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Nro. 124.
Donnerstag, 26. Oktober 1893.
29. taki-gang.
Württemberg.
Stuttgart, 23. Okt. Der König hat durch Allerhöchste Ordre von gestern den König von Sachsen als Chef des Infanterie-Regiments Alt-Württemberg Nr. 121 ernannt. Aus Anlaß dieser Ernennung sind der Oberst und Kommandeur des Regiments v. Fischer, sowie der Hauptmann und Kompagniechef Horn und der Premierlieutenant und Adjutant des Regiments, Hummel, zur Gcatulations- kour nach Dresden abgereist. Auch der kommandierende General des Kgl. Armeekorps, General der Infanterie von Wölckern, hat sich am Freitag nachmittag aus Befehl des Königs nach Dresden begeben, wo sämtliche kommandierenden Generale zur Gratulaiion versammelt sind.
Stuttgart, 23. Okt. Gestern Vorm, gegen 11 Uhr hat der Zimmermaler Heppeler seine Braut, Tochter des Schlossermeisters Ruff, Schusterstraße 10, in deren Wohnung und unmittelbar darauf auch sich selbst erschossen. Als Grund der schauerlichen That verlautet, der Vater der Braut habe die schon binnen kurzem in Aussicht genommene eheliche Verbindung der beiden nicht mehr zugeben und auch die Braut die Verlobung wieder aufheben wollen. Nach einer andern Nachricht soll die Braut an der Verlobung .festgehalten haben. Den ganzen Rest des gestrigen Tages fanden in der Schusterstraße Menschenansammlungen statt, welche die Polizei fortweisen mußte. — Weiter wird berichtet, H. habe gestern Vormittag die Geschenke zurückgebracht, die ihm die R. gegeben hatte, worauf diese ihn hinausbegleitete. Einen Augenblick darauf hörte die im Zimmer zurückgebliebene Mutter mehrere Schüsse und als sie hinauskam, lag die Tochter tot auf der Treppe, der junge Mann lag unten im Hausgange schwer verletzt.
Neuenbürg. Der K. Verwaltungsrat der Gebäude-Brandverficherungs-Anstalt hat auf die Entdeckung des oder der Urheber des Brandfalls in Salmbach vom 24. August ds. Js. eine Belohnung von 100 Mk. aus- gesetzt und ebenso hat der Gemeinderat Salmbach durch Beschluß vom 7. Okt. d. I. zu dem gleichen Zweck eine Belohnung von einhundert Mark aus der Gemeindekaffe ausgesctzt.
Schömberg, O.-A. Neuenbürg. Als vergangenen Freitag nachts der hiesige Oekonom Friedrich Renschler von der schöffen- gerichtiicheu Hauptverhandtung von Neuenbürg nach Hause kam und sem Gehöfte betrat, überfiel ihn sein am gleichen Tage wegen Sachbeschädigung verurteilter Bruder — Schultheiß, Acciser und Bauer Matthäus Renschler — mit einem Lattenflück
bewaffnet. Infolge wuchtiger Schläge mit diesem gefährlichen Werkzeug, das abbrach, erlitt der Ueberfallene mehrere blutende Verletzungen. Der so Traktierte ergriff einen Stock und versetzte dem Angreifer einige Schläge. Als Frau und Schwester des Friedrich Renschler herbeiliefe», sprang der Matthäus R- davon. Da die Verletzungen des Friedrich R. derart sind, daß er zu Bette liegt, wird es wieder ein gerichtliches Nachspiel geben.
— Auf der Welt-Ausstellung in Chicago ist dem Mechaniker C. Erbe in Tübingen für seine in der Abteilung für wissenschaftliche Instrumente ansgeslellten Apparate ein Preis zuerkannt worden.
— In Heitbronn kam die Frage der Nebenbeschäftigung städtischer Beamten auf dem Rathause zur Sprache. Es wurde ausgesprochen, daß künftig kein städtischer Beamter mehr Nebenbeschäftigung treiben dürfe.
Rundscha u.
Pforzheim, 22. Okt. Der Stadtrat beschloß, auf dem östlich der Gaswerksanlage belegenen städtischen Besitztum eine städtische Centrale für Uebertragung elektrischer Kraft und elektrischen Lichts zu erstellen. Es soll dem Stadtratsbericht zufolge in einer anfangs Dezember staltfindenden Bürgerausschußsitzung der nötige Kredit angefordert und alsbald Aufforderung an die verschiedenen Gewerbetreibenden zur Anmeldung der von ihnen gewünschten Anzahl von Pferdekräften erlassen werden. Sobald 50 Pferdekräfte zur Anmeldung gelangt sein werden, soll mit dem Bau des Werkes begonnen werden, das dann voraussichtlich bis Sept. 1894 betriebsfähig erstellt sein kann.
— Musikdirektor Nuscheweyh ist nach Beendigung der Chicagoer Weltausstellung, vom 1. Nov. ab auf 5 Wochen zu einer Konzert-Tournee durch die Vereinigten Staaten von der Ethnographischen Gesellschaft unter sehr vorteilhaften Bedingungen engagirt worden.
Karlsru he, 19. Okt. In Amsterdam sind junge Mädchen von hier, die unter der falschen Vorspiegelung, daß sie gute Stellungen a» ausländischen Plätzen erhalten sollte», dorthin gelockt worden und als Opfer eines unsittlichen Handels ausersehen waren, von der Polizei aus den Händen des gewissenlosen Agenten befreit worden. Im Einvernehmen zwischen dem deutschen Konsulat in Amsterdam und dem Karlsruher Armenrat wurde» die Mädchen nach Emmerich gebracht, von wo ans sie gestern durch den Vater eines derselben mit Unterstützung des Armenrats abgeholt worden sind. Der Vorgang magj als eine Mahnung dienen, daß junge Mädchens
in dem Abschlüsse von Dienstverträgen nach auswärtigen Orte» vorsichtig sein mögen.
Freibu rg, 22. Okt. Privatier Rjch. Konrad hier hat sein Vermögen — 60,000 Mark — der Stadt Freiburg zur Errichtung einer Volksbadeanstalt vermacht.
Villingen, 22- Okt. Die Orchestrion- fabrikation ist gegenwärtig noch einer der blühendsten Zweige der Schwarzwaldindustrie. Die Fabriken sind immer vollauf beschäftigt und liefern meistens nach Amerika uns Rußland, aber auch Norddeutschland bezieht viele Werke. Die Fabrikanten sind fortwährend bemüht, etwas neues zu bieten, so haben jetzt die meisten der gefertigten Orchestrions ihren Kapellmeister, welcher vorn angebracht ist und den Takt schlägt. Es sind natürlich nur Militärmusiker, meistens in Husaren- oder Kürassieruniform, mitunter recht künstlich geschnitzte Figuren bis zu halber Lebensgröße. Liebhaber dieser mit einem Musikdirigenten versehenen Orchestrions sind besonders die Russen.
M a n n h e i m , 21. Okt. Der Weinhändler Emil Booß von Heidelberg wurde vom Schwurgericht wegen betrügerischen Ban- kerottS und Meineids zu 2 Jahren Zuchthaus und 5 Jahren Ehrverlust verurteilt.
Mannheim, 22. Okt. Einem Zug der Zeit folgend, haben sich eine Anzahl hiesiger Tapeziermeister zusammengethan und mit tüchtigen Schreinermeistern eine Vereinigung gegründet. Dieselbe eröffnete heute eine permanente Ausstellung und Verkaufshalle für gediegene Erzeugnisse beider Gewerbe, um damit dem Publikum zu zeigen, was am Platze geleistet wird. Die Ausstellung und Verkaufshalle befindet sich vorerst im Lokal des Gewerbe- und Industrie-Vereins hier.
— Die „Südd. Tabakztg." teilt bezüglich der geplanten Fabrikatsteuer auf Tabak mit daß in dem ersten Regierungsentwurf, ausweislich der Regierungsvorlagen, vom August d. Js. ein Rückgang des Consums um 20°/o, in dem zwecken späteren sogar ein Rückgang von 30°/o angenommen ist. Diese Annahme erscheint entschieden nicht zu hoch gegriffen, wenn man bedenkt, daß in Zukunft bei Cigarren die Fabrikatsteuer 33*/s pCt., bei Rauchtabak sogar 66Vs pCt. betragen soll. Dadurch wird also auf das Tausend Cigarren im Werte von 36 Mk. ein Zuschlag von 12 Mk. und auf den Doppelzentner Rauchtabak im Werte von 40 Mk. ein Zuschlag von 26^/s Mk. gelegt. Daß diese sehr beträchtliche Verteuerung auch den Konsum ganz wesentlich vermindern wird, liegt auf der Hand. Man muß dann aber fragen, was aus den 15 000 Fabriken mit den 136 000 Arbeitern werden soll, die augenblicklich in der Tabakindustrie thätig sind.