Gnlage zurVildbader Chronik."

Hr. 147. DIsQS^LS, IS. DsssiLLbSr 1693.

Tntki-Hslkkudrs.

Gnkel und Weffe.

Von M. Haber.

(Nachdruck verboten.)

(Schluß.)

Großer jGott, welche Prosa!" knirschte er.Und gestern habe ich das holde engel­gleiche Wesen beinahe in meinen Armen ge­halten."

Der Hausknecht trat plötzlich an sein Pult.

Herr Klug, wissen Sie das Neueste?" flüsterte er geheimnisvoll zutraulich.Steuer­rats Fräulein ist diese Nacht schwer krank ge­worden. Ja, es ist so/ fuhr er fort, als der schöne Hans ihn fassungslos anstarrte. Minna, meine alte Flamme, mit der ich schon lange gehe, hat mich beauftragt, es Ihnen unter der Hand zu sagen. Das Fräu­lein liegt im Fieber und phantasiert auch etwas. Ihren Namen hätte es wohl schon ein Dutzend­mal ausgesprochen. Sie soll sich gestern Abend im Garten erkältet haben, sagt Minna, auch hätte sie in letzter Zeit immer an Herzklopfen gelitten ; das viele Tanzen soll auch mit schuld sein so meint Minna und die muß es ja wissen, denn sie hat das Fräulein sozusagen großgezogen und hängt an ihr wie eine Klette."

Damit entfernte sich Friedrich der Haus­knecht, mit der Miene eines Mannes, der eben ein Todesurteil ausgesprochen hat.

Hans saß minutenlang wie erstarrt. Dan» raffte er sich auf, ergriff Feder und Papier.Es ist eine Mahnung des Schick­sals," sagte er feierlich zu sich selbst.Ich reise morgen noch nicht, erst muß ich wissen, was aus der holden Kleinen wird. Mag der Onkel vorläufig allein reise», ich gewinne dadurch Zeit zuiu llebeilegen und es kann ja nock Mancherlei dazwischen kommen. Und wenn nicht dann nicht! So ver­zichte ich aus den schnöden Mammon und ringe mich selbst empor, durch eigene Kraft zum Ziel. Die Gunst der Frauen ist ein freies Geschenk des Schicksals, sagt ein großer Philosoph, warum soll ich dieses verlockende Geschenk nicht annehmen, July liebt mich, ohne ihren Besitz hat das Lebe» keinen Reiz für mich Schicksal gehe deinen Gang/

Während er dieses Selbstgespräch hielt, regte er sich zn seiner ganzen Höhe empor, sein volles krauses Haar fiel energisch von der schönen Stirn, seine knhiiblickendeii Angen erstrahlten in Energie und Zuversicht er war ganz das Bild eines kraftstrotzenden Mannes, eines Mannes der That, der Arbeit.

Bald war eine Depesche an den Onkel aufgesetzt.Bedanre, kann morgen nicht kommen, unaufschiebbare Geschästsarbeiten, reise Du zuerst allein, ich komme »ach. Dein Neffe."

Friedrich brachte diese Drahtaniwott nach dem Telegraphenamt. Auch konnte er am folgende» Tage dem schönen Hans die be­ruhigende Versicherung geben, daß Fcäuie!» July außer aller Gefahr sei. Die Krank­heit hatte sich als heftiges Schnupfevfieber zu erkennen gegeben.

Nun verflösse» mehrere Tage des qual­vollsten Zustandes für den junge» Buchhalter. Bald schweiften seine Gedanken zu der lei­

dende» July, dann wieder gedachte er des! Onkels Brief und ob es nicht ratsam sei, demselben wenigstens insofern den Willen zu thun, daß er zur Brautschau reise.

Nehmen würde er die Vogelscheuche ja auf keinen Fall, aber er durfte vorläufig mit dem Onkel nicht brechen, denn wenn er seine Absicht', »ach dem Ausland zu gehen, ansführeil wollte, so waren ibm dessen Em­pfehlungen von größtem Nutzen.

Klug muß der Mensch sein, klug wie die Schlange» und einfältig wie die Taube»/ sagte Hans zn sich selbst, setzte sich eines Abends hin und schrieb an den Onkel, daß er morgen endlich Urlaub erhalten werde und wahrscheinlich also übermorgen den lieben Onkel aus dem Gute des ostpreußischen Freundes noch anzutreffe» gedenke. Die Braut wolle er sich recht gern mische», aber alle Uebereiiung sei gegen seine Natur; sie müßten sich doch erst gegenseitig kennen lernen.

Andern Tages, als .Hans eben daran ging, zur morgigen Reise seine» Koffer zu packen, erhielt er vom Onkel eine Draht­nachricht, die also lautete:Bleibe dort, lieber Hans, komme nicht hierher, morgen schreibe ich Dir einen langen Brief. D. O.

Hans war riesig erstaunt über den In­halt sowohl als auch über die ungeheure WortverschwendungderDepesche,denn veralte Hagestolz war in vielen Dingen knauserig, bis zum Exzeß. Er wußte sich des Onkels Verhalte» nicht zu deuten-

Bald jedoch sollte ihm Aufklärung werden, eine Aufklärung, an die er nicht »n Ent­ferntesten gedacht hatte. Der Onkel schrieb einen langen Brief. Darin hieß es nach der liebevollsten Anrede und einer umständ­lichen Einleitung: Und so habe ich mich denn mit Auguste, der Tochter meines Freun­des offiziell verlobt und sende D>r anbei eine gedruckte Anzeige. Damit Du mir aber nicht zürnest, lieber Neffe, weil ich dir diese Petle von einem Weibe vor der Nase weg- geschnappt habe, so will ich, um dieses wieder gnt zu machen, mich gänzlich vom Geschäft znrückzieheii und übergebe Dir mein schulden-! freies Hans in der Stadt und das Geschäft mit allen Aktivas und Passivas als Dein Eigentum. Ich bin reicher als Du denkst und werde das vor den Thoren der Stadt liegende, Dir bekannnte G . . . sche Grund' stück mit dem dahinterliegeiiden großen Gar­ten und etwas Ländereien ankaufcn, denn meine liebe Auguste möchte draußen wohnen und hat gar zu gern so etwas landwirtschaft­liche Unruhe um sich herum. Dies hat sebr viel Annehmlichkeiten im Gefolge, dennPiitcr,- Enten,- Gänsebraten und dergleichen brauchen wir später nicht vom Geflügelhändler teuer zu erstehen, sodern mästen sie in eigener Wirtschaft. Meine Braut sieht »och recht gut ans, ist stattlich und ansehnlich so ungefähr meine Figur und ein Mittags­mahl versteht sie zu bereiten wie keine Zweite.

Komme nun bald mein Junge, damit wir das Geschäftliche abwickeln, löse dort Deine Verpflichtungen und suche Deine getauschten Hoffnungen bald zn ve-gessen; es giebt ja noch mehr Frauenzimmer, weiche gnt z» kochen verstehen. Ist es nicht ein genialer Gedanke von mir jetzt noch zu hei­raten? Warum bin ich nicht schon früher auf diesen Einsall gekommen? Erst mein Zipperlein bat mich gemahnt, wie viel man ohne weibliche Pflege entbehren muß. Nun

Avieu, es grüßt Dein glücklicher Onkel Johann.

Hans saß an seinem Pult im Komptoir, als er diesen Brief las; nun wurde es ihm doch zu enge in dem eittgeschloffenrn Raum mit der dumpfen Lust, die allen Schreib­stuben eigen. Er stürmte hinaus ins Freie, nicht achtend, wohin sein Fuß ihn trug. Sei» Kopf glühte und in der Brust hämmerte ihm ein freudiges faustgroßes Etwas. Diese Entwickelung der Dmge ging denn Loch über seine kühnsten Erwartungen! Der gute Alte! So marottenhast und ivunderl'.ch er auch von jeher gewesen, so sehr er den Neffen seine Abhängigkeit bei jeder Gelegenheit hatte fühle» lasse» jetzt war das Alles aus der Erinnerung weggewischt, er hätte dem Onkel um den Hals fallen und ihn küssen mögen.

Es war heute ein schöner, sonniger Märzlag; ans den Feldern schimmerte das Grün der Wintersaat, die Sonne lachte freundlich vom blauen Hünmel herab und vom kahlen Gebüsch herunter ertönte das vorlaute Gezwitscher der Meisen und Rot­kehlchen, als wollten sie die Ankunft des Frühlings verkünden.

Hans maschirte noch immer im Sturm­schritt dahin. Er befand sich jetzt außerhalb der Stadt und war in einen Gartenweg ge­raten. Menschenleer, einsam zog sich derselbe in mannigfachen Windungen dahin. Die niedrigen Hecke» verwehrten nicht den freien Ausblick ins Land; in der Ferne rechts be­wegten sich lustig die Flügel einer Wind­mühle. lings lag der Strom wie ein silbernes breites Band in der Landschaft, und im Hintergründe zogen sich sanft ansteigende Höhenzüge durch das Land, noch hin und wieder mit Schneeresten bedeckt; es lag so etwas Freudiggestimmtcs, so Ahnungsfrohes heute i» der Natur.

Bei einer Biegung des Weges trat dem einsamen Wanderer plötzlich eine schlank« Ge­statt entgegen, er hemmte jäb seine Schritte es war o göttliche Fügung des Ge­schickes! sein Mädchen, seine July.

Die sah bleich aus, von der Krankheit- Her; ein herischer Dust, eine seelische Per kiärtheit lag über der edlen, jungen Gestalt. In holder Verwirrung stand das liebliche Wesen so plötzlich vor dem Manne seines Herzens.

Hans trat stürmisch auf sie zu, erfaßte ihre kleinen Hände und Beide sahen sich minutenlang innig in d>e Augen. Im Innern des Mannes jubelte Alles, und wie er stets schnell und feurig war, so auch jetzt im Werben.

Willst Du mein Weib werden, Jn!y? mein für Zeit und Ewigkeit? Blicke mich nicht so erschrocken au, ich rede in vollem Ernste. Seit heute din ich ein gemachter Mann, Besitzer eines großen soliden Geschäftes, was ich der Güte meines Onkels verdanke."

Und ob sie wollte? . . . Selbstvergessen lehnte sie an der starken Brust des schönen Mannes es war ein Bild, würdig, von dem besten aller Meister festgehalten zu wer­den! Hier hatte sich Jugend zu Jugend, Schönheit zu Schönheit gesunden.

Nach vier Wochen, während welcher eS July schwer wurde, ihr Glück im eigenen Herzen vor der Well zu verbergen und welche HanS damit verbracht harte, seine geschäftlichen -Angelegenheiten mit dem Onkel zu ordnen.