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Rro. 2.2 O.
Donnerstag, 28. Dezember 1893.
29. taliiMng.
Wür ttemherg.
Stuttgart. Gelegentlich eines Eisenbahnunfalles war einem Reisenden eine Brieftasche mit 700 Mark in Papiergeld, welche er auf der Fahrt in der innern Rocktasche bei sich getragen hatte, abhanden gekommen. Das Oberlandcsgericht hat entschieden, datz die Eisenbahn zum Ersatz des Schadens verpflichtet sei. Die Ersatzpflicht folge aus dem Trans- Pvrtvertrage, den der Reisende mit der Bahn- Verwaltung durch Lösung der Fahrkarte abgeschlossen habe.
Stuttgart, 23. Dez. Die neuen b illigen Zeitfahrkarten, welche mit dem 15. Dez. zum ersten Male in Württemberg in Anwendung kamen, und welche für alle Strecken der Staatsbahn und sämtliche Züge ohne Zuschlag Giltigkeit haben, fanden sofort eine alle Erwartungen übertreffende Aufnahme im Publikum. Am zweiten Tage hl 6. Dez.) waren schon nahezu 700 Karten solcher Art gelöst worden, so daß die Einnahme der Ei- senbahnkasse, den niedersten Preis der dritten Klaffe zu Grunde gelegt, 14,000 Mark beträgt.
— Der „Staatsanzeiger" gibt die Aeuße- rungen des „Reichsanzeigers" betr. die württembergischen Offiziere wieder und fügt hinzu, daß in keinem Stadium der Verhandlungen eine Aenderung der MiHtärkonven- tion in Frage kam. Auch von Versetzungen württembergischer Offiziere nach Preuße» war bei den Verhandlungen niemals die Rede. Der Kriegsminister ging nach Berlin, gemäß eines im Interesse der württem- bergischen Offiziere erlassene» Befehl des Königs, um sich mit dem preußischen Kriegsminister in Verbindung zu setzen und ent- giltig festzustellen, in welchem Dienstalters- verhältnis jeder württembergische Offizier zu den Offizieren der gleichen Rangstufe in der preußischen Armee steht. Das so festgestellte Dienstalter soll fortan die einwandfreie Grundlage bilden für die erforderlichen beiderseitigen Kommandirungen gemäß Artikel 8 der Militärkonvention vom 21. und 25. Nov. 1870. Die Verhandlungen find noch nicht vollständig zum Abschluß gelangt. Vielfache Preßgerüchte, betr. die Abschaffung des Kriegs- ministermms, die Errichtung eines Militär-! kabinets, massenhafte Kommandirungen württembergischer Offiziere nach Preußen rc. entbehren jeder tatsächlichen Grundlage.
Neuenbürg, 28. Dez. Der hiesige Jünglingsverein hat sich bei seinen dramatischen Weihnachtsaufführungen von Jahr zu Jahr schwierigere Aufgaben gestellt. Heuer hat er sich sogar an das bekannte Lutherfeftspiel von Herring gewagt; dasselbe wurde gestern Nachmittag in der Post
gelungen aufgeführt I Der Kirchenchor und ein Knabenchor wirkten dabei mit.
Calw, 28. Dez. Als Gerichtstag, an welchem Anfragen, Gesuche und Klagen beim hiesigen Amtsgericht und zu Protokoll der Genchtsschreiberei gegeben werden können, ist von Seiten des kgl. Amtsgerichts hier pro 1894 der Samstag vormittag bestimmt. Dringliche Anträge zu Protokoll des Gerichlsschreibers werden jedoch an allen Werktagen von 9—12 und von 2—6 Uhr angenommen.
— Die Flößerei aus der Nagold ist immer noch bedeutend. Von den sechs Wasserstuben an der oberen Nagold gingen diesen Sommer 110 bis 120 Flöße ab. Jeder derselben hatte 16 bis 24 Gestöre, ihre Länge betrug bis zu 286 Meter. Der Kubikinhalt an Festmetern wechselte zwischen 150 und 300. Es wurden somit auf dem Wasser ca. 24,000 Festmeter Langholz befördert. Dazu kommt noch, daß auf den Flößen auch viel Sägwaren befördert wurden.
Altensteig, 22. Dez. Lehrer W. Bauser, in der ganzen württembergische» Lehrerschaft gut bekannt, starb gestern hier an Influenza. Er erreichte ein Alter von 72^/r Jahren. In Dürrwangen wirkte er 30 Jahre lang. Bon dort aus wurde er in ganz Württemberg bekannt durch seine Karten. Er gab den Handatlas vom Königreich Württemberg mit 63 Karten heraus; von ihm sind auch die beiden großen Tafeln des deutschen und lateinischen Normalalphabets, die man wohl in allen Schulen hat; auch die Tafeln über die Höhenmessungen sind von ihm. Für 15 Oberämter hat er große Oberamtskarten gezeichnet und herausgegeben. Solche Arbeiten haben seinem Augenlicht sehr geschadet, so daß er 1886 in Ruhestand treten mußte.
Uhingen, 21. Dez. Vor etlichen Tagen grub ein hiesiger Bürger im Waloe einen Eichenstumpen aus. Schwer war die Arbeit und Schweiß kostete sie. Aber auf einmal erklang etwas. Was war das? Zu seiner größten Verwunderung stieß er auf einen unter dem Eichenstumpen vergrabenen Schatz in Gestalt von 47 blanken Silberstücken aus dem vorigen und laufenden Jahrhundert. Das neueste davon war ein Thaler aus dem Jahr 1840. Die mühsame Arbeit hatte sich gelohnt.
Heilbronn, 20. Dez. Der Landtags- abgeordnele Georg Härle, dessen Wunde nun vollständig vernarbt ist, hat dieser Tage ein künstliches Bein erhalten und macht eifrig Gehversuche. Glücklicher Weise sind die schlimmen Zeichen, daß auch sein anderes Bein erkranken würde, vollständig verschwunden, so daß der Hoffnung Raum gegeben werden darf, er werde bald im Stande sein, seinen Platz
im Gemeinderat und Landtag wieder auszufüllen.
R undscha u.
Porz he im, 21. Dez. Der jüngste unserer vielen Vereine, aber sicherlich nicht der Zweckloseste, ist der hiesige Damenturnverein. Das anfangs so verpönte.Mädchm- lurnen ist allmählich so siegreich durchgedrungen, daß nun auch ältere Damm, namentlich Mütter, das Bedürfnis fühlen, ihren Körper durch systematische Leibesübungen zu pflegen und zu kräfligen. Die hiesigen Damen, bereits 75 an der Zahl, liegen mit großem Eifer dem Turnen ob und überzeugen sich mit jedem Turnabend mehr von dem wohlthätigen Einfluß der Leibesübungen.
Heidelberg, 20. Dez. Das Hotel Bellevue wird nunmehr in eine Kuranstalt unter Leitung eines bewährten Arztes umgewandelt und als solche im kommenden Mai eröffnet werden.
Frankfurt a. M., 23. Dez. Die „Franks. Ztg." erhielt ein Telegramm, daß Admiral Mello die Haupistadt Brasiliens, Rio de Janeiro eingenommen habe, Präsident Peixoto sei von ihm gefangen worden und habe zu Gunsten Mello's abgedankt. (Sollte sich Liese Meldung bestätigen, so wird wahrscheinlich die Proklamirung resp. Wiederauf- richtung des Kajserthnms in Brasilien nicht mehr lange aus sich warten lassen.)
Berlin, 20. Dez. Die Neuerungen Württembergs im Verkehrswesen geben der Voss. Z. zu folgenden Bemerkungen Anlaß.- Vor einem Menschenalter hieß es, Preußen müsse in Deutschland moralische Eroberungen machen. Preußen wollte, ohne sich dessen zu rühmen, an der Spitze der Zivilisation mar- schiren. Heute überläßt Preußen auf dem wichtigen Gebiete des Verkehrs den Vortritt dem Schwabenland und, dank Hrn. v. Stephan und Hrn. Tiele, kann Württemberg in Preußen moralische Erfindung machen. Sollte der Plan des Reichsverkehrsministeriums noch einmal ausgenommen und ausgesührt werden, so wird es nützlich fein, sich einen Leiter für diese Verwaltung aus Stuttgart zu verschreiben.
— Am 24. August 1848 haben die sämmtlichen katholischen Abgeordneten der Paulskirche, darunier der Abgeordnete August Reichensperger, die Bischöfe von Breslau und Mainz, durch den General v. Radowitz ein Manifest gegen die Zulassung der Jesuiten abgegeben, in dem es hieß: Der Jesuitenorden war im 16. Jahrhundert eine Aushilfe, um augenblicklichen Bedürfnissen der katholischen Kirche zu genügen, aber jetzt besteht für Deutschland ein solches Bedürfnis in keiner Weise. Der deutsche