitssozialisten jetzt mit aller Entschiedenheit für die Nationalversammlung ein. weil sie befürchten, daß die jetzigen Verhältnisse, die sie nicht zu meistern vermögen, und unter denen sich die un­geschicktesten Vorgänge politischer und wirtschaftlicher Natur abspielen, für die sie keine Verantwortung übernehmen können, die Anhängerschaft der Sozialdemokratie aus die Dauer verkleinern könnten. Und daher hat auch gegenüber der Auffassung der Radikalen, daß die Ar­beiter- und Soldatenräte als Vollzugsorgan für immer tätig sein sollten, und die Reichsversammlung gewisser­maßen nur als beratende und Mittel gewährende Kör­perschaft eingerichtet werden sollte, Cohen unzweideutig zum Ausdruck gebracht, daß die A - und S.-Räte der Nationalversammlung Platz machen müßten. Er meinte zwar, eine sozialistische Mehrheit würde gesichert werden, wenn alle Sozialisten sich zusammentun, darüber möchten wir uns vorerst aber keine Voraussage gestatten. Im weiteren Verlauf der Versammlung ent­standen ernste Meinungsverschiedenheiten über die Fest­legung des Termines der Wahlen. Die unabhängigen Sozialisten erhoben aufs heftigste Widerspruch gegen die Vorverlegung auf 19. Januar, wie sie von den Mehr- heitssoziälisten vorgeschlagen wurde, weil, wie Haase dies begründete, man aufgeklärte Wähler zur Wahlurne führen soll und namentlich die Frauen bedürfen der Aufklärung. Das ist schon richtig. Aber von wem geht denn die Heruntersetzung des Wahlalters und die Gewährung des Frauenwahlrechts aus. Gerade die radikalen Kreise verspra sten sich davon einen Sieg ihrer Ideen, und nun haben sie anscheinend Angst vor den Geistern, die sie

riefen. Aber es half den Unabhängigen nichts und den Liedknechtianern nichts, die die Nationalversammlung als Todesurteil für die Soldatcnräte bezeichneten, und von ihr sagten, daß sie weder den Willen noch die Kraft haben werde, den Sozialismus zur Wirklichkeit werden ;u lassen, die große Mehrheit des Kongresses beschloß, den Tennin der Wahlen auf den 19. Januar vorzuver­legen. Und damit hatten Sie Mehrheitssozialjsten und die Dolksbeaustoagten. und wenn man recht hinsieht, die Bürgerlichen, einen großen Sieg ermngen. Jetzt kann Liebknecht wieder aus die Straße gehen, es wird ihm nichts mehr nützen. Es wird überhaupt gut sein, wenn die Reichsregierung und die künftige Na- 'ionalversammlung sich über den künftigen Regierungssitz und Tagungsort klar werden. Eine Beeinflussung oder Stömng ihrer Tätigkeit durch demonstrierende und g« walttätige Massen, deren ursprünglichstes Gefühl nur der Unlust zur Arbeit und dem Drang nach Skandal ei- springt, kann sich das deutsche Volk auf die Dauer niä> gefallen lassen. Berlin muß also nächstens zeigen, ob es, den Willen und die Macht hat, diese Elemente unschädlich zu machen. Andernfalls müßte man einen andern Regierungssitz suchen, wo Regierung und Nationalver­sammlung ohne äußeren Druck ihren schweren Aufgaben ungestört nachgehen könnten. O. 8.

Zur WaffknstWard,'- usd SrirtMskW.

Di» ««würdig» Behandlung der deutsche« Wassenstillpands- kommistion in Trier.

Von einem Teilnehmer an den Verhandlungen wird be­richtet: Die am 11. früh in Trier eintresfende deutsche Was ienstillstandskommission wurde von einem amerikan. Offizier :n Empfang genommen. Amerikanisch« Soldaten patrouil­lierten auf beiden Seiten längs des Zuges. Die Fahrt der Kommission in das Hotel zurPost" erfolgte in amerikani ichem Kraftwagen, die rechts und links von amerikanischen Soldaten zu Rad begleitet waren. Im Hotel war eine ame­rikanische Wache eingerichtet, die die Waffenstillstandskom- misfion von jedem Verkehr mit der Außenwelt abschloß. Das Telephon war gesperrt, Depeschen und Briefe mußten de: amerikanischen Wache abgegeben werden und unterlagen der amerikan. Zensur. Dre meisten der abgesandten Depeschen erreichten ihren Bestimmungsort nicht.

Staatssekretär Erzberger richtete sofort ein Schreiben an den Chef des amerikanischen Stabes in Trier, General Smith, in welchem er die Beseitigung der Absperrungsmaß- nahmen forderte. Die Antwort lautete, daß die Anordnung gen vom Obcrkommandierrnden der alliierten Armeen ver­fügt worden feien und bedauerlicherweise ausgefiihrt werden müßten. Am Nachmittag desselben Tages erschienen drei amerikanische Offiziere beim Staatssekretär Erzberger und erklärten im Aufträge ihres Obersten, Lie Waffcnstillstands- kommission solle nicht annehmen, daß die unwürdige Ab­sperrung von amerikanischer Seite veranlaßt worden sei, son dein vom Oberkommandierenden der alliierten Armeen Staatssekretär Erzberger erwiderte, er habe dies auch keinen Augenblick von dem amerikanischen Volke, dem freiesten Volk der Welt, angenommen. Achnliche Erklärungen wurden von amerikanischen Offizieren in privaten Gesprächen mit Kom­missionsmitgliedern mehrfach gegeben, die Amerikaner legten offensichtlich Wert darauf, ihr Bedauern zum Ausdruck zu bringen. Bei der Beförderung der Kommission zur Bahn, am Freitag abend fehlte die Radfahrereskorte. Ein ame rikanischer Generalstabsoffizier erklärte dem Staatssekretär Ezberger vor Abfahrt des Zuges nochmals sein Bedauern. Die amerikanischen Offiziere und Soldaten befleißigten sich der größten Höflichkeit und kamen allen Wünschen des ab- gesperrten Personals i« weitestem Maße entgegen.

Die besetztes Gebiete und die Wahlen zur

Reichsversammlung.

Berlin, 19. Dez. In der Vollsitzung der interna­tionalen Wasfenstillstandskommission in Spaa am 18./12 fand eine eingehende Erörterung über die Beschränkung der Verkehrssperre zwischen den besetzten Gebieten und dem übrigen Deutschland zwecks Durchführung der Wahle»

zur Nationalversammlung statt. Die Vertreter der deut­schen Regierung überreichten eine Note, in der schleunige Beseitigung dieser Derkehrseiiischränkungen erbeten wurde. Die Note fügt hinzu, daß es nicht nur im deuischen In­teresse liege, wenn bald geordnete u ld verfassungsmäßige Zustände in Deutschland hergestellt würden. Dieses sei die Hauptaufgabe der Nationalversammlung, in der das gesamte deutsche Volk (also auch die Bevölkerung der linksrheinischen Gebiete) vertreten sein müßte. Bei der geo-nwärtigen Absperrung dieser Landestelle seien aber die ordnungsmäßige Vornahme der Wahlen, sowie die hierzu erforderlichen Vorbereitungen ausgeschlossen. In der Beantwortung der Note gab General Ludant der Befürchtung Ausdruck, daß die Frage an höherer Stelle als zu allgemein gehalten betrachtet werden könnte, weil aus ihr nicht deutlich hervorgehe, was deutscherseits ver­langt würde. Die Wichtigkeit der Wah'en sei unbestreit­bar und ihre ordnungsmäßige Durchführung dürse nicht gehindert werden. Es käme jedoch darauf an. zu wissen, was unter freiem Verkehr zwischen den Gebieten links und rechts des Rheines zu verstehen sei. Das sei klar, daß eine gewisse Anzahl unruhestiftender Elemente (Lle- ment8 cle cje8orctfe) nicht hin und Herreisen dürften. Bei Weitergabe der Note an Marschall Fach würde ihm wahrscheinlich geantwortet werden:Das ist zu allgemein gehauen" und dann könnte sich die Erledigung der An­gelegenheit sehr lan"- hinziehen. Voll deutscher Seite wurden zu dieser Iiage nähere Angaben in Aussicht gestellt.

Verschleppung von Greise« aus Elsaß-Lothringen.

Berlin, 19. Dez. Unsere Feinde h"ben früher unter de- Maßnahmen der deutschen Regierung in den besetzten Gebieten vor allem die Fortführung von Bel­giern zu Arbeit wecken nach Deutschland kritisiert und sie als brutale rgewaltigung zu brandmarken versucht. Kaum i aben die Franzosen von Elsaß-Lothringen Besitz aenammen. als sie auch schon mit der Verschleppung von Einwohnern beginnen. Tausende von jungen Männern, Söhne von alldeutschen Familien, sind bereits aus Elsaß- Lothringen nach Belgien sortgeführt, um dort zu Ar­beitszwecken verwendet zu werden. Die Franzosen be­gnüg n sich aber nicht einmal mit der Fortführung von wehrpflichtigen Personen. In Diedenhofen sind sogar über 60 Jahre alte Altdeutsche von ihnen verschleppt worden. Die deutsche Regierung hat bei dem Vorsitzen­den der interalliierten Wasfenstillstandskommission gegen dieses Völkerrechtswidrige Verfahren Protest eingelegt.

Leg«« di» panische« Abshten auf Danzig.

(WTB.) Danzig, 18. Dez. Eine große Kundgebung der deutschen Bevölkerung Danzigs gegen die' polnischen Machtgelüste fand gestern nachmittag anläßlich der Anwesen­heit des preuß. Ministers Hirsch statt. Eine nach Tau­enden zählende Menschenmenge zog mit deutschen Fahnen und unter Absingen deutscher Lieder, vom Heumarkt kom­mend, wo sie sich versammelt hatte, zum Obeipröfidium, wa verschiede e Redner zum Ausdruck brachten, daß di« alt« deutsch« Stadt Danzig und die Provinz Westpreußen ewig deutsch bleiben müßten. Der Oberprästdent der Provinz Westpreußen, v. Iagow, gab die Versicherung ab, daß er fein zanzes Können dafür einfetzen werde, daß Westpreußen deutsch bleib« Bon den Versammelten wurde die Absen­dung de» nachstehenden Funkentelegramms an den Präsi­denten Wilson nach Paris beschlosten:Im Namen vom 150 000 Deutschen Danzigs bitten wir Sie. Herr Präsident, dahin wirken zu wollen, daß Danzig deutsch bleibt. Seit Jahrhunderten deutsch, beabsichtigen die Polen doch, Danzig als polnisches Gebiet zu beanspruchen. Dagegen protestiere» wir alle, 98 Prozent gegen nur L Prozent Polen." Im Oberpräsidium empfing Minister Hirsch eine Abordnung der Demonstration und sagte, die Regierung sei fest entschlossen, dir 14 Punkte Wilsons durchzufetzen und das Selbstbestim­mungsrecht der Böller auch für Westpreußen zur Anwen­dung zu bringen. In den Nachmittagsftunden kam er zn Äus/chkejtu.NL«» gegen Kölnische Geschäft«.