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Prof. Schwenninger ist am Samstag abgereist. Der Fürst besuchte gestern mit seinen Söhnen die Grabkapelle.
— Von den Veteranen aus den Befreiungskriegen 1813—1815 sind jetzt noch, wie ans der neuesten Nummer der „Parole" zu ersehen, 29 am Leben, von denen 2 ein Alter von 103 Jahren, 1 von 102 Jahren, 1 von 101 Jahren, 7 von 100 Jahren, 10 von 99 Jahren, 3 von 98 Jahren, 2 von 97 Jahren haben, während das Alter von 3 unbekannt ist. Die beiden Nettesten (1791 geboren) sind': Johann Höft in Ncuhof (Pommern) und Franz Marotzka in Schwartowka (Pommern.)
Hamburg 2. Dezbr. Nach der Hamb. Börsenh. sind die seit langer Zeit schwebenden Verhandlungen über die Verpachtungen amPetrolenmhafenabgeschlossen und vom Senate vollzogen worden. Danach wird der Deutsch-Amerikanischen Petroleum-Gesellschaft der nördliche Teil des Westufers für eigenen Betrieb unter Ausschluß fremder Lager verpachtet. Der südliche Teil des Westufers wird zu einem öffentlichen Lager für Petroleum, Harz, Terpentin u. s. w. eingerichtet. Hierdurch wird der Petroleumhandel und die Lagerung von Petroleum am hiesigen Platze wesentlich erleichtert.
— In Wien ist am 30. Nov. unser schwäb. Landsmann Eisenbahnbaudirektor a. D. Köstlin nach langem schwerem Leiden im 69. Jahre aus dem Leben geschieden. Er war der älteste Sohn des am 12. Ang. 1873 gestorbenen Staatsrats August Köst- lin und studierte am Polytechnikum in Stuttgart. Die längste Zeit seiner Wirksamkeit hat er in Wien zngebracht, wo er als Baumeister auf verschiedenen Gebieten thätig war. Er beteiligte sich bei Eisenbahnbauten. Er war u. a. auch Redakteur der „Allg. Banzeitung"; die Schwarzenbergbrücke in Wien ist sein Werk. Vermählt war K. mit einer Nichte des Dichters Lenau. Sein Sohn ist Direktor Theodor Köstlin-Brandt, z. Z. in Barmen, der in Stuttgart als Leiter des Berger Kurtheaters wohl bekannt ist. Ein jüngerer Bruder des Verstorbenen ist der Direktor des Zellengefängnisses in Heilbronn.
Brüssel, 3. Dez. Am Samstag abend wurde eine in der Nähe der Burg Leopold gelegene Sprengstofffabrik durch Explosion gänzlich zertrümmert. Drei Arbeiter sind tot, 20 schwer verwundet.
London, 3. Dezbr. Die Japaner töteten in Port Arthur fast sämtliche männlichen Bewohner. Viele chinesische Kriegsgefangene wurden erdrosselt, zerstückelt, der Bauch anfgeschlitzt. Nach einer Nachricht der „Times" aus Hiroshama soll die Niedermetzelung der Chinesen in Port Arthur dadurch veranlaßt worden sein, daß die letzteren aus den Wohnhäusern auf die Japaner schossen. Die japanischen Befehlshaber ließen hierauf die Truppen schonungslos Vorgehen. Der Minister des Auswärtigen drückte sein Erstaunen und seinen Schmerz über die Meldungen solcher dem japanischen Geiste entgegengesetzten Grausamkeiten aus und erklärte, die japanische Regierung sei entschlossen, die Grundsätze der Menschlichkeit und Gesittung hoch zu halten.
— Reutermeldung aus Tokio. Der japanische Minister des Auswärtigen teilte
seine Gegenvorschläge an den amerikan. Gesandten, Dun, mit, behufs llebermit- telung an den amerikanischen Gesandten in China. Ueber die Verhandlung wird das größte Schweigen bewahrt, jedoch wird angenommen, daß die japanischen Vorschläge in Entschädigung, sowie in der Forderung drückender Garantieen, darunter der Besetzung Port Arthurs bis zur Erfüllung des Friedcnsvertragcs, bestehen.
London, 3. Dez. Dichter Nebel lagert seit zwei Tagen über ganz England. Mehrere Schiffszusammenstöße wurden gemeldet, große Unglücksfälle werden befürchtet. ^
Tanger, 3. Dez. Die Schwierigkeiten zwischen Marokko und Italien sind beigelegt. Der Sultan ernannte eine Kommission, welche sich nach Livorno begibt, um einen für Rechnung des Sultans in Italien gebauten Panzer abzunehmen. Die Zollbehörde in Tanger ist angewiesen, die Kosten des Panzers und die von Italien geforderte Entschädigungssumme auszuzahlen. Der ital. Gesandte Canta- galli ist nach Rom abgereist, um vor der Rückkehr nach Tanger Weisungen einzuholen.
— Aus Tacoma (Nordamerika) berichtet ein Reutersches Telegramm: Am 28. Nov. nachts um 11 Uhr hörte man hier ein donnerähnliches Geräusch. Es glich einem ungeheuren Meeresrauschen. Plötzlich stürzten die Doks auf einer Strecke von 600 Fuß in die Bai. Auch gingen zwei Dampfer unter. Der Erdboden sank in der Nähe 6 Zoll bis einen Fuß ein. Der Einwohnerschaft bemächtigte sich eine Panik. Die Biehhöfe der Northern Paci- ficbahn, die Bureaus und ein 400 Fuß langer Frachtschuppen stürzten ein. Der Schuppen geriet außerdem in Brand. Ueber die Ursache der Katastrophe gehen die Ansichten auseinander.
Der Hrästn Jache.
Von H- Waldemar.
(Fortsetzung.)
Martin nickte ganz ernsthaft, dann sah er sich scheu um und Lautern naher tretend, flüsterte er: „Sie werden den Herrn Grafen whr verändert finden, seine Stirne ist meist umwö kt und die halbe Nacht geht er in der Bibliothek auf unv nieder. Ja, ja, so ist's, Herr Graf!"
„So ist Graf Gert nicht wohl, Martini"
„Krank ist er nicht, o nein, Herr Graf, es sitz! ganz wo anders und läßt ihn nicht zur Ruhe kommen."
Läuterns Augen stickten die des alten, treue» Dieners. Sie mußten sich verstehen auch ohne weitere» Worte, denn der alte Martin nickte nur betrübt mit dem Kopfe.
„Wer das geahnt hätte, als wir so jubelnd hier einzogen, Herr Graf!"
„Dein Herr ist abwesend, Martin, wann kehrt er heim von Ossip?"
„Heute noch, Herr Graf. Die Herrin ist wieder drüben."
„Wo, drüben?" fragte Lautern, nur um den Schein zu wahren.
„Dort, von wo nichts gutes kommt, Herr Graf, im Rosenhaus."
Lautern fühlte sich versucht, mehr z» fragen, doch widerstrebte es zu sehr seiner stolzen Natur, die Dienstboten auszuforschen was er wissen wollte, würde er schon auf anderem Wege erfahren.
„Ist Fräulein von Walter anwesend, Martin?" fragte er nach einer kleinen Panse.
Des alten Dieners runzlichcs Gesicht verkläne ein freudiger Schein.
„Gott sei Dank, ja, Herr Graf. Wie sollte es ohne sie gehen I"
„So frage an, ob sie einige Minuten Zeit bat, um einen alten Freund zu empfangen, aber verrate mich nicht, Alter, hörlt Dn."
Martin nickte verständnisvoll, dann eilte er, so rasck es seme alternde Füße erlaubten, den weiten Koridor entlang nach den Gemächern Willis, woselbst sich Elisabeth aufhielt, da der kleine Felix der etwas fieberte, nur sie um sich haben wollte.
„Ein alter Freund, sagst Du, Martin?"
„So nannte sich der Herr, gnädiges Fräulein," erwiderte Martin, der seine Freude kaum verbergen konnte.
„Nun, wenn er auf Freundschaft Anspruch macht, kannst Du ihn hier herein- sühren, da ich den Jungen nicht verlassen mag."
Während der letzten Worte schon neigte sich Elisabeth wieder über des Kindes Bettchen und legte dem sich unruhig hin- nnd Herwelfenden Knaben ihre kühle, weiche Hand ans die Stirne. Sie sah, daß es ihm gut that und so wechselte sie öfters zwischen beide» Händen, brs sie, veranlaßt durch ein unbestimmtes Gefüvl beobachtet zu sein, anfschautc und die hohe Gestalt bemerkte, welche unter der Thür stand und ihre Gestalt mit einem emsigen warmen und verlangenden Blick umfing. Fast schien es, als ob er zögerte, die Schwelle zu übertrete». Was würde ihm die nächste Stunde bringen?" Glück und die längst ersehnte Familie oder für immer ein ruheloses Dasein?
Elisabeth sprang aus ihrer knieenden Stellung am Bettchen des Kindes auf und streckte, totenblaß die Hände wie abwehrend gegen den Eintrctenden.
„Gras Lauter», Sie sind es?" stammelte sie unsicher und verwirrt.
„Ja, ich bi» es, Elisabeth," erwiderte der Gras niedergeschlagen. — „Ihr Empfang, — kann cs Sie so sehr überraschen, wenn ich mich nach beinahe endlose» zwei Jahren wieder einstnde, um — nun, um endlich mein Schicksal zu erfahren?"
Elisabeth lehnte schwer athmend und fassnngslvs an dem Bettchen, mit stierendem Blick bat sie um Sckonung.
„Nein, nicht so müssen Sie mich an- blicken, Elisabeth, bat Lautern weich, entwaffne» Sie nuch nicht, ehe Sie mich gehört. Habe ich die Probe nicht bestanden, die Sie mir anferlegten, als ich es schon einmal wagte, um Ihre Hand zu bitten? Habe ich nicht, so schwer es mir auch wurde, mich von ihnen fern gehalten, obwohl mein Herz mit jeder Faser an Ihnen hing, jeder Gedanke Ihnen gehörte? Habe ich nicht —"
„Hören Sie auf, Graf Lautern," rief Elisabeth angstvoll, „martern Sie mich nicht so grausam. Dieselben Gründe, die ich Ihnen damals nicht vorenthielt und die mir die Annahme Ihrer Werbung verboten, bestehen auch heute noch — ich kann nicht vergessen," sprach sie so leise, daß es nur dem Ohr eines Liebenden möglich wurde, sie zu verstehen.