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befördern, wurde aber von dem Schneider mit der ihm handlichsten Waffe, einer Scheere, durch einen Stich in die Lunge schwer ver­letzt. Der Thäter ist entflohen.

Leonberg, 28. Aug. DieG. Ztg." berichtet über den Brand in Münklingen: Die Gemeinde Münklingen, welche im Sept. v. I. von einer großen Feuersbrunst heimgesucht worden war, ist schon wieder von einem schweren Brandunglück betroffen worden. Das Feuer brach in der Nacht vom Freitag auf Sams­tag um 10 Uhr aus in der einzelstchsnden Scheuer des I. Lechler und verbreitete sich in Folge der Dürre sehr rasch auf die Umgeb­ung aus, so daß zusammen 11 Gebände ein Raub der Flammen und 14 Familien teils obdachlos, teils geschädigt wurden. Unter den 11 abgebrannten Gebäuden befindet'sich auch das Pfarrhaus. Pfarrer Staib soll sein ganzes Mobiliar verloren haben Das Rat- und Schulhaus wurde leicht beschädigt. Brand­stiftung wird vermutet. Außer der Feuerwehr und Einwohnerschaft von Münklingen leisteten Hilfe die Feuerwehren von Merklingen, Hausen, Heimsheim und Neuhausen. Es herrschte Wassermangel. Der Gebäudeschaden berechnet sich auf etwa 51000 Mk.

Nagold, 30. Aug. Wie wir verneh­men, hat hier ein altes Ehepaar, Joh, Gottl. Frey, früherer langjähriger treuer Hausknecht des Gasthofes zur Post, und Johanna Frey geb. Graf, das seltene Glück, am 3. Sept. d. I. ihre goldene Hochzeit zu feiern. Beide Ehegatten, je 77 Jahre alt, sind dem Alter entsprechend noch ziemlich rüstig, leider aber mit irvischen Glücksgütern nicht gesegnet.

Ulm. Regierungsbaumeister HoIch, wel­chem die Bauleitung des Justizgebäudes über­tragen war, ist von der K. Militärverwal­tung zum Bauinspektor befördert und mit der Ausführung der neuen Kasernements beauf­tragt worden.

Rundschau.

In der Pforzheimer Neustadt Brötz­ingen ist das 2stockige Gebäude des Privatiers

H. Müller abgebrannt. Das Feuer wurde verursacht durch die 22jährige, geistesgestörte Tochter des Bijoutiers Kraut von Brötzingen, welche Erdöl ins Feuer goß, ihr Bett mit Erdöl befeuchtete und sich, nachdem ihre Kleider Feuer gefangen hatten, ins Bett legte, um sich absichtlich verbrennen zu lasten. Sie mußte gewaltsam aus dem Bette gezogen werden und wurde schwer verletzt ins städlische Kranken­haus verbracht. An ihrem Auskommen wird gezweifelt.

Bade n-B aden, 29. Aug. Bei dem Rennen um den Jubiläumspreis von Baden zur Erinnerung an die Stiftung der Rennen im Jahre 1858, Goldpokal, gegeben von Sr. K. H. dem Großherzog von Baden, ver­bunden mit einem Sweepstakes, besten Preis­höhe mit 56,000 Mk. vom Internationalen Renn-Comite garantirt wird (hiervon: der Goldpokal und 40,000 Mk. dem Sieger, 10,000 Mk. dem zweiten, 4000 dem dritten und 2000 Mk. dem vierten Pferde) wurde

I. Frhrn. E. Fürst von Fürstenberg'sNickel" (also ein deutsches Pferd), 2. Frhrn. v. Münchhausen'sIlse", 3. V. Bay'sKönigs­winter", 4. Prince Auguste d'Arenberg's Diavolo", 5. Vicomte d'Harcourts Roma- ring", 6. Conte TuratisGreco".

Frankfurt, 27. Aug. Beim Nieder- radfahrcn um ^die Meisterschaft von Europa, (10,000 Meter in 20 Minuten) erhielt den

ersten Preis A. Lehr. Derselbe hatte den Weg in 17 Minuten Sekunden zurückgelegt. Zweiter wurde Breitling von Mannheim, der 17 Minuten ^/» Sekunden brauchte. Beim 30 Kilometerfahren wurde Lehr Sieger (51 Minuten 10^/« Sekunden.) Zweiter war Rademacher von München.

Kissingen, 27. August. Etwa 1000 Herren und Damen von Frankfurt und Um­gebung wurden heute nachmittag 2 Uhr vom Fürsten Bismarck empfangen. Der Fürst dankte für den Besuch und bemerkte, daß er stets gerne in Frankfurt geweilt und die Stadt der preußischen Monarchie deshalb einverleibt habe, weil sie den Brückenkopf bilden sollte, zur Herstellung der Verbindung zwischen Nord und Süd. Der Fürst führte dann weiter aus, man mache ihm ungerecht den Vorwurf des Partikularismus; er wünsche nur, daß die E nzellanvtage von ihren Ministern Aus­kunft über deren Haltung im Bundesrat ver­langten, und daß der Reichskanzler auch nach den preußischen Ministern frage, nicht bloß nach sich und seinen Adjutanten.

--- Die Reise des württembergischen Mb nisterpräsidenten Dr. Frhrn. v. Mittnacht nach Kissingen wird i» Württemberg und namentlich in Stuttgart begre-flichenveise sehr lebhaft commentiert. Obwohl zwischen dem Fürsten Bismark und Herrn v. Mitt- nackt langjährige nähere Beziehungen datieren, >o nimmt man doch an, daß der Besuch des letzteren nickt nur privater Natur gewesen ist. Man will wissen, Herr v. Mittnacht habe sich auf von sehr hoher Seite ausgehende Anregung zum Fürsten Bismarck begeben, um diesen zu veranlaffen, seiner Stimmung gegen den neuen Kurs doch nicht mehr in so schroffer Form Ausdruck zu geben, ins­besondere sich doch nicht, wie neuerdings mehrfach geschehen, zum Vorkämpfer des Partikularismus zu machen. Man hat Herrn v. Mittnacht mit dieser immerhin heiklen Mission betraut, sowohl deshalb, weil der­selbe, wie gesagt, in freundschaftlichen Be­ziehungen zur Bismarkschen Familie steht, als besonders auch ans dem Grunde, weil Herr v. Mittnacht der einzige noch am Ruder befindliche Minister ist, der in treuer gemein­schaftlicher Arbeit mit Bismarck das seiuige zur Aufrichtung des deutschen Reiches beitrug. Vorgestern hat Fürst Bismarck sich den Frank­furtern gegenüber von dem ihm gemachten Vorwurf des Partikularismus verwahrt.

In Sp eie r wurde eine neue Kirche, sie Protestationskirche feierlich emgeweiht. In Würzburg ist der deutsche Katholikentag zu­sammengetreten. Diesem besonders galt die Stelle in der Speierer Weiherede des Hofpre­digers Nogge aus Potsdam:Wir wollen Frieden halten mit unseren katholischen Mit­bürgern, aber wir protestieren dagegen, daß die Leitung in Staat und Reich abhängig ge­macht oder auch nur beeinflußt werde von einem politischen Katholizismus, dem die In­teressen der katholischen, der römischen Kirche höher stehen, als die Interessen des deutsche:: Vaterlandes. Wir protestieren gegen einen vaterlandslosen Katholizismus, der zwar deutsch redet, aber nicht deutsch denkt, der sein Va­terland jenseits der Berge hat und sich kein Gewissen daraus macht, die Forderung der Wiederherstellung der weltlichen Macht des Papstes auszusprechen, selbst auf die Gefahr hin, einen Weltkrieg dadurch zu entfesseln. Wir protestieren gegen die Rückkehr der Je­suiten und sonstigen Orden, weil wir wissen, daß mit ihrer Thätigkeit der konfessionelle Friede in unserem Vaterlande unvereinbar ist. Wir protestieren gegen den unduldsamen Ka­

tholizismus, der uns die Berechtigung ab­sprechen will und der sich einschleicht in das Heiligtum der Ehe und der Familie. Wir protestieren gegen jeden Versuch, die Freiheit der deutschen Wissenschaft in ihrer Forschung einzuengen, weil wir in dieser Freiheit der Bewegung auch ein teures Kleinod sehen

Berlin, 29. Aug. Die Nordd. Allg. Ztg. meldet: Der vom König Humbert bei dem Galaessen zu Ehren des Prinzen Heinrich an Bord oer Saooia ausgebrachte Toast schloß mit den Worten:Ich trinke auf das Wohl Meines besten Freundes, des Kaisers Wilhelm!" Der Statthalter der Reichslande, Fürst Hohenlohe, ist heute aus Rußland hier einge- iroffen und nach kurzem Aufenthalte nach Straßburg weitergereist.

Berlin, 31. Aug. Der Handelsver­trag mit Spanien dürfte »ach den bekannt gewordenen Angaben beide Teile befriedigen. Demschland hat namentlich bezüglich Wein und Korkholz Zugeständnisse gemacht, welche durch Gegenzugeständnisse Spaniens bei Ma­schinen, Geweben, Spielwaren und einer lan­gen Reihe anderer Erzeugnisse ausgewogen werden.

An eine nahe Einführung der neuen Sonntagsruhebestimmungen für Industrie und Handwerk ist noch nicht zu denken; d e Be­wegung dagegen ist weniger laut, aber so ungemein ausgedehnt, daß es den verbündeten Regierungen absolut unmöglich sein wird, die Sache über das Knie zu brechen.

Ko bürg, 29. Aug. Die Unterhaltung des Kaisers mit dem Fürsten von Bulgarien war während der Galatafel sehr lebhaft. Bei der Verabschiedung schüttelte der Kaiser dem Fürsten mehrmals lebhaft die Hand und kehrte dann nochmals um und wiederholte den Händedruck. Die Anlegung des Fracks von seiten des Fürsten erfolgte auf speziellen Wunsch des Kaisers. (Bei der Abendtafel, an der der König von Sachsen und der Großherzog von Baden anwesend war, trug der Fürst die bulgarische Uniform mit sämtlichen Orden. Nach der gleichen Quelle wurde die lebhafte Unterhaltung des Kaisers mit dem Fürsten in deutscher Sprache geführt, dabei aber weder politische Dinge noch Familienangelegenheiten berührt. Der Kaiser stieß mit dem Fürsten auf dessen Wohl an.)

Paris, 30. August. Der Gerichtshof Nancy hat gestern 6 der in Aigues-Mortes verhafteten Arbeiter zu Gefängnisstrafen von 2 bis zu 6 Monaten verurteilt.

Paris, 31. August. Die Regierung hat beschlossen, den sozialistischen Gemeinderat von Marseille wahrscheinlich nach Been­digung der Wahlen aufzulösen.

Es verlautet, Rußland unterhandle bereits mit einigen hiesigen Banken wegen einer starken Anleihe.

Die russische Kreisstadt Rown wurde von einem großen Brande heimgesucht. Ueber 150 Häuser mit vielen Kaufläden sind cin- geäschert. Ein brennendes Haus begrub drei Familien unter seinen Trümmern. Der an­gerichtete Schade» ist groß.

New-Jork, 30. Aug. Der Cyklon richtete furchrbare Verheerungen an der Küste von Nord- und Südkarolina, sowie Georgia an. Die Stadt Port-Royal wurde fast gänz­lich weggeschwemmt, 100 Personen sind ertrunken. Die Stadt Charlestown ist größtenteils zer­stört, 6 Menschen sind verunglückt, 12 Werf­ten wurden vernichtet. Auf den Inseln an den Küsten Carolinas und den dortigen Ge­wässern sind 500 Personen umgekommen. Man befürchtet, daß die Kriegsschiffe Kear» sarge und Nantuket gescheitert sind.