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achtet; auf dem eisernen Gitter der in schwindelnder Höbe über dem Wasserspiegel liegenden Parknachbrücke sitzend, wurde er von Personen bemerkt, wie er, den Rücken gegen die schauerliche Tiefe gewendet, mehrmals mit lautem „Hopp" sich schwang, bis er die Hände los ließ und der furchtbare Sturz in die Tiefe erfolgte. Die Leiche wurde am Eingang der Klamm, in gräßlicher Weise entstellt, aus der Partnach gezogen.
Paris, 17. Mai. Die Polizei hat mehrere Personen in Haft genommen, die in großem Maßstabe die Herstellung gefälschter seltener Briefmarken betrieben und dieselben um hohe Preise an Sammler verkauften. U. a. wurde ein gewisser Alfred Menke, angeblich ein Württemberger, der französische Kolonialmarken anfertigte, und ein Händler, Namens Be- auxemond, gefänglich eingezogen. Des Letzteren Spezialität war die Erzeugung elsaßlothringischer Briefmarken, wie sie 1870/71 von Deutschland in den besetzt.» Gebieten in Verkehr gebracht worden waren. Der Mann verkaufte vollständige Serien dieser gefälschten Marken um 150 Fr. an zahlreiche Sammler.
Petersburg, 19. Mai. BeimBrande des bei Wilna gelegenen Schlosses des Grasen Tizkewitsch ist eine Menge Kostbarkeiten vernichtet worden. Der Schaden beträgt eine Million Rubel. Das berühmte Bild Matejkos „Stephan Batori vor Pleskau" wurde gerettet.
Madrid, 19. Mai. Der oberste Kriegsrat verurteilte von den Barcelonaer Anarchisten 6 zum Tode, 4 zu lebenslänglicher Zwangsarbeit. Jene werden voraussichtlich morgen in Barcelona im Fort Monjuich erschossen.
Chicago, 19. Mai. Der Sturm, welcher vergangenen Donnerstag das westliche Ufer des Michigansees heimgesucht hatte, ist der heftigste seil Jahren gewesen. Zahlreiche Schiffbrüche sind gemeldet worden. Zehn Personen sind ertrunken.
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Niitki-Halbndks.
„Aneinander gekettet.""
Amerikanischer Kriminalroman v. O- Ellendor
(Nachdruck verbalen.!
(Fortsetzung.)
Bald hatte er ein Hotel gefunden, in welchem man ihm, seinem Aeußer» gemäß, die besten Zimmer anwies. Er befahl Feuer in dem Kamin anzuzünden und verlangte eiue Flasche Brandy nebst Zucker und Wasser, wie auch Schreibmaterialien. I» dieiem Augenblicke war er fest wie am Morgen. „Ich darf nicht zögern," sagte er, „nicht vor meinem Verhängnis erschrecken."
Er ließ sich in der Nähe des Feuers nieder und schrieb folgende Erklärung, die er für die Behörde bestimmte.
„Niemand darf für meinen Tod verantwortlich gemacht werden," begann er und schloß das Dokument mit dem Wunsche, daß der Wirt des Hotels entschädigt werden möge. Als er geendet, war es beinahe elf r. „Ich werde mich um Mitternacht er- ießen. Ich habe noch eine Stunde zu leben."
Dann warf er sich i» einen Armstuhl und bedeckte sein Gesicht mit den Händen. Warum tötete er sich nicht sofort? Weshalb das Leben verlängern um eine qualvolle Stunde? Er blieb sich die Antwort schuldig. Noch einmal beschäftigte ihn die Vergangenheit, deren riesenschnell aufeinander folgende Phasen ihn schließlich in dieses elende Gemach geführt. Wie so schnell war die Z-it vorbeigeetlt! Es kam ihm vor, als ob es gestern erst gewesen, als er die ersten Schulden gemacht. Bald änderte sich sein Jdeengang. Zweifelsohne war Rosa die Urheberin des Zeitungsartikels, denn als sie ihn in der Avenue nicht mehr sah, war sie wahrscheinlich in seine Wohnung geeilt, darauf in seinen Klub und später zu einigen seiner Freunde. Um Liese Zeit diskutirte mau in allen fashionablen Kaffees sicherlich sein Verschwinden. „Hörten Sie schon die Neuigkeit? — Ah — yes — der arme StrattonI — Welch ein Roman! Ein guter Kerl — aber —"
Indem er sich diesen Dialog vergegenwärtigte, war es ihm, als höre er »ach jemem „aber" ironisches Lachen.
Die Zeit verstrich. Halb zwölf Uhr hatte es geschlagen, während er noch in Gedanken verloren war, und setzt war es nur noch eine Minute vor Mitternacht.
Arthur verließ den Armstuhl, ergriff einen Revolver und stellte sich an das Bett, damit er nach der schrecklichen That nicht auf den Bode» falle. Der erste Schlag der mitternächtlichen Stunde verhallte — und doch feuerte er die Waffe nicht ab. Arthur war allgemein als mutig und entschlossen bekannt und hatte mindestens zehn Duelle ausgefoch« len, bei denen seine unerschütterliche Ruhe stets Gegenstand der Bewunderung gewesen. Bei einer solchen Gelegenheit hatte er seinen Gegner getötet und die Nacht darauf ganz gut geschlafen. Und doch feuerte er jetzt die Waffe nicht ab! Es war schon zehn Minuten nach zwölf und noch hielt Arthur die Mündung derselben an seine Schläfe.
„Habe ich keinen Mut?" fragte er sich und in Wahrheit, er besaß keinen, was er sich jedoch nicht gestehen mochte. — Er legte de» Revolver auf den Tisch und kehrte auf den Sitz am Feuer zurück. Seine Arme
und Beine zitterten. „Ich bin nervös," sagte er leise, „aber das wird vorübergehen."
Indem er beschloß, bis um ein Uhr zu warten, suchte er sich vou der unabänderlichen Notwendigkeit, Selbstmord begehen zu müssen, zu überzeugen. Tbat er es nicht, was würde dann aus ihm? Wie sollte es ihm möglich werden, zu leben? Konnte er sich entschließen, zu arbeiten? Ueberdem konnte er in New-Iork bleiben, nachdem die ganze Stadt wußte, was er am Morgen zu thun beschlossen hatte? Dieser Gedanke erfüllte ihn mit Wut, er ergriff wiederum den Revolver. Aber nur die Berührung des kalten Stahles mit seiner Stirn ließ ihn die Waffe senken und schaudern. „Ich kann nicht — ich kann nicht!" wiederholte er enttäuscht.
Die Idee, daß physische Schmerzen mit dem Erschießen verbunden sein könnten, flößte ihm Angst ein. Warum hatte er nicht eine mildere Todcsart gewählt? Durch Gift oder Ersticken? Mit jeder halben Stunde war er wieder entschlossen, aber immer mit demselben Resultat Es war seine schrecklichste Nackt. Dan» weinte er aus Gram und Wut, rang die Hände und versuchte sogar zu beten. Als der Tag zu grauen begann, fiel er in einen unruhigen Schlaf, aus dem er durch ein Klopfen an der Thür geweckt wurde. Es war ein Aufwärter, der erschien, um Strattons Befehle für das Frühstück entgegen zu nehmen und welcher erschrocken zurücktaumelle, als er in das erdfahle verstörte Gesicht und auf das unordentliche 'Aeußere seines Gastes blickte.
„Ich wünsche gar nichts," sagte Arthur, „ich komme gleich hinab."
(Fortsetzung folgt.)
Vermischtes.
— Zur Geschäftslage in Rußland schreibt ein Petersburger Korrespondent unter dem 14. Mai: Angesichts der kolossalen russischen Getreidevorräte, die vergeblich auf Abnehmer aus dem Auslande warten, drängt sich den Russen immer mehr die Ueberzeugung auf, daß Deutschland auch ohne russisches Korn auskommen kann. Andererseits gehen deutsche landwirtschaftliche Gerätschaften und Maschinen massenhaft nach Rußland. Auch tm Süden des russischen Reiches gelten die Erzeugnisse deutscher Industrie als die besten und kann von einer Konkurrenz der südrussischen Eisengießereien und Stahlwerke kaum die Rede sein. Während vor Abschluß des Handelsvertrags kaum 4 bis 5 Waggons mit ausländischen Waren das Warschauer Zollamt passierten, weiden jetzt gegen 90 Waggons, die meist mit deutschen Ackerbauutensilien befrachtet, tagtäglich ins Innere Rußlands abgefertigt. 25 Waggons mit ausländischen Fabrikaten treffen täglich für Warschau ein. In allen Richtungen des russischen Reiches machen die deutschen Industriellen gegenwärtig gute Geschäfte. Vor dem Petersburger Zollhause liegen an erster Stelle deutsche Dampfschiffe schwerbeladen, die während der vorjährigen Navigationsperiode ihre Touren zwischen Petersburg und Lübeck meist mit geringer Ladung machten. Außer landwirtschaftlichem Gerät, Stahl und Eisen der Firma Fr. Krupp hat das Dampfschiff „Elbe" sogar allerlei deutsches Holz und selbst Früchte nach Rußland gebracht. Auch in den Lagern des Zollamts sieht es in diesem Jahre ganz anders aus, als im vorigen. Gab es damals hier nur französische, englische und amerikanische Waren, so herrscht jetzt unbedingt das deutsche Element vor.