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Theater ist ja seit Jahren Niemand krank geworden, also wird gerade beule auch nichts passieren. Wenn übrigens wirklich etwas Vorkommen sollte, so magst Du immer nach einem zweiten Arzt schicken, oder Du labt den Patienten mit einer Droschke ins nächste Krankenhaus fahren. Wenn aber blos Jemandem übel wird, weil's zu heiß ist oder wegen der schlechten Luft, die heute natürlich in dem vollgepfropften Theater sein wird, na, da läßt Du ihn einfach an die frische Atmosphäre befördern und spritzest ihm kaltes Wasser ins Gesicht, kannst ihn auch mal Salmiak oder Essig riechen lassen.
„Du hast ja einen Samariterkursus mitgemacht, da weißt Du ja um so besser Bescheid! Wenn ich früh fertig sein sollte, komme ich noch und erlöse Dich. Sonst treffen wir uns nachher im Cafs Bauer, damit Du mir erzählst, wies gegangen! Adieu, besten Dank im Voraus; also ich verlasse mich auf Dich, adieu!" Und fort war er.
Ich sah nach der Uhr; wenn ich hin wollte, war es die höchste Zeit. Entschlossen eilte ich zum nächsten Droschkenhaltcplatz. Die letzten Bedenken schwanden vor dem Bewußtsein, meinem Freunde einen großen Dienst zu leisten.
„Kutscher, nach dem Opernhause, aber schnell, ich muß zum Anfang da sein!" sst ckaots,!
Der erste Akt von Tristan und Isolde war vorüber. Wieder und wieder wurde die ge-; feierte Primadonna von dem begeisterten Publikum gerufen. Endlich verstummten auch die eifrigsten Beifallklatscher allmählich. Ich erwachte wie aus einem Taumel, warhaftig, ich hatte ganz vergessen, daß ich heute nicht als Privatmann im Theater war, sondern die hochwichtige Stelle eines Theaterarztes auszu- füllen hatte. Im Anfang war mir doch recht schwül zu Muthe und ich wirklich nahe daran gewesen, umzukehren als mich der Thürschließer, nachdem er meine Einlaßkarte gesehen, mit tiefem Bückling begrüßte.
„Ihr Diener, Herr Doktor, da vorn, gleich rechts ist Ihr Platz!"
Wenn jemand etwas lauter sprach oder wenn ein Sitz mehr als gewöhnlich klappte.
fuhr ich schreckhaft zusammen. Doch allmählich, als sich so gar nichts ereignete, kehrte meine Ruhe zurück, und als der erste Akt und auch der Zwischenakt glücklich vorüber waren, fühlte ich mich schon ziemlich sicher.
Eben wollte die Primadonna mit ihrem Gesang im zweiten Akt beginnen, da, ein leiser Aufschrei, dem sofort ein stärkerer folgte; unwillig sieht man sich nach der Störung um. Einzelne erheben sich ängstlich von ihren Stühlen, das Spiel auf der Bühne stockt. Unheilahnend war ich bei Beginn der Unterbrechung aufgesprungen.
Da naht auch schon der Theaterdiener.
„Herr Doktor, bitte schnell nach der anderen Parquetseite, eine junge Dame ist ohnmächtig geworden." ,
Mit oer dumpfen Ergebung, die ein zum Hängen Verurteilter auf dem Wege zum Richtplatz haben muß, ging ich zu dem Orte des
Unheils.
Ein junges Mädchen lehnte bleich mit geschlossenen Augen in dem Parquettsitze, umringt von einer Schaar Theaterbediensteter und neugieriger Zuschauer. Ueber sie gebeugt, versuchte eine ältere Dame, ihre Mutter, die Ohnmächtige durch Liebkosungen wieder ins Leben zurückzurufen.
Wir wollen die Kranke, wenn Sie es gestatten, aus dem Zuschauerraum entfernen," schnarrte der Polizeilieutenant, der nunmehr höflichst hinzutrat. Ein Schreck durchfuhr mich, als ich die Uniform erblickte, im ersten Augenblicke dachte ich, der Beamte wolle mich verhaften; ja das böse Gewissen!
„Ja wohl, sagte ich mit möglichster Würde, „bitte, lassen Sie die Kranke schleunigst hinausbringen, am besten ist es, wenn uns Niemand folgt!" Ich wollte aus mehr als einem Grund möglichst wenig Zeugen haben.
Zwei Theaterdiener faßten die Kranke unter die Arme, die Mutter unterstützte sie. und vorwärts begab sich der kleine Zug, den ich ernst und würdig schloß.
In einem abgelegenen Zimmer betteten wir die Kranke auf ein Sopha. Ich riß die Fenster auf. „Die „frische Atmosphäre" meines Freundes.
Amtliche und Privat-An; eigen
„Bringen Sie mir schnell kaltes Wasser," wandte ich mich an den Diener.
„Ja wohl, sofort!"
In meiner Ratlosigkeit faßte ich wieder nach dem Puls des jungen Mädchens Dem Himmel sei Dank, er schlug, sowie ich das beurteilen konnte, sogar ganz regelmäßig. Mein Samariterkursus kam mir trefflich zu statten.
Kaum harte ich die Kranke mit dem kalten Wasser besprengt, als sie auch rascher zu atmen begann, die Augenlider zuckten, die Wangen röteten sich und leise tönte es von ihren L.ppen: „Wasser! Wasser!"
Schnell flößte ich ihr den Rest des vorhandenen ein.
Die Mutter geriet vor Freude außer sich, fast hätte sie mich umarmt. Mein schneller Erfolg, den ich wohl größtenteils der frischen Luft zu verdanken hatte, machte mich sicherer. „Bringen Sie mir nun schnell etwas Salmiakgeist," wandte ich mich an den dienstbaren Geist, „wenn er zu haben ist, oder etwas Lau äs Oologns."
„Sofort!"
(Fortsetzung folgt.)
Marktberichte.
Stuttgart, 7. Sept. Wilhe'msplatz: 1000 Ztr. Mostobst, Preis 2 Mk. 80Pfg. bis 3 Mk. — Pfg. per Ztr.
Eßlingen, 6. Sept. Dem heutigen Obstmarkt waren 300 Ztr. zugeführt; P.eis pr. Ztr. 3 Mk 20 Pfg bis 3 Mk. 50 Pfg. In Zwetschgen großer Vorrat zu 3 Mk. der Ztr.
Stuttgart, 7. Sept. (Kartoffel- und Krautmarkt). Zufuhr am Leonhardsplatz: 200 Ztr. Kartoffeln, Preis pr. Ztr. 3 Mk. bis 3 Mk. 50 Pfg. — Zufuhr am Marktplatz: 4000 Stück Filderkraut, Preis per 100 Stück 15—20 Mk.
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Sonntag, den 10. September Im Saale des Gasth. z. kühlen Brunnen
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(unter Leitung von W. Wörner) wozu Jedermann höflichst eingeladen wird.
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Keule Areitag den 8. Sept.
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Das Aufziehen und Besorgen der auf dem städtischen Volksschulgebäude befindlichen Turmuhr kommt am
Montag, den 11. d. Mts., vormittags 10/r Uhr
auf dem hiesigen Rathaus im öffentlichen Ab- streich zur Vergebung.
Den 6. Septbr. 1893.
Stadtschultheißenamt. A.-V. Bätzner.
Stadt Wildbad.
Am Montag den 11. d. Mts., vormittags 11Ve Uhr
werden auf hiesigem Rathaus aus Stadtwald VI. 10 und 11 vordere und Hintere Ebene Kegelthal 2 Loose Reinigungsmaterial flächenweise versteigert, geschätzt zu ca. 30 Rm. Reisprügel. Das Material eignet sich teilweise zu Kleinnutzholz.
Den 6. September 1893.
Stadtschultheißenamt. A.-V. Bätzner.