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Nro. 142.
Donner-stcrg, 14. Dezember 1893.
29. latii-gsng.
Wür ttemberg.
Stuttgart, 12. Dez. Als Nachfolger für den verstorbenen Minister des Innern, v. Sckmid, werden, wie man der „Post" aus Stuttgart schreibt, Freiherr Hans v. Ow-Wache ndorf, derzeitiger Präsident der Cevtralstellen für die Landwirtschaft und früherer bekannter Parlamentarier konservativer Richtung, weiterhin Staatsrat v. Pischeck und Dr. v. G ö tz, gegenwärtiger 2. Bürgermeister in Stuttgart, genannt.
Stuttgart, 13. Dez. Zu den Gerüchten, welche jüngst die Franks. Ztg. über eine bevorstehende württembergische, der badischen ähnliche Militärkonvention ausgestreut hat, macht die Tagt. Rundschau folgende Bemerkung : Alle diese Angaben sind, wir wiederholen es, d mokratische Erfindungen zum Zwecke der Förderung des Partikularismus. Wenn je eine neue Regelung des Verhältnisses des württ. Armeekorps zum preußischen Heere in Frage käme, i'o würde dies nur in dem Fall geschehen, daß die Anregung dazu vom König von Württemberg ausginge, nicht anders. Was sodann die Führung des 13. Armeekorps bei den letzten Manöver» anbetrifft so lag diese in den Händen der beiden Divisionskommandeure, die beide Preußen sind; General v. Wölckern hat gar Nicht geführt. Auch ist dem Armeekorps nach den Manövern die kaiserliche Anerkennung in überaus schmeichelhaften Worten ausgesprochen worden, und in der ganzen Armee genießt das württembergische Korps eines ausgezeichneten Rufes.
Waldsee, 8. Dez. Gestern früh starb dahier ein wunderlicher Bürger, der ledige 80 I. alte Schäfer Karl Notz. Derselbe hat selbst bei der grimmigsten Kälte, auch noch im Winter 1892—93, niemals seine Stube geheizt. Im Ofen hausten die Spinnen, während er sich Winters bei seiner einzigen Hausgenossin, der Kuh, im Stall aufhielt und schlafen legte.
R unö scha «.
Mannheim, 11. Dez. Auswanderungslustige mögen sich hüten. Der Kaufmann Montes in Caracas hat sich verpflichtet, in 2 Jahren 5000 Einwanderer für Venezuela „zu liefern" und zwar möglichst viele Deutsche. Binnen kurzem wird man Loblieder aus Venezuela erschallen hören. Folge ihnen Niemand. Venezuela ist eine der faulen südamerikanischen Republiken, wo nichts zu holen und das Klima sehr ungesund ist.
Badenweiler, 10. Dez. Das Resultat der abgelaufenen Sommersaison kann man nur als ein mittelmäßiges bezeichnen; nie Gesamtfrequenz an Kurgästen betrug 4042,
während dieselbe im vorigen Jahre 4130 betrug.
Berlin, 9. Dez. (Reichstag.) Anträge auf Abänderung der Jnvaliditäts-, Alters- und Unfallversicherung. Aichbichler (Zentr.): Die Alters- und Jnvaliditätsversicherung habe allgemeine Unzufriedenheit erregt wegen der Kosten, welche dem Kleingewerbe und der Landwirtschaft auferlegt worden, wegen des Klebeverfahrens und der hohen Verwaltungskosten. Eine Vereinfachung sei möglich. Es wäre bester gewesen, die Organisation nach dem Muster der Knappschaftskassen einzurichten, den Grundsatz der Freiwilligkeit aufzuflellen und die Beschränkung auf die Großindustrie sest- zuhalten. Die Unfallversicherung würde vereinfacht, wenn man die Entschädigung nach den durchschnittlichen Lohnsätzen drs betr. Gewerbes gewährte. v. Staudy (konserv.) begründet den Antrag der Konservativen auf Vereinfachung der Jnvaliditäts und Altersversicherung, insbesondere Abänderung des Markensystems. Die Konservativen könnten dem Zentrumsantrage in allen Punkten beitreten, wollen aber durch ihren eigenen Antrag einige Punkte besonders hervorheben. Das Markensystem belaste namentlich den kleinen Arbeitgeber auf dem Lande unerträglich. Staatssekretär v. Bötticker erklärt, das allgemeine Urteil über das Jnvallntäts- und Altersvecsicherungsgesetz sei nicht so ungeteilt ungünstig, wie die Vorredner behaupteten. Die verbündeten Regierungen seien zur Bese- tigung hervorgetretener Uebelstände bereit. Allerdings besteht in einigen Kreisen Mißstimmung gegen das Gesetz, in andern aber deshalb nicht, weil man es verstand, die Hilfsmittel, welche das Gesetz selbst an die Hand giebt, zu benutzen, um auch Uebelstände im Markensystem rc. beseitigen zu können. Die Verwaltungskosten blieben weit hinter den angenommenen zurück und betragen nur 40 Pfg. pro Kopf statt der vorausgesetzten von 1 Mk., im Verhältnis zu den Prämien nur 4,17 Prozent, sind also weit geringer als bei der Lebensversicherung. Mit den Renten können die Verwaltungskosten Nicht verglichen werden, weil die Renten in den ersten Jahren naturgemäß nur gering seien. Der Uebergang zur freiwilligen Versicherung wäre ein Verlassen des Grundgedankens, worüber bei Erlaß des auf Gesetzes alle einig waren. Der Entwurf eines Gesetzes auf Erweiterung der Unfallversicherung bisher noch nicht in dieselben eingezogenen Kreise liegt vor. Er ist vollständig fertig, desgleichen ein zweiter Entwurf, welcher die Mängel des jetzigen Unfallgesetzes beseitige. Er hoffe, daß beide Entwürfe dem Reichstage baldig zugehen können. Sigl (fraktionslos) wünscht die Beseitigung des gesamten Jn
validitäts- und Altersgesetzes, namentlich im Interesse der landwirtschaftlichen Arbeitgeber unv der ländlischen Arbeiter, er schildert, welche Bedeutung das „Wapperlgesetz" bei den letzten Wahlen gehabt habe, wie diesem Gesetz gerade das Zentrum seine Wahlniederlagen in Bayern verdanke. Das Zentrum möge nur noch den Handelsverträgen zustimmmen, dann werde es blaue Wunder erleben. Abg. Gamp (ReichSp.) befürwortet die Einführung von Quittungsbüchern. Staatssekretär v. Bötticher konstatiert gegenüber Sigl an der Hand des amtlichen Berichts, daß gerade im Wahlkreise Sigls die Land- und Forstwirtschaft den größten Vorte l vom Gesetz gehabt habe.
— 11. Dez. Beratung der Verordnungen, betreffend den Zollzuschlag auf russische Waren. Auf eine Anfrage Möllers (nat.lib.) erklärt der Staatssekretär v. Bötticher, Waren, die in ein Transitlager gebracht sind, unterliegen nicht dem Zollzuschlag, falls sie vor Verkündigung der Zollverordnung die Grenze passiert haben. Bei Abschluß auf eine längere Reihe von Jahren werde der Bundesrat in jedem Einzelfalle wohlwollend prüfen, ob eine Zollvergünstigung zu gewähren sei. Eine Resolution von Heeremann (Zentr.) und Möller, betreffend Zollvergünstigungen wird gegen die Stimmen der Konservativen angenommen. Die Resolutionen Salisch und Lutz (kons.) betr. Belegung verschiedener Waren, namentlich Flachs mit Zoll und Erhöhung des Hopfen- zolls gehen an die Handelsvertragskommission. Die Zollverordnungen werden gegen die Stimmen der beiden freisinnigen Fraktionen der süddeutschen Volkspartei und der Sozialdemokraten definitiv angenommen. Der Handelsvertrag mit Kolumbien, das, Protokoll, betreffend die Unterdrückung yxZ Branntweinhandels auf der Nordsee wurde definitiv, das Muster- und Markenschutzübereinkommen mit Serbien in zweiter Beratung angenommen. Auf die Interpellation Werner (deutsche Reformpartei), betreffend vie Verlängerung der gewerblichen Geschäftsstunden am 24. und 31. d. Mts. erwidert Staatssekretär v. Bötticher, die Interpellanten müßten sich an die Polizeibehörden oder höheren Verwaltungsbehörden wenden, denen die Befugnis von Ausnahmebestimmungen überlassen sei. Der Reichstag überwies das Musterschutzübereinkommen mit der Schweiz der Handelsvertragskommission und nahm in zwei- terPesungdieJnvalidengesetznovelleund
den AntragBenda, betreffend dieEis enbahn fr eikarten der Reichstagsmitgli eder an.
— Es ist schade um die vielen Millionen, die der Reichstag für die Verdeutschung der polnischen Landstriche in Ostpreußen bewilligte