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bekämpfe nur die agitatorische Methode des Bundes des Landwirte. Es sei nicht kon­servativ, die Majoritäten gegen die Autorität der Regierungen aufzurufen. Die Regierung müsse sich auf große Teile des Volkes nicht auf eine einzelne Partei stützen. Er werde die Unterstützung nehmen, wo er dieselbe finde. Unter Bewegung des HauseS führt der Reichskanzler aus, die Abgeordneten dürften nicht von den breiten Mafien beein­flußt werden. In der Währungsfrage sei kein Schritt ohne England möglich. Nach der Rede verläßt der Reichskanzler den Saal.

Staatssekretär v. Marschall erklärt, er sei kein Freihändler, sonder ein Anhänger des gemäßigten Schutzzolls. Schulz-Lupitz (Reichsp.) wendet sich gegen die Agitation des Bundes der Landwirte. Heye, dieser Namens der Nationallideralen und Frh. v Stumm (Reichsp.) stimmten dem Vertrage zu, desgleichen auch Abg. Rickert, welcher leb­haft gegen die Agrarier polemisirt. Dr. Kropatschek (d.kons.) vcrteitigt die Kon­servativen gegen die Vorwürfe ves Reichs­kanzlers, und begründet deren ablehnende Haltung. Dr. Lieber (Zentr.) stellt fest, daß vom gesamten Zentrum Niemand ein grundsätzlicher Gegner der Handelsvertrags­politik sei und befürwortet den spanischen Ver­trag, sowie die Unterstützung der Winzervereine.

Graf Limburg-Stirum (d.kons.) polemisirt gegen den Grafen Caprivi. Der Reichstag nahm mit großer Mchrheitin zweiterLesung den spanischen und serbischen Han­delsvertrag an.

15. Dez. Dritte Lesung der Handels- Verträge. In der allgemeinen Beratung, welche für die 3 Verträge gemeinsam ist, er­klärt Graf Herbert Bismarck, das Haus stehe unter dem Eindruck, daß der Reichs­kanzler ein gelehriger Schüler der Freihandels- Politik geworden sei. (Zuruf Rickerts: Leider nicht!) Hieraus erklärt (ich die Stärke der Minorität gegen die Handelsverträge. Die Landwirtschaft ist von der Industrie im Stich gelassen, beide müssen aber Hand in Hand gehen. Wenn die Landwirte die Arbeiter bester bezahlen könnten, würden letztere nicht in die Stadt ziehen und dort Sozialdemokra­ten werden. Keine Sicherheit »st vorhanden, daß der Zoll von 3.50 auf dieser Höhe er­halten wird. Redner befürwortet den An­trag Kanitz (kons.) die Handelsverträge nur bis 31. Dez. 1894 gelten zu lassen, da die Verhältnisse am Balkan innerhalb 10 Jahren sich sehr ändern könnten. Die Einschmuggel- ung russischen Getreides über Rumänien sei sehr wahrscheinlich. Ich kann nicht glauben, daß das Ansehen des Reichs auf so schwachen Füßen steht, um durch Ablehnung der Han­delsverträge geschädigt zu werden. Hierauf ergreift Staatssekretär v. Marschall das Wort. Beck (Hosp. der freis. Volksp.) pole­misiert gegen Herb. Bismarck. Graf Kanitz (kons.): Wenn der Zug der Arbeiter vom Lande nach den Industriezentren weiter wachse, dann leide die Qualität der Truppen, denn die landwirtschaftlichen Arbeiter seien die besten Soldaten. Schulze-Henne (n.l.) erklärt, er sei Schutzzöllner und Landwirt, habe sich aber überzeugt, daß die Handelsverträge die Landwirtschaftnichtschädigen. v.Ka r d o r ff (Reichsp.) verteitigt das Verhalten des Bun­des der Landwirte. Ohne die agrarische Agitation wäre die Militärvorlage nicht durchgegangen. Schippet (Soz.) hält die agrarische Bewegung für die stärkste neben der Arbeiterbewegung. Knyphausen (kons.) spricht gegen die Handelsverträge.

Finanzminister Miquel kommt auf die vor­gestrige Behauptung des Sozialisten Schön- iank zurück, daß Miquel 1887 in einem Vor­trag in Frankfurt behauptet habe, das Ei­gentum der Zukunft würde Gemeinschafts­eigentum sein. Miquel erklärt, er habe das gerade Gegenteil gesagt. Zum Beweise legte er den Vortrag auf den Tisch des Hauses nieder. Richter (freis. Volksp.) polemisiert in längerer Ausführung gegen die Rede Bismarcks, sowie gegen das Verhalten der Konservativen gegenüberderRegierung. Klose (Zentrum) bekämpft die Handelsverträge. Damit schließt die Diskussion. Der Antrag Kanitz wird abgelehnt gegen die Stimme» der Konservativen und Rerchsparteiler. Die drei Handelsverträge werden definitiv mit großer Mehrheit angenommen.

Berlin, 13. Dez. Eine antisemitische Berliner Versammlung richtete heftige Angriffe gegen den Reichskanzler wegen seines kärg­lichen Urteils über den Antisemitismus im Reichstage. Ein Redner bemerkt u. A.: Graf Caprivi solle lieber seinen Kohl bauen gehen und Bismarck wieder an seine Stelle lasten. (Stür­mischer Beifall.) Auch beim Reichskanzler laste sich der Spruch anwenden: Sage mir, mit wem Du umgehst und ich sagr Dir, wer Du bist!" (Beifall) Derneue Kurs" sei unter Caprivis Leitung einKon - Kurs", ja ein »Kohn-Kurs" geworden. (Heiterkeit und Beifall.) Die Versammelten nahmen eine Entschließung an, wonach sie sich durch des Reichskanzlersaus völliger Unkenntnis der antisemitischen Bewegung hervorgegange­nen* Bemerkungen nicht werden abhaltm lasten, ihre Pflicht zu thun.

Die Influenza-Epidemie hat gegen­wärtig in Berlin einen Umfang angenom­men, wie vor 3 Jahren bei ihrem ersten Auf­treten. Bei einer Anzahl von Krankenkaffen beträgt die Zahl der angemeldeten Influenza- Kranken ein Drittel bis zur Hälfte der Ge­samt-Anmeldungen. Seit dem 12. Nov. bis zum 10. Dez. sind 155 Todesfälle an In­fluenza gemeldet worden.

Paris, 13. Dez. EinigeHumoristi- ken" sind bei dem Attentat m der französischen Kammer noch untergelaufen: Ein leicht ver­letzter Galeriebesucher, Besitzer eines großen Pariser Gasthauses, erklärte, er habe den Blitz gesehen und den Knall gehört, jedoch geglaubt, es sei in der Kammer üblich, das Ende jeder Rede durch einen Schuß anzuzei­gen. Eine Dame, der die Person und die Rede des jungen Abgeordneten Miran ge­fallen hatte, sagt aus, sie habe zuerst ange­nommen, in der Kammer werde besonders schönen Reden zu Ehren ein Feuerwerk abge­brannt , doch wäre dieser Irrtum ihr zum Bewußtsein gekommen, als sie sich an Gesicht und Brust verwundet gefühlt habe. Rouvier bildete sich ein, man habe auf ihn geschossen; er sprang auf und schrie zur Gallerte gewandt:

So schießen Sie doch, hier ist meine Brust, schießen Sie." Seine Nachbrarn drückten ihn auf seinen Sitz nieder.

London, 13. Dez. Während eines Sturmes, welcher gestern an der Süd- und Westküste Englands wütete und der besonders an Gebäuden großen Schade» anrichtete ken­tert« im Hafen von Devonport ein Boot mit 5 Matrosen vom TruppenschiffTamar". Dieselben ertranken. In Dover meuderten gestern Abend etwa 250 Artilleristen. welche Befehl hatten, sich heute noch nach Gibraltar einzuschiffen. Dieselben zerschlugen die Fenster und die Möbel in der Kaserne, durchzogen dann die Straßen der Stadt, zerschmetterten Fenster und brachen in mehrere Wirtshäuser ein. Die Meuterer wurden erst nach einigen Stunden von berittener Polizei überwältigt. Alle werden in Gibraltar vor ein Kriegsge­richt gestellt werden.

InSerbien gährt es bedenklich. Natalie hatbereiks in Petersburg gebeten, ihren Sohn zu schützen, wenn die radikalen Bauernheere mar­schieren sollten. Es soll ihr eine beruhigende Erklärung zugegangen sein. Milan, der sich nach wie vor in Paris amüsiert, sagte dort im Cafö Anglais zu einem ihm befreundeten Aristokraten: Er sehe es bereits ein, daß die Dinge in Serbien zu e nsr Katastrofe fuhren müßten.Gott sei Dank," soll er dann hin- zugesügt haben,sei sein Sohn für alle Fälle geborgen." Er brauche nicht zu warten, bis es zum Aeußersten komme. So lange es gehe, möge er in Belgrad bleiben, drohe ihm Gefahr, so würde er sich eines Tages auf- machen und die guten Serben ihrem Schick­sal überlasten. Der Zar sei sein Taufpate und werde ihn in Schutz nehmen. Auch sei ein gut dotierter russischer Gardeofsizier heute weit bester daran, als der jeweilige König von Serbien."

Vermischtes

Das Miinehmen von Hunden in Gastlokalc und Wirisgarten ist in München polizeilich verboten. Der Pächter des Spaten­bräukellers erhielt im vorigen Monat einen Strafbefehl auf 3 Mk, weil er seinen kleinen Rattenfängerhund in seinem Wirtsgarten frei umherlaufen ließ. Gegen diesen Strafbefehl erhob der Pächter Einspruch, den das Schöffen­gericht aber verwarf nnd erkannte, daß diese pozizciliche Verordnung auf die Wirte gerade so gut wie auf die Gäste Anwendung finde.

(Druckfehler.) Die Hauptversammlung des Sprachreinigungsvcreins wurde von dem Vorsitzenden mit einer Ansprache eröffnet, in der er die sämtlichen Anwesenden, als uner­müdliche Mistreiter aus diesem Kulturgefilde herzlich willkommen hieß.

Der in S. erscheinendeAnzeiger" brachte jüngst folgende Bekanntmachung: Ge­neral-Versammlung der vereinig. Gewerkschaften. Schwank in 5 Akten.

gMer praktisch schenkt, schenkt gutl

«»^2 Ein Geschenk muß dem Beschenkten würdig figurieren kann, angenehm und nützlich sein, nur dann er-1 Gelegenheit lenken wir

auf einem bestdekorierten Weihnachtstische Auf diese günstige die Aufmerksamkeit

freut es auch wirklich. Als ein solches kann'der Hausfrauen und Herrschaften beim Ein-

UkiliNlM-KMM!

die Vv« rin 8viL« init Csr

Ln 1s angesehen werden, namentlich in ihren prächtigen Weihnachts- Cartons.

Diese Cartons, spe­ziell für Weihnachten angefertigt, enthalten is 3 8tüvlL Csr küssten 8«ite «ier VVvit, sind geschmackvoll und hochelegant augsgestattet, so daß ein solcher Carton selbst

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bei A. Held. Fr. Verkauf: Doeriug furt a. M.

kauf von Weihnachts­geschenken und be­merken, daß diese prächtig ausgestatte­ten Weihnachts-Car­tons ohne Preis- Erhöhung käuflich sind in Wildbad Schmelzte. Engros- Co., Frank-