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Dienstag, 19. Dezember 1893.
29. tstingang.
Württemberg.
S t u t t g a r t, 17. Dez. Se.Maj.de* König hat den wirklichen Staatsrat v. Pische? zum Staatsminister des Innern ernannt, v. Pischek gehörte seit 2 Jahrzehnten bis zu seiner Ernennung zum Staatsrat dem Mini- > sterium des Innern an. Er ist geboren am 15. Januar 1843. Sein Vater war der in Stuttgart unvergessene dramatische Sänger I. B. Pischek. v. P. studierte Jurisprudenz und hat im Staatsdienst die gewöhnliche Car- risre durchgemacht. Persönlich gilt er als ein liebenswürdiger loyaler und charakterfesterMann, mit dem sich leicht verkehren läßt. In seinem Berufe wird er als eine ganz außergewöhnliche Arbeitskraft geschätzt, dem das Land schon die Ausarbeituug manches wichtigen Gesetzentwurfs verdankt. Neben seinem Amte versah Herr v. Pischek, welcher seit einigen Jahren Witwer ist, die Funktion eines Administrators des „Staatsanzeigcrs.". v. Pischek ist ein warmer Anhänger der nationalen Sache und gilt in seinem Ressort als ein Mann von außerordentlicher Sachkenntnis und Begabung. Mit den dem Landtag aus dem Ministerium des Innern zugehenden Gesetzentwürfen ist Staatsrar v. Pischek als einer der hervorragendsten Mitarbeiter wohl vertraut. Pischeks Name wurde auch unter den Kandidaten für den Stuttgarter Oberbürgermeisterposten genannt. Er konnte aber als Katholike in hiesiger Stadt nicht ernstlich in Betracht kommen.
Stuttgart, 14. Dez. Der Beobachter bringt die Nachricht, in Folge der energischen Einsprache der Presse gegen die Aenderung der Militärkonvention fei der Plan bis auf günstigere Zeiten zurückgelegt worden. Dagegen sei das Abkommen getroffen, daß der König an Stelle v. Blumenthal General-Inspektor der 4. Armee-Inspektion werden soll; als Adlatus (Chef des Stabes) soll ihm der General-Adjutant des Königs, Generallieutenant v. Falkenstein, der dadurch zugleich als Nachfolger Wölckerns im Korpskommando beseitigt würde, beigegeben werden. Zugleich wird mitgeteilt, daß die Stabsoffiziere des würlt. Korps künftig mit den preußischen roulieren sollen.
Tübingen, 14. Dez. (Schwurgericht). In der gestrigen Sitzung handelte es sich um ein Verbrechen des versuchten Mords. Franz Köhler, 57 Jahre alter verheirateter Taglöhner von Pollringen, O.A. Herrenberg, der von seiner Frau getrennt lebt, hatte, i^wohl Vater von 7 Kindern, nähere Beziehungen zu der ledigen Marie Rudthardt. Als diese nun am 15. Okt. ds. I. von Poltringen nach Tübingen reisen wollte, hatte sich Köhler unterwegs versteckt und gab, da die R. nichts mehr
von ihm wissen wollte, einen Schuß auf dieselbe ab, welcher sie in die Hand traf. D;e Geschworenen nahmen versuchten Totschlag an, worauf eine dreijährige Zuchthausstrafe ausgesprochen wurde.
— 15. Dez. Wilh. Bräuning, 25 I. alter led. Bauer von Wildberg ist des Todschlags an seinem Bruder Louis beschuldigt. Der Angeklagte, welcher mit seinem Bruder gemeinschaftlich des Vaters Landwirtschaft besorgte, gab an, er habe schon längere Zeit bemerkt, daß er vom Vater sowohl als vom Bruder, besonders seit der letztere vom Militär zurück sei, zurückgesetzt werde und er habe doch auch arbeiten müssen, wie sein Bruder. Am 18. Okt. sei es wie schon öfters deshalb zu Streitigkeiten zwischen ihnen gekommen, sein Bruder habe ihn, nachdem er demselben einige Tritte versetzte, zu Boden geworfen und gewürgt, daß er glaubte, es gehe aus mitihm. In der Bedrängnis habe er ein Tranchiermesser, daß neben ihm am Boden gelegen sei, ergriffen und seinem Bruder damit einen Stich beigebracht, da er sich in der Notwehr befunden. Durch diesen Stich in den Unterleib erhielt der Bruder des Angeklagten so schwere Verletzungen, daß schon am nächsten Tage dessen Tod eintrat. Die Geschworenen bejahten sowohl die Frage nach Todschlag als diejenige nach mildernden Umständen, woraus eine dreijährige Gefängnisstrafe ausgesprochen wurde.
Heibronn, 14. Dez. Heute Nacht wurde Flaschner W. Kachel durch 4 Fabrikarbeiter in der Nähe der Kilianskirche überfallen und mit Messern schwer mißhandelt. Die Thäter wurden verhaftet.
Ulm, 15. Dez. Die Schwurgerichtsverhandlung gegen den Polizeikommissär Lipp von Göppingen wurde gestern abend zu Ende geführt. Den Geschworenen wurden 17 Fragen zur Beantwortung vorgelegt. Die Beratung derselben dauerte gegen 2 Stunden. Dem Angeklagten wurden mildernde Umstände zugebilligl. Das Urteil lautet wegen Unterschlagung im Amt und falscher Beurkundung im Amt und Beseitigung von Urkunden im Amt, sowie wegen dreicrVerbrechen wider die Sittlichkeit auf eine Gefängnisstrafe von drei Jahren und 3 Monaten und ebensolange Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte.
R uudscha u.
Freiburg i. B., 15. Dez. Eine Sen- sationsgeschichle merkwürdigster Art bildet zur Zeit das Tagesgespräch. Der in Lindau kürzlich verst. Privatier Conrad hatte der Stadt Freiburg ein Legat von 70,000 Mark vermacht für Errichtung einer Volksbadeanstalt mit der Bestimmung jedoch, daß davon an eine bestimmt bezeichnet? Frauensperson eine
jährliche Leibrente von 1800 Mark entrichtet werde. Die beiden hier wohnenden Brüder des Erblassers erlassen nun in der Frb. Ztg. eine öffentliche Erklärung, daß diese Person die Ehefrau eines hiesigen Kaufmanns sei, die mit dem Verstorbenen 5 Monate lang im Ausland intim zusammen gelebt habe, jetzt aber wieder zurückgekehrt ist. Die beiden Brüder, die ursprünglich zu Universalerben eingesetzt waren, wollen nun das Testament anfechten, da der Erblasser vor seinem Tode Spuren von Geistesgestörtheit an den Tag gelegt habe. Ob der Bürgerausschuß nun das Legat für die Stadt annehmen wird, steht wohl dahin.
Frankfurt. Wieder sind beim Roth- schiid'sche» Bankhaus? Unterschleife entdeckt worden. Die „Fr. Ztg." berichtet darüber: Ein Angestellter des Rothschild'schen Bankhauses, der Kaufmann Willy Grünewald, erhielt dieser Tage seine Entlassung, weil ihm Unredlichkeiten nachgewicsen werden konnten. Das Bankhaus nahm jedoch Rücksicht auf G.'s Familienverhärtniffe, stand deshalb von einem Antrag auf strafrechtliche Ahndung ab und legte den Verlust von, wie es heißt 4—5000 Mk, „zu dem Uebrigen." Gleichwohl wurde Grünewald verhaftet und zwar in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Kranken- und Sterbekaffe „Zur verbrüderten Freundschaft," welcher Kasse er einen Beitrag von etwa 700 Mk. unterschlagen hat.
Berlin, 14. Dez. Der Reichstag nahm entgültig die I n v a l i d e n g esetz Novell e am Beider zweiten Berathung des spanischen Handelsvertrages hebt Abg. Dr. Bürklin (natl.) hervor, daß die spanischen Verschnittweine qualitativ besser als die italienischen seien, und stimmt dem Vertrage zu. — Staatssekretär v. Bötticher konstatiert nach amtlichen Berichten, daß der italienische Handelsvertrag, auf den deutschen Weinbau günstig gewirkt habe. Wenn Spanien dieselbe Herabsetzung des Weinzolles gewährt habe, so würden für die deutschen kleinen sauren Weine durch Verschnitt mit spanischen Weinen ein noch besserer Absatz ermöglicht werden. Die Regierungen seien bereit, gegen den Verschnitt des Kunstweins mit ausländischen Verschnittweinen besondere Maßregeln zu treffen. — Frhr. v. Manteufel (kons.) polemisirt gegen die gesamte Handelsvertragspolitik und erklärt, die gestrigen Debatten würden der Agrarbewegung neue Nahrung geben. — Reichskanzler Graf Caprivi erklärt, es sei richtig, daß die Landwirthschaft die Kosten des russischen Handelsvertrags tragen würde, denn ein hauptsächlich Getreide produzirender Staat müsse auf diesem Gebiet Zugeständnisse erhalten. Er
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