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Donnerstag, 3. Mai 1894.
30. tatiiMng.
Württemberg.
Stuttgart, 29. April. Die medizinischen Sachverständige» im Prozeß Hegelmaler erklärten gestern, Hegelmaier sei nicht nur gegenwärtig geistig gesund, sondern sei es bisher gewesen. Der hiesige Obermedizinalrat Lan- denberger änderte sein früheres Gutachten dahin ab, er habe sich nunmehr überzeugt, daß Hegelmaiers Wahn, verfolgt zu sein, kein Wahn mehr genannt werden könne; damit falle aber auch die Annahme der Geistesstörung. Er, Landenberger, hätte nie geglaubt, daß solche Zustände, wie sie damals herrschten, in Württemberg bestehen könnten.
Stuttgart, 30. April. Großes Aufsehen erregt das plötzliche Verschwinden des Geschäftsführers eines hiesigen Kurz- und Manufakturwarengeschäfts, namens M. Derselbe war erst seit wenigen Monaten in dem Geschäft angestellt und hatte sich mit der bisherigen ersten Verkäuferin des gleichen Geschäftes verlobt. Die Hochzeit sollte binnen kurzer Frist statlsinden. Wie verlautet, hatte der Durchgebrannte vorher in einer bayrische» Stadt gleichfalls einen Vertrauensposten bekleidet und daselbst beträchtliche Unterschlagungen verübt, welche er durch Bücherfälichung zu verdecken suchte. Seine betrügerische Handlungsweise kam aber an den Tag und er sollte deshalb in Untersuchungshaft genommen werden. Hievon scheint er rechtzeitig Wind bekommen zu haben.
Stuttgart, 1. Mai. Am heutigen sozialistischen Maifeiertag haben unbekannte Individuen ihr Mütchen an unserer „Bismarckeiche gekühlt. Dieselbe wurde m letzter Nacht auf 1 Meter Höhe geschält. Ob die Eiche noch zu retten ist, wenn die geschälte Stelle sofort verstrichen wird, ist mit Bestimmtheit noch nicht zu sagen.
Höfen, 30. April. (Kirche-Einweihung.) Vortrefflich ist das Werk gelungen und dasselbe wird seinen Meister loben! Nach zwei Baujahren war es am Sonntag .ein Freudentag den die hiesige Gemeinde begehen konnte; erhaben steht nun die Kirche auf einem Hügel da. Von Fern und Nah, aus etwa 25 Ortschaften waren zahlreiche Festteilnehmer herbeigezogen. Früh morgens 7 Uhr läuteten die Glocken vom Turme und Choralgesänge begrüßten ;den Freudentag. Obwohl es in Strömen vom Himmel herabregnete, nahm die Feier dennoch ihren programmmäßigen Verlauf. Gegen 11 Uhr stellte sich der viele hundert Festteilnehwer zählende Festzug in der Nähe des Bahnhos's auf. Derselbe bewegte sich in folgender Reihenfo.ge durch die Bahnhofstraße zum Gotteshaus: Voran dis Festmusik (Mitglieder der Kurkapelle Wildbad). Schüler und ZW" Des Himirrelfahrtssestes
Schülerinnen,der Oberklassen, der Männsrge- sangverein von hier, der gemischte Kirchenchor von Wildbad, mehrere Geistliche im Ornate, d>e Bau- und Bezirksbeamten, Kirchengemeinderat und bürgerlichen Kollegien von hier und Calmbach, die eingeladenen Gäste, die Ortsvorsteher der verschiedenen Bezirksgemeinden und die sonstigen Männer und Frauen der hiesigen Gemeinde. Die Häuser des Orts waren festlich geschmückt; Fahnen, Kränze, Guir- landen sah man allenthalben. Auf beiden Seiten der Straße zur Kirche waren Waldbäumchen angepflanzt. Als der imposante Zug vor der Kirche angekommen war. erscholl Choralmusik. Es erfolgte nun unter einer Ansprache die Uebergabe des. Kirchenschlüssels und das Oeffnen der Haupteingangsthür durch den Herrn Pfarrer Mayer von Calmbach, welchem auch die Seelsorge für die hiesige Gemeinde obliegt. Die Kirche selbst füllte sich rasch mit den zahlreichen Festteilnehmern; da sie auf etwa 500—550 Sitzplätze eingerichtet ist, so konnte der Raum nickt für alle aus- reichen. Mit Orgelspiel begann die Feier, abwechslungsweise trugen während derselben der Kirchenchor von W'ldbad, die hiesige Gemeinde, der hiesige Männergesangverein dem Sinne der Feier entsprechend schöne kirchliche Kompositionen vor. Die erhebende Ansprache und das Weihegebet hielt Hr. Dekan Cranz von Neuenbürg, die eigentliche Festpredigt Herr Ortsgeistlicher Mayer. Nachdem von demselben ein Taufakt vollzogen und der Männergesangverein Höfen das Lied „Kommt, kommt den Herrn zu preisen" vorgetragen, erfolgte eine weitere Ansprache seitens des Herrn General-Superintendenten Prälat Dr. v. Wittich, welcher auch den apostolischen Segen erteilte. Mit dem Gemeindegesang „Tausendmal sei Dir" schloß die Feier in der Kirche selbst. Nach Va12 Uhr versammelten sich etwa. 120 Festtteilnehmer zum Mittagsmahl im Gaflhof zum Ochsen. Das Mahl mundete vortrefflich; der Besitzer hatte auch alles aufgeboten, um die Teilnehmer zufrieden zu stellen. Derselbe hatte u. a. einen tüchtigen Koch von Stuttgart, Herrn Haslacher, eigens hierzu engagirt, welcher der Küche eines Hotels während der Weltausstellung in Chicago vorgestanden hatte. Die Speisenfolge war zusammengesetzt aus: Mok-turtle-Suppe, Forellen (blau) mit Sauce Hollandaise und neuen Kartoffeln, Ochsenfleisch mit verschiedenen Beilagen, Schinken, Zunge, Pastetchen mit neuen Carotten und Erbsen, Schlachtbraten.
Rundschau.
Aus Baden wird gemeldet: Die bad. Maurer fangen an unruhig zu werden, und
wegen erscheint das nächste Blatt
in Freiburg ist es bekanntlich bereits zu einem Ausstand derselben gekommen, der die Zentralkaffe des Fachvereins bis jetzt schon 3500 Mark gekostet hat. Das Freiburger Beispiel scheint Nachahmung finden zu sollen. So haben z. B. in Pforzheim, woselbst zur Zeit eine sehr rege Bauthätigkeit herrscht, die Maurer in den letzten Tagen hinter einander mehrere stark besuchte Versammlungen abgehalten, in welchen beschlossen wurde, die Arbeitgeber aufzufordern, die italienischen Arbeiter zu entlassen. Gegen die italienischen Maurer, die überhaupt in Baden in großer Zahl vorhanden sind, herrscht große Erbitterung, nicht minder gegen die württembergischen Arbeiter, welche in letzter Zeit die Streikenden in Freiburg teilweise ersetzt haben. Die Beschäftigung der Italiener soll auch den Gegenstand einer Petition an den Landtag bilden.
Baden-Baden, 29. April. Am 1. Mar d. I. wird die neuerbaute Bahnstrecke von Gernsbach nach Weisenbach dem öffentlichen Verkehr übergeben werden. — Heute wurde das Palais des Grafen Vitztum von Eichstätt hier, welcher nach Dresden übergesiedelt, an Fabrikant Fr. Krupp aus Esten für die Summe von 500 000 Mk. verkauft.
Baden, 30. April. Auf dem Marktplatz hier wird in diesen Tagen ein 17 Meter langer Schlitz aufgegraben, um das Erdinnere »ach neuen Thermalquellen zu untersuchen. Die Bohrungen werden auf Veranlassung des Ministeriums des Innern von der Domänendirektion, als oberste Bergbehörde, geleitet. Hoffentlich sind die Versuche von gutem Erfolg begleitet.
Aus dem badischen Schwarzwald. Richard Stöcker, Amtsrevisor in Waldshut, als „Hegausänger" wohl bekannt, wurde von dem Großherzog durch Verleihung des Ritterkreuzes vom Zähringer Löwenorden ausgezeichnet.
Emmendingen, 29. April. Seit einigen Tagen ist der bisherige Gemeinderechner M. von Thenningen spurlos verschwunden. Derselbe soll sich angeblich nach Freiburg begeben haben, um dort Geld zu holen, in Wirklichkeit aber, wie man vermutet, in die Schweiz geflüchtet zu sein, um einer ihm wegen dringenden Verdachtes der Unterschlagung von Kassengeldern drohenden Untersuchung bezw. Verhaftung zu entgehen. Von Seiten des hiesigen Amtsgerichts soll- schon ein Haftbefehl gegen ihn erlaffen worden sein. Wie man hört, ist M. bereits verhaftet worden, er soll sich selbst gestellt haben.
Albersweiler, (Pfalz). Vor einigen Tagen wurde hier ein Kämpfer aus den Ruh mesjahren 1870—71 zu Grabe getragen. Der
erst Samstag Mittag. 'YU