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Scttnslcrg, 3. 1864.

30. IStNMNg

KÜr ttemb erg.

Stuttgart, 30. Jan. Der „Beob­achter" will wissen, kürzlich sei eine der Krone nahestehende Persönlichkeit in Heilbronn ge­wesen und habe dem suspendierten Oberbür­germeister Hegelmaier im Aufträge mitgeteilt, man sei höchsten Ortes jetzt der Ansicht, daß ihm schweres Unrecht geschehen und daß ein Kompromiß notwendig sei. Auch soll beab­sichtigt seni, Hcgelmaier wieder im Staats­dienst zu verwenden.

— Man glaubt jetzt die Persönlichkeit des in Neckarrems Ermordeten, dessen Leiche immer noch im Leichenhause des hies. Pragfriedhofes liegt, festgestellt zu haben, eS soll ein gewisser Julius Friedrich Schwinghammer aus Lud­wigsburg, ein übelbeleumundetes Individuum sein. Ganz bestimmt ist die Identität aller­dings noch nicht konstatiert.

— Dem Reichstage ist eine Berechnung der Matrikularbeiträge für 1894—95 zuge- gangen. Danach zahlt Württemberg 18,974,360 Mark, also 2,472,358 Mark mehr als im Vorjahre, Baden 14,845.188 Mk., Bayern 52,409,931 Mk., Hessen 8,218,758 Mk. und Elsaß-Lothringen 14,399,878 Mark

Eßlingen, 30. Jan. Photograph Lieb- Hardt, der die Weltausstellung in Chicago be­suchte, hielt gestern Abend auf Anregen deS Gewerbevereins im Traubensaal einen Vortrag über seine Reiseerlebnisse und über die Aus­stellung. Liebhardt hat während seines Auf­enthalts in Amerika nahezu 400 Photogra­phien ausgenommen und mit denselben die Ausstellungsgebäude, die schönsten Bauten der Stadt Chicago, die verschiedenen Völkertypen, die deutschen Kommissäre und Ingenieure u. a. zur Darstellung gebracht. Die sehr schöne Sammlung, die den Vortrag unterstützte, war heute noch im Traubensaal für allgemeine Besichtigung zugänglich.

Ellwangen, 30. Jan. In der Nacht vom 28./29 wurde in der Nähe der Jagst- brücke der Wagner Hauber von Breitenbach von zwei Burschen angefallen und seiner Uhr sammt Kette beraubt. Die Thäter wurden von der hies. Landjägermannschaft ermittelt und dem Gerichte überliefert.

Rundschau.

Karlsruhe, 29. Jan. Eine zahl­reich besuchte Versammlung von Interessenten des Handels, Industriellen und Gewerbetrei­benden unter dem Vorsitze des Handelskammer- Präsidenten Schneider gründete einen „Verein zur Wahrung der Interessen von Handel, Industrie und Gewerbe" in Erwartung, daß die übrigen deutschen Städte Nachfolgen wer­den.

— Der Bauunternehmer Lacroix in Karls- ruhe ist an den Folgen einer Blutvergiftung

gestorben, die er sich infolge Verletzung eines Hühnerauges durch einen engen Stiefel zuge­zogen hat. Durch Amputation des Unter­schenkels sollte versucht werden, das Fortschrei­ten der Blutvergiftung cinzuhalten, aber ohne Erfolg.

Offenburg, 31. Jan. In tiefes Herze­leid wurde eine hies. Beamtenfamilie versetzt. Deren lOjähr. Sohn wurde gestern von seiner Mutter angehalten, in die Kirche zu gehen. Er that dies aber nicht, behauptete aber doch in der Kirche gewesen zu fein. Die Mutter fand bald heraus, daß sie angelogen worden sei und stellte dem Knaben Strafe in Aus­sicht, wenn der Vater heimkomme. Darauf entfernte sich der Knabe und kam nicht mehr nach Hause. Als der bekümmerte Vater nach 7 Uhr von dem Verschwinden desselben auf der Polizei Anzeige machte, wurde ihm dort die schreckliche Mitteilung, daß sein Sohn vor einer Stunde von einem Eisenbahnzug über­fahren worden sei. Der Knabe hat sonach in der Angst vor der zu erwartenden Strafe offen­bar seinen Tod selbst gesucht. Der Jammer der Eltern ist herzzerreißend.

— Der Kommandant der Festung Ger­mersheim, Generalmajor Mayr, ließ sich in Heidelberg operieren. Kurz nach der Opera­tion starb er.

Wolfratshausen (Oberbayern.) Auf originelle Weise hielt kürzlich der Wirt Kirsch- ner im nahen Dorfe Weidach den Gerichts­vollzieher Brenz dahier von einer vorzuneh- mendcn Pfändung ab. Als letzterer mit zwei Zeugen das Zimmer betrat, warf Kirschner den Eintretenden einen Bienenstock vor die Füße, dessen Bewohner alsbald den ganzen Raum des Zimmers füllten und die Ankom­menden zur Flucht trieben.

— Der nächste Aerztetag wird vom 19. bis 30. Juni d. I. in Eisenach statt­finden,' auf die Tagesordnung werden kommen: Die Beziehungen der Aerzte zu den Berufs­genossenschaften und das Verhältnis der Aerzte zu den Lebensversicherungs-Gesellschaften.

Berlin, 31. Jan. Die Herzogin Wera mit Töchtern ist gestern Abend hier eingetroffen. Die Herzoginnen wurden von dem Kaiser am Bahnhof abgeholt und in das Schloß geleitet, wo dieselben Wohnung nahmen.

Berlin, 31. Jan. Die Verwaltung des Kongostaates beabsichtigt die Erstellung einer Telegraphenlinie von Borna am Kongo zum Taganjikasee in einer Länge von 3000 Kilo­meter.

— Der „Reichsanzerger" veröffentlicht einen Erlaß des Kaisers an den Reichskanzler, worin er für die mannigfachen Beweise von treuer Liebe des Volkes zum Fürsten seinen tiefgefühltesten Dank ausspricht. Innige Be-! friedigung gewährte dem Kaiser, wahrzunehinni.!

wie die von allen patriotischen Herzen entgegen« gebrachte freudige Teilnahme durch den dem Kai­ser gewordenen Besuch des um Kaiser und Reich so hochverdienten Staatsmannes noch besondere Steigerung erfuhr.

Berlin, 31. Jan. Di« Budgetkom- Mission des Abgeordnetenhauses lehnte die ge­formte Erhöhung des Gehaltes für den Stutt­garter Gesandten von 30,000 Mk. auf 36,000 Mk. ab.

Aus FriedrichSru h berichtet der „H. K.": Kaisers Geburtstag wurde hier gestern durch ein Essen beim Fürsten Bismarck ge» feiert, an dem 19 Personen teilnahinen, da­runter einige Gäste aus Hamburg, einige Nach, barn und die ersten Beamten in Friedrichs­ruh. Der Fürst war in freudigster Stimm­ung und brachte in begeisterter Rede den Toast auf den Kaiser aus. Von dem Empfang, dex ihm in Berlin zu Teil geworden, ist der Fürst ganz entzückt. Ueberall hält man es schon für feststehend, daß der Kaiser dem Fürsten hiev in allernächster Zeit einen Besuch abstatten wird; über den Tag, an dem dieser Besuch erfolgen dürfte, ist jedoch nichts Sicheres be­kannt und deshalb sind auch die Gerüchte, daß der Besuch am 15. Febr. stattfinden soll, mit Vorsicht aufzunehmen.

— Die Stadt Barmen ist in den Be­sitz einer Schlachthofanlage, verbunden mit Viehhof gelangt, die wohl zu den großartigsten Anlagen dieser Art in Deutschland gezählt werden darf. Auf einem 6 Hektar umfassen- den Gelände stehen zu den verschiedenen Zwecken mehr als 20 Gebäude, die sämtlich aus dem gleichen Material in Ziegel-Architektur herge­stellt find und die bewährtesten Einrichtungen der bestehenden Schlachthäuser enthalten. Die Anlage wurde für eine jährliche Schlachtung von 13,000 St. Großvieh, 29,000 Schweinen, 18,000 Kälbern und 14,000 Schafen berech­net und kostet 2,650000 Mk.

— An den Unrechten gekommen sind 3 Hallunken, welche am Freitag bei Weissen- burg a. S. einen Bauern anfielen und ihm sein Geld abverlangten. Der Bauer prügelte die Burschen, von denen einer sogar mit einem Revolver schoß, tüchtig durch und ging seiner Wege.

Zürich, 30. Jan. Es sollen in den nächsten Tagen zahlreiche deutsche und öster­reichische Anarchisten ausgewiesen werden. Heute wurde wiederum eine Anzahl verhaftet.

London, 30. Jan. Der Wiener Bericht­erstatter der „Times" setzt auseinander, daß durch die Versöhnung des Kaisers mit Bis­marck eine neue Annäherung zwischen Peters­burg, Berlin und Wien angebahnt worden ist.

Bueno s-Ayres, 30. Jan. Die Auf­ständischen von Rio de Janeiro bemäch­tigten sich nach blutigem Kampfe deS Forts