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Aro. S3.
Sarnstag. 12. August 1893.
29. lakngang.
Wür ttemverg.
Stuttgart, 8. Aug. Wegen Majestätsbeleidigung wird der in Zürich wohnhafte frühere Kgl. württ. Hauptmann Edmund Miller, Herausgeber der bekannten Broschüren, vom Kgl. Landgericht Ravensburg verfolgt
Fellbach, 9. Aug. Mit Schmerz und Wehmut gedenkt heute unsere Gemeinde eines geschichtlichen Ereignisses, das am 9. August 1693, also gerade vor 200 Jahren, sich vollzogen hat, nämlich das Niederbrennen von 178 Häusern durch den franz. General und Mordbrenner Melac. Bekanntlich verheerte und brandschatzte derselbe in den Jahren 1688 bis 1693 unser damaliges Ländchen auf ganz grauenhafte Weise. Nachdem er zuerst sein Unwesen in Eßlingen getrieben, zog er nach Schorndorf, weil er aber dort Widerstand zu fühlen bekam, der bekanntlich hauptsächlich durch d>e mutige Bürgermeisterin ins Werk gesetzt worden war, zog er schnaubend und raubend, sengend und brennend das Remsthal herab, wobei er auch unserem Fellbach einen Besuch abstattete; eine Kriegsabgabe wurde ihm aber verweigert. Aus Rache hie- sür steckte er den Ort in Brand, wobei 178 Häuser in Asche gelegt wurden, darunter auch das Schulhaus, mit dessen notdürftigem Aufbau der damaligen großen Nor wegen man erst nach 2 Jahren wieder beginnen konnte. Aehnlich wie Fellbach erging cs nach und nach gegen 40 Ortschaften, so daß im Ganzen über 3000 Häuser zerstört wurden.
Rundscha u.
— Dem Vernehmen der „Bad. Korr." zufolge hat das Ministerium des Großh. Hauses und der auswärtigen Angelegenheiten im Anschluß an das Vorgehen von Bayern und Württemberg angeordnet, daß vom 1. Oktober des Jahres an die lOtägigc Giltigkeitsdauer der Rückfahrkarten auch aus badischen Staatsbahnnetz zur Einführung gelange
Baden-Baden, 7. Aug. Auf Anordnung der Oberstaatsanwaltschaft in Karlsruhe wurde heute nach der „Karlsr.Z," bei dem hiesigen sozialdemokratischen Medizinalverein wegen dringenden Verdachts von Unregelmäßigkeiten Untersuchung eingeleitet.
Von der Hornisgrinde, 6. Aug. Seit kurzem, schreibt das Bad. Wochenblatt ist das am Ufer des Mummelsees neu erbaute Hotel eröffnet. Die rußige Steinhütte hat nicht mehr die Ehre, Hotel zu sein. Auch der Neubau des Hotel Breitenbrunnen ist fertig und schon besetzt. Der Fremdenzug nach Breitenbrunnen ist oieses Jahr sehr stark.
Heidelberg, 7. Aug. Die Frage der Ausführung des lange geplanten und für die Stadt so wünschenswerten Neckarquais tritt wieder in den Vordergrund. Die Straße, die eine Länge von 500 Meter bekommen würde und deren Kosten auf 75000 Mark veranschlagt sind, würde, abgesehen von ihrem praktischen Wert, einen der schönsten Spaziergänge der Stadt abgeben. Die Höhenlage soll auf 5,70 Meter am Heidelberger Pegel bestimmt werde». Ob eine Fortsetzung oberhalb der großen Brücke ausführbar ist, steht noch sehr in Frage.
Frankfurt a. M., 8. Aug. Der Wechsilmaklersyndikat veröffentlicht ein inoffizielles Comumquä, wonach der Finanzminister 1)r. Miguel in einer h,ute vormittag mehreren Herren des Syndikats gewährten Audienz die Erhöhung der Börsensteuer als unvermeidlich bez>lchnete, da dieselbe die einzige populäre, Steuer sei, ohne deren Einführung auf die Gewährung anderer Steuer seitens der Vol-s- vertretung nicht zu rechnen sei. Eine Kontingentierung sei nicht geplant. Die Steuer würde in schonender Weise erhoben werden.
Berlin, 8. Aug. Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht das Gesetz betreffend die Friedenspräsenzstärke des deutschen Heeres vom 3. August 1893, sowie eine Verordnung betreffend die Einführung der Reichsgesetze auf Helgoland am 24. Juli 1893.
— Von der Konferenz der Finanzminister meldet man der Allg Z. aus Frankfurt: Die Mitglieder der Konferenz sind größtenteils bereits gestern Abend hier eingetroffen. Bezüglich der unabweißlichen Notwendigkeit, die Reichsfinanzreform nicht länger aufzuschieben, dürste volle Einmütigkeit bestehen. Von den neuen Steuerprojekten haben Börsensteuer und Tabakfabrikatsteuer Aussicht auf allseitige Zustimmung. Schwieriger gestaltet sich die Frage der Weinsteuer, die tief in die Budgets der süddeutschen Staaten, abgesehen von Bayern, das keine Weinsteuer hat, ergreift. Auch wäre, da die Pfälzer Abgeordneten und mit ihnen wenigstens ein Teil der Nationalliberalen, sowie die rheinischen Zentrumsabgeordneten, voraussichtlich dagegen stimmen würden wenig Aussicht auf Annahme einer solchen Steuer im Reichstage.
— Der Ka iser verkehrt — so erzählt ein Mitarbeiter der Londoner „Minister Gazette" — in England mit den Herren seines Gefolges, als ob sie alle seines gleichen wären Am Bord der Dacht nimmt er oft den Arm eines seiner Begleiter und spaziert mit ihm in ungezwungener Unterhaltung an Deck auf und ab. Er ist nie hochmüthig und hat es nicht gerne, wenn Freunde, während sie mit
ihm sprechen, den Hut abnehmen. Er liebt heitere Gesellschaften und harmlose Vergnügungen. Auf seinen Jacht-Touren im Norden begab er sich oft mit seinem Gefolge an einem abgelegenen Orte an Lanv und dann waren die Seemöven oft Zeugen davon, wie der Herrscher eines mächtigen Reiches und seine Begleiter sich Schuhe und Strümpfe auszogen um sich im feuchten Wasser zu ergehen und Steine der Oberfläche entlang zu werfen. Auch die Matrosen tragen zur Unterhaltung des hohen Herrn bei. Sie sind alle sorgsam ausgewählt und zeichnen sich nicht nur durch allgemeine Fähigkeiten und durch ihr gutes Betragen aus, sondern besitzen auch spezielle Talente. Einige von ihnen sind gute Akrobaten und Jongleurs, während ein Anderer durch seine humoristischen Vorträge sich großen Beifall erwirbt. Bei solchen Gelegenheiten lacht Niemand herzlicher, als der Kaiser, wie er selbst Sports aller Art über Alles liebt, so fördert er solche auch unter seinen Leuten. Er arrangirt oft unter seiner Mannschaft Wettläufe und Wettfahrten und ertheilt eigens für diesen Zweck angefertigte Medaillen als Preise, die eine passende Inschrift tragen. An allem, was seine Mannschaft angcht, nimmt der Kaiser großes Interesse; es ist daher kein Wunder, daß sie ihm blindlings ergeben ist. Bestrafungen kommen sehr selten vor. Während Prinz Heinrich seiner Strenge wegen gefürchtet wird, hat von ihm noch Niemand em Schaltwort gehört. Der Kaiser spricht sehr oft mit seinen Leuten, während sie bei der Arbeit sind. Seine Anrede ist „mein Sohn". Neulich als einer der Matrosen mit der Reinigung des Decks des „Hohenzollern" beschäftigt war, kam der Kaiser auf ihn zu und tagte.- „Nun mein Sohn, was thun Sie denn hier?" — Ich reinige das Deck, Ew. Majestät." — Wie viel Stunden Dienst hatten Sie gestern?" — Von zwölf Uhr Mittags bis 4 Uhr Morgens. — „Dann gehen Sie schon lieber und legen sich zu Bett. Das Deck wird ja doch wieder schmutzig." — Der Kaiser kostet auch die Nahrung seiner Leute zur Mittagszeit selbst. Oft kommt er in die Küche und überrascht den Koch, um zu sehen, daß seine Mannschaft ordentlich zu essen erhält. Wenn Bohnen auf dem Speisezettel angekündigt sind, wird immer ein Gericht davon für ihn reservirt, denn Bohnen sind des Kaisers Leibgericht. Sonntags leitet der Monarch den Gottesdienst selbst. Er sagt die Gebete, liest aus der Bibel vor und verliest dann am; einem geschriebenen Buche eine von einem hohen Geistlichen verfaßte kurze Predigt. Wenn die Leute ihre Dienstzeit vollendet habe», sorgt er ihnen für passende Anstellungen.
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