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Zermatt, 9. Aug. Der Sohn des Hotelbesitzers Seiler in Berlin ist mit seinem Führer von Matterhorn abgestürzt beide sind todt.

London, 9. August. Englische Blätter berichten: Nach soeben eingetroffener Nachricht brach in dem Regierungs-Pulvermagazin in Sam Auen Lee bei Canton (China) ein Feuer aus, das mehr als 1000 Häuser zer­störte und über 5000 Personen tötete. An der Katastrophe soll die Nachlässigkeit eines Soldaten Schuld sein. 4 benachbarte Dörfer wurden zerstört und Truppen mußten requirirt werden, um die Toten zu begraben und den Verwundeten Beistand zu leisten.

In Nebraska, einem Staate Nord­amerikas, ist ein Städtchen Namens Gothen­burg entstanden, das augenblicklich, was die Anwendung der Elektrizität betrifft, an der Spitze ver Civilisation marschiert. Dadurch, daß seine Bürger den Nordplattefluß durch einen meilenlangen Kanal ableiteten, haben sie eine Triebkraft von 400 000 Pferdekräkten ge­schaffen, welche Elektrizität genug erzeugt, um das Städtchen zu Heizen, zu beleuchten, seine Fabrikmaschinen, Fahrstühle, seine Straßen­bahnen zu treiben; in diesem Orte des wilden Westens kennt man weder Holz- noch Kohlen­feuer, man backt und brät mit Elektrizität, kocht und siedet und arbeitet.

Unterhaltende».

Mutter Aoftn.

Von Hermiue Billmger.

(Nachdruck verboten.)

(Schluß.)

Mutter Rosin kannte ihren Steffel, sie wußte, das Erdreich seines Heizens war kein lockeres, das einmal Erfaßte wurzelte da fest. Sie batte nun Plötzlich Ästerlei in der Stadt zu besorgen, und hatte gar bald die Wege >nne, die Lili zwischen ihren Stunde» beging. Erst wurden hin und wieder Wort: gewechselt, es folgten längere Gespräche, nach denen man sich ungern trennte. Schließlich saß Lili auf Steffels Platz in der kleinen Küche und ihre, im An­fang seltenen Besuche artete» mit der Zeit in regelmäßige Sonntagsbesuche aus. Da hatte die alte Frau Gelegenheit ihren Müt­terlichkeitshang recht nach Herzenslust an­zubringen, denn diese, unter der Last ihrer Aufgabe halb erdrückte Menschenblüthe for­derte ihr ganzes Erbarmen berans. Aus dem kaum zwanzigjährigen Geschöpf mit den feinen Gesichtszügen sprach ein verbittertes Gemüt, dem alle Jugendlichkeit abhanden gekommen war.

Das Beste ist," erklärte sie Mutter Rosi»,nicht zu denken.Es ist eine Last; wo ich hiukomme, ich sehe nur Famillen- jamnier und Elend, und nichts ist mir so merkwürdig, als Ihre Heiterkeit, Mutter Rost,."

Die Alte nickte:Ich muß Biel nach- bolen jetzt, um's gut zu machen, daß ich einmal so kleinmütig war. Du lieber Himmel, ich Hab' in demselben Haus gewohnt, und die Leut' haben mir grad' so freundlich ihren guten Tag geboten, wie jetzt, weil ich aber vergrämt war, Hab' ich jeden Apfel für einen Gallapfel gehalten; 's kommt nur auf die eigenen Augen an, sagt der Apostel Paulus. Da hat der Steffel geschrieben, daß sich ein großer Fabriksherr für ihn interessirt und es ihm ermöglicht hat, daß er neben

der Gewerbeschule auch noch in die Gelehr- tenschul' gehen kann; da sitzt er nun zwischen zwölfjährigen Bube» und schreibt:Ist das ein Glück, Mutter!"

Es ist auch eins," versicherte Lili,denn er weiß für wen er arbeitet; ich dagegen renn wie ein herrenloser Hund von einer Stunde in die andere ob ich früh nach Hause komm' oder spät Niemand fragt darnach. Ja, wenn die Mutter am Lebe» geblieben wäre!Aber nicht einmal die Er­innerung an sie ist mir ungetrübt, denn ich kann immer nur eins denken und versuchen ihre That mit ihrem Wesen in Einklang zu bringen"

Nur abwarten," sagt die alte Frau, man lernt Alles verstehen, wenn man anf- merkt und Lili bei der Hand nehmend, führte sie sie hinaus in den Garten.

Da Hab' ich einen Rosenstock in voller Blüte, ist's nicht ein Staat und eine Freud' ihn anzusehen? Was er mir wert ist, ich kann's gar nicht sagen; aber eine, zwei ver­kommene Blüten hat er doch auch, eine Knospe die verfault ist, eine die der Wurm angefressen hat. Ja. glauben Sie denn, daß mirder Stock deshalb weniger lieb ist? Und grad', so denk' ich, ist's mit den Men­schen; wir sind auch nichts Andres als Ge­wächse, denen's da und dort fehlt; aber danach fragt die Lieb' nicht, denn, sagt der Apostel Paulus, sie erträgt und übersteht Alles"

Das war ein gutes Wort," rief Lili aus,eins, das ich nie vergessen werde, Mutter Rosi»"

Das junge Mädchen kam stets in große Verlegenheit, wenn Mutter Rost» von ihrem Sohn anfing; die Augen der alten Frau schienen dann gleichsam die Seele des Mäd­chens durchbohren zu wollen, daß es sich am liebsten in den Erdboden verkrochen hätte.

Da schauen sie einmal her," fuhr Mutter Rosin fort, indem sie Lili eine Photographie des Sohnes in die Hand legte, was für ein stattlicher Herr er ge­worden ist! Groß und breitschultrig, mit dunklem Vollbart ein Fabriksbub, der er war"

Nur die Augen sind noch die gleichen," bemerkte Lili, über das Bild gebeugt,Ihre Auge», Mutter Rosin"

Von draußen ließen sich Tritte auf dem Kiesweg des Gärtckcns vernehmen. Im nächsten Augenblick flog die Thür auf und derselbe Mensch wie auf dem Bilde, groß, breitschultrig, mit dunklem Vollbart und einem Paar leuchtenden blauen Augen, stand auf der Schwelle. Er wollte etwas sagen, brachte es aber nicht zu Stande, konnte nur die heftig zitternden Hände nach der Mutter ausstrecken. Diese nahm sich mit aller Gewalt zusammen:Du bist ein wenig lang fortgeblieben," meinte sie in leise be­bendem Tone, säumige Kinder gehören ge­scholten, sagt der Apostel Paulus."

Aus Steffel's Kehle rang sich etwas, das ebensogut für ein Schluchzen, als für ein Lachen gelten konnte. Plötzlich blickte er in die Höhe: Nus dem Halbdunkel der Küche tauchte ein blasses, feines Antlitz auf, ein paar rasche Tritte ließen sich hören, dann öffnete sich die Thür und ward wieder ge­schlossen.

Es ist Lili," sagte Mutter Rostn.

O," rief Steffel aus,sie soll nicht gehen" Er war schon draußen, sah Nie­mand, blickte rechts, blickte links ja dort, dort im Dunkeln stand eine Gestalt an einen

Baumstamm gelehnt und weinte. Er war an ihrer Seite:Warum weinen Sie?"

Sie schrak zusammen:Ich nein, nein, es ist nichts ich habe nur zum ersten Mal was man Glück nennt, gesehen"

Er nahm ihren Arm und führte sie auf die mondbeschienene Landstraße.

Ich weiß nicht, ist es die Nackt, die mir den Mut giebt, sind es Ihre Thränen, aber ich fühl's, di.s ist der Augenblick, der mir gegeben ist, und ich darf ihn mir nicht entgehen lassen; morgen schon bin ich vielleicht stumm und ungeschickt, nickt im Stande, das rechte Wort zu finden. Lcki mir ist's als gehörten wir zusammen; seit ihre Hand in der meinen gelegen, halt' ich keine andere Sehnsucht mehr, als sie mir zu verdienen. Die Mutter schrieb in jedem Brief von Ihnen, daß mir ist, als kenne ich sie genau. Sie freilich kennen mich nicht, und die Hand, die ich Ihnen biete, ist hart und derb, eine Arbeiterhand vielleicht aber"

Wer bin ich denn, daß Sie so zu mir sprechen," unterbrach ihn Lili, und bemühte sich umsonst ihren Thränen Einhalt zu thun, haben Sie denn vergessen"

Ich weiß nur eins Sie sind mir zum Leben nötig"

Mutter Rosin war eben mit der Zube­reitung des abendliche» Mahles beschäftigt, als sich die Thür öffnete und ein verklärtes Paar über die Schwelle trat.

Die alte Frau fragte nicht lang, sondern sprach unverzüglich, indem ihr ein paar dicke Thränen über d>e Wangen liefen:Unser Herrgott hat alle Taschen voll, und seine Erde ist kein Jammerthal, sagt der Apostel Paulus."

Vermischtes.

(Hermann Zeitung in Chicago.) Vorigen Sonnabend traf der österreichische Küstenfahrer" Hermann Zeitung wohlbehalten auf der Ausstellung in Chicago ein; seiner Gewohnheit entsprechend, hatte er sich in eine Küste einpacken lassen. Die Ausstellungsbeamten scheinen jedoch keinen Spaß zu verstehen; sie übergeben den anspruchslosen Reisekünstler der Polizei, die ihn wegengroben Unfugs" verhaftete.

Um Schuhleder vor dem Brechen zu bewahren, reibt man die Schuhe oder Stiefel mit Ricinusöl sehr stark ein. Ich lasse alle 14 Tage die Wichse von den Stiefeln mit Wasser abwaschen und dann tüchtig mit Ri­cinusöl einfetten, dieses Fett nimmt am leich­testen die Wichse wieder an, in vielen Haus­haltungen wird zum Einfetten Vaseline ge­nommen, diese macht das Leder weich, aber es zerfrißt das Leder und macht es brechen, eben­so die meist säurehaltige Wichse Auch muß jede Hausfrau ihrem Mädchen untersagen, in die Wichse Essig zum Glanz oder Schwarz­färben zu nehmen; man gebrauche dazu einige Tropfen Kaffee oder altes Bier.

(Frage an die Juristen.) Laut Urteilsveröffentlichung i» denMünchuer Neuesten Nachrichten" habe» sich die Herren August Salmstei» und Wilhelm Heymanu von Ansbach, wegen Mißbrauch der Fab­rikzeichen von Maggi's Suppenwürze des Vergehens wider das deutsche Marken- schutzgesetz schuldig gemacht. Diese beiden Herren sind die Inhaber der FirmaFrei­herr von Molitor und Cie., deutsche Armee- konservenfabrik in Ansbach." Dürfte der Begriff der Firmenwahrheit nicht auch im ^deutschen Handelsrecht schärfer gefaßt weiden?