Amtsblatt für die Stadt Witöbaö

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Urs 3.2S.

Dienstag, 6. Wovembev 1894.

30. talu-gang

Alexander m. f.

Der Selbstherrscher aller Reußen, der seit Wochen in schwerem Kampfe mit einem noch Gewaltigeren lag, er ist nach langen Leidens­lagen, die ganz zuletzt noch einmal von trü­gerischer Hoffnung erhellt waren, dem Allherr­scher Tod unterlegen.

Am 13. (1.) März 1881 hatte das grau­sige nihilistische Bombenattentat am Kalharinen- lanal zu St. Petersburg dem Zaren Alexan­der II. den Tod zu einer Zeit gebracht, als dieser Herrscher, dem Rußland die Befreiung von der Leibeigenschaft verdankte, über die Rcfvrmpläne Loris-Melikow's nachsann, durch die er seinem Volke weitere politischen Frei­heiten zu schenken gedachte, um es den An­sprüchen der westeuropäischen Kultur nahe zu dringen. Unter den fürchterlichen Eindrücken dieses entsetzlichen Attentats bestieg Alexan­der III. den Zarenthron. Seit 1865, nach dem Tode seines älteren Bruders Nikolaus, designirter Thronfolger, hatte Alexander III. bereits als Cäsarcwitsch mehrfach Gelegenheit genommen, seine vom Vater vielfach abweichende Stellung zu bekunden. Und seine Verehrung «nd Bestrebungen für das Nationalruffenthum, wie seine wenig deutschfreundliche Gesinnung nahm er mit auf den Thron. Geboren am 10. März nach russischem Datum 26. Februar 1845 und seit dem 9. Nov. (28. Lkt.) 1866 nrt der Braut seines verstorbenen Bruders der Prinzessin Dagmar von Däne­mark, vermählt, soll er gerade in letzterer eine besondere Schürerin des Deutschenhasses ge->' Kunden haben, der in ihm selbst vornehmlich seit dem von ihm bespotteten Ausgang des Berliner Kongresses mächtig war und sich u. a. «ährend des Krieges von 1870/71 in seiner offenen zur Schau getragenen Franzosenfreund­lichkeit zeigte. Man erzählte u. a., daß er in seinem Palast bei Geldstrafe verboten habe, deutsch zu sprechen, und daß sein Vater, als er zum Ball erschien, seinem SohneGuten Abend" wünschte und lächelnd die Zehnrubel­note auf den Kaminsims legte.

In den 13 Jahren, seit denen Alexander III. auf dem Thron sitzt, hat er neben sich zahlreiche Ratgeber, gute und schlechte, dahin- gehen gesehen, den alten Gortschakoff, der weinend wie ein Kind von seinem Amte schied, den reaktionären Tolstoi, den fanatischen Kat- koff; er hat auch manchen, der ihn auf abenteuer­liche Bahn fortzureßien drohte, wie den ge­schäftigen Wyschnegradski und den intriganten Jgnatieff, von seiner Seite gewiesen. Aber festgehalten hat er an Giers, dem Manne, der stets zum Frieden riet, und still, aber wirksam den Panslavisten entgegenarbeitete und

, an Wannowski, der zwar die russische Armee in sornudablen Dimensionen organisierte, aber mit den kriegslüsternen Gesinnungen eines Skobeleff und Obrutscheff nichts gemein haben wollte. Bisweilen hatte es wohl den Anschein, als ob Alexander III. mehr den Kriegshetzern als den Friedensfreunden in seiner Umgebung sein Ohr zuneigte; das war in den Momenten, da er sich verletzt glaubte, und insbesondere im Jahre 1887, als es geheimen Einflüssen gelungen war, ihn mittels gefälschter Doku mente gegen Deutschland und den Dreibund einzunehmen. Aber überzeugender Aufklärung zugänglich, drängte er nach einer berühmten Unterredung m t dem Fürsten Bismarck seine persönlichen Empfindungen zurück, um allmäh­lich desto entschiedener den Schutz des Friedens sich angelegen sein zu lassen.

Mehr wie einmal war Alexander III. nahe daran, gleich seinem Vater als Opfer der Verschwörungen zu fallen und es läßt sich wohl ermessen, wie sehr das Gemüt des Zaren, besonders durch die Katastrophe von Borki, darunter gelitten, wie schwere seelische Be­wegungen der nun tödlich verlaufenen Krank­heit die Wege geebnet. Denn durch manche nervenzerwühlenden Beängstigungen und Schreck­nisse hat der Lebensweg des Zaren geführt, der im Privatleben ein musterhafter Gatte und Familienvater war.

Alexanders III. Verdienst aber wird es bleiben, daß er trotz allen Hetzereien des Pans- lavismus, trotz der Festigung und größeren Kriegsbereitschaft des Reiches, seit einer Reihe von Jahren durch seine persönliche Friedens­liebe, seinen lautern Charakter, wesentlich an der Erhaltung des europäischen Friedens zum , Heil aller Völker beigetragen hat und durch seine persönliche» Bemühungen des deutsch­russischen Handelsvertrags eine neue kräftiges Friedensbürgschaft bot. Hoffen wir, daß auck^ des verstorbenen Zaren junger Sohn und Nachfolger Nicolaus Alexandrowitsch, in diesem Fernhalten des Krieges dem Vater folgen wird, dann wird er, wag er persönlich deutschfreund­lich oder nicht gesonnen sein, an der Wohl­fahrt Rußlands einen nicht geringen dankens­werten Anteil haben, nicht minder auch an der Wohlfahrt Europas.

Württemberg.

Gestorben: 3. Nov. zu Schloß Com- burg Karl Hermann v. Fack, General­major z. D. und Kommandant des württ. Ehren-Jnvalidenkorps, Kommenthur des Ordens der württ. Krone, Ritter des Militär-Bcrdicnstordens, Kommenthur 2. Klasse des Friedrichsordens, 60 I. a.

Stuttgart, 2. Nov. Aus Anlaß des Ablebens des Kaisers Alexander von Ruß­land ist Hoftrauer je hälftig in 3. und 4. Abstufung der Hoftrauerordnung un­geordnet worden. :

Stuttgart, 2. Nov. Heute Abend 9 Uhr verkündigte die Strafkammer das Urteil im sog. Schaberprozeß. Beide An­geklagte, Eichhoff und Agster wurden wegen schwerer Beleidigung des Oberlandesge­richtsrat Dr. v. Bücher, je zu der Ge­fängnisstrafe von 2 Monaten, Tragung aller Kosten, Veröffentlichung des Urteils in derTagwacht" und demStaats- Anzeiger" in Stuttgart, sowie derNeckar- ! Zeitung" in Heilbronn verurteilt. Die I Verurteilten werden die Revision anmelden. Der Prozeß gründete sich auf den Ab-

1 druck einer Broschüre mit demTitelJustiz­mord" und hatte folgende Vorgeschichte: Ein gewisser Fabrikant Johann Schaber, gebürtig aus Unterheiurieth, wurde 1859 als 22jähriger junger Bursche nebst einem Altersgenossen von dem damaligen Schwur­gerichtshof zu Ludwigsburg eines gemein­schaftlich verübten Mordes schuldig ge­sprochen und zum Tode verurteilt, indes zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe begna­digt. 1871 wurde beiden die weitere Ab­büßung ihrer Strafe erlassen, unter der Bedingung der Auswanderung nach Ame­rika, wo es Schaber gelang, sich eine neue Existenz zu gründen, während sein Leidens- genoffe im Elend unterging. Schaber schrieb nun vor ein paar Jahren eine Broschüre, in der er behauptete, daß er unschuldig verurteilt worden sei und daß daran die Art, wie der damalige Gerichts­aktuar Bücher die Untersuchung geführt habe, die Schuld trage. Der Abdruck der Broschüre in derSchwäb. Tagwacht" in Nr. 118 bis 129 des Jahrgangs 1892 bildete den Gegenstand der Anklage. Die Verhandlungen vor der Strafkammer begannen am 24. Okt. und dauerten bis heute Abend.

G r o ß - S a ch s e n h e i m, 4. Nov. i Gestern Abend 9 Uhr passierte während Zug 38 auf der Station stand, eine leere Lokomotive aus Vaihingen kommend, welcher die Linie sreigegeben war, die hiesige Station. Der verheiratete Briefträger Metzger von hier, Vater von 6 Kindern hatte aber am Zug 38 noch zu arbeiten und wollte eben das Geleise überschreiten, lllsdielecrcMaschineheranbraustc. Metzger wurde überfahren und schwer verstümmelt,

2 Stunden später war er eine Leiche.