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gen und Guirlanden geschmückt. Das Wetter ist prächtig.
New-Dork, 5. Aug. Der Newyorker Herald meldet aus Bangkok: in den siamesischen Provinzen herrscht große Unruhe. Nach Berichten der Blätter aus Saigan fanden am 20. Juli ernstliche Kämpfe an den Ufern des Meton statt. Die Verluste der Siamesen beziffern sich auf 300 Todte, die Verluste der Franzosen seien geringer.
Tntkphaltrndks.
Mutter Aostn.
Von Hermine Villinger.
(Nachdruck verboten.)
(Fortsetzung.)
Es war wieder einmal ei» wunderschöner Spätsommerabend, als Steffel mit besonderer Hast über die Schwelle der kleinen Küche trat, die Thür weit hinter ihm offen lassend.
„Mh', mach' zu," sagte die Mutter, „ich mag die Sonn' nimmer leiden."
„Aber mir ist's zu eng, Mutter ich erstick' sonst — ich Hab' Dir was zu sagen —"
Sie seufzte, wie Jemand, der denkt: was wird's sei», und trieb ihr Geschäft weiter.
Steffel lehnte unter der Thür und schaute in die weite Ebene, hinter der die Sonne untertauchte. Dann wandte er den Blick der Mutter zu: „Bist denn gar nicht neugierig? Früher hat Dich jeder Stein inte- ressirt, den man in der Tasche batte — und jetzt — jetzt Hab' ich's erreicht, Mutter
— ich hab's ihnen vorlegen können, wie dieselbe Maschi»' sechs Spindeln zugleich treibe» kann, statt einer; der Direkior bat mich kommen lassen, das Patent ist mir sicher, und dann geht's auf die Gewerbeschul'
— hurrah! — Aber so freu' Dich doch, Mutter - "
Ja wenn's .sicher wär'," murmelte sie, „irgendwo lauert immer der Fuchs; schau, daß Dich der Jammer nicht gar so hart trifft, yails lieber mit mir, und verlaß Dich auf nichts; von der Höh'fallen ist s'ärgst' —"
Sie zündete die Lampe an und schloß die Thür, und Steffel würgte mißmutig sein Essen hinunter und sprach nichts mehr.
Wie hatte er gearbeitet, mit allem Sinnen und Denken aus dies eine Ziel hin, und nun, wo war die Freude?
Es klopfte, und Steffel fuhr aus seiner Versunkenheit auf und rief herein.
„Das hättest Du nicht thun sollen," schalt i» die Mutter, „es braucht Niemand zu mir hereinzukommen."
Die Thür hatte sich langsam geöffnet, ein junges Mädchen trat über die Schwelle.
„Sie kennen mich wohl nicht mehr," sprach sie in zitterndem Tone, einen Schritt uähertrelend, „ich heiße Lilr Berger — o Mutter Rosin, verzeihen Sie uns!"
Sie schluchzte laut auf, während Steffel mit leichenblassem Gesicht auf seine Mutter starrte, die wie eine Bildsäule dastand, mit hocherhobenem Haupte.
Eine Pause entstand, nicht länger als eine Minute, aber während dieser durchkosteten diese drei Menschen die Qualen einer Ewigkeit.
Mutter Rosin war's, welche das Schweigen mit den Morien brach: „Was haben Sie gesagt?"
Das junge Mädchen nahm die Hände von dem blaffen feinen Gesicht: „Lili Berger bin ich — ich war damals dabei, als Ihnen das schreckliche Unrecht zugesügt wurde —
ich habe darunter gelitten, viel, viel mehr als Sie — glaube» Sie mir —"
„So haben wir einen Richter gehabt."
Lili trat an den Tisch heran, auf den sie einen Bogen Papier und einen Beutel legte: „Das ist der Zettel, Mutter Roiin, und das sind ihre zweihundert Mark. Die Mutter ist gestorben; sie hat's kaum ein Jahr überlebt; ick habe chr auf dem Todten- bett versprochen, gut zu macken, was sie Ihnen angethan — nicht aus Schlechtigkeit, Mutter Rosin, aus Furckt vor vem Vater; sie hat mich gebeten, es ihm zu sagen, nach ihrem Tod — aber ich hab's nicht über's Herz gebracht — bis jetzt — und besonders - der Vater hat sich wieder verheiratet. Da mackte ich mir's zur Aufgabe, das Gelb selber zusammenzuveidienen, und das ist nun aeschehen durch Klavierstundengebeii. Ach, Mutter Rost», die Ihnen das Unrecht zuge fügt hat, war noch viel schlimmer daran, als Sie; von der Stunde an, va es geschehen war, hat meine Mutter keinen srohen Augenblick im Leben gehabt; es wurde nie darüber gesprochen, aber sie ahnte wohl, daß ick's wußte, denn oft hat sie mich unter Thräneu gefragt: „Kannst Du mich den» noch lieb haben, Kind? Und ick habe es gekonnt — ick habe sie so unsäglich lieb gehabt — viel tausendmal lieber als den Vater, der gewiß nie ein Unrecht gethan im Leben — aber auch nie eins verzeihen konnte. Darum, Mutter Rosin, stell' ich es Ihnen anheim — muß ich's dem Vater sagen? Wollen Sie, daß ich es Ihne?"
Die alte Frau hatte schon einige Mal versucht, etwas zu sagen, brachte es aber nicht zu Stande. Auf L'li's Frage wehrte sie nur lebhaft mit den Händen und barg dann aufschluchzend das Gesicht in die Schürze.
So vergingen einige Minuten. Lili wollte noch etwas sagen, sie wollte Abschied nehmen. Mutter Rosin weinte und hörte auf nichts.
Da wandte sich das junge Mädchen zum Steffel und reichte ibm die Hand: „Sie haben mich immer so wütend angesehen, als wir noch klein waren," sagte sie, „jetzt sind Sie der Glückliche, glauben Sie mir —"
Im nächsten Augenblick halte sie die Stube verlassen.
Steffel starrte die Thür an und saß wie im Traum.
Nie in seinem Leben hatte ihm das Herz so weh gethan wie in diesem Augeblick; er vergaß sich und schluchzte auf wie ein kleines Kind; da schaute die Mutter in die Höhe und reichte ihm die Hand über den Tisch. So saßen sie über eine Stunde und sprachen nicht; an das Geld auf dem Tische dachte Keines.
Der andere Morgen fand diese beiden Menschen in der eigenthnmlicksten Verfassung; eine geheime Scheu schien sich ihrer bemächtigt zu haben, daß sie sich fortwährend geflissentlich aus dem Wege gingen und vermieden, miteinander zu sprechen.
Nichts anderes als Mitleid war's mit dem unglückseligen Kind, durch dessen Mutter sie elend geworden, was ihnen den Mund schloß. Als sie jedoch im Laufe der Zeit bemerkten, daß keines von ihnen im Sinn hatte, ein Derdammungswort auszusprechen, siel's ihnen wie eine Last vom Herzen.
Besonders Mutter Rostn gab sich voll und ganz dem Glück ihrer inneren Befriedigung h'n; wie eine Pflanze die lange im 'Schatten gesiecht und endlich wieder dem
Sonnenlicht zurückgegeben war, so blühte sie auf.
„Ich weiß gar nicht, Steffel," meinte sie emes Tages, „wo ich nur meine Augen gehabt; wem ich begegne, schaut mich freundlich an; soviel ist gewiß, wie man in den Wald schreit, schreit's wieder heraus, sagt der Apostel Paulus. Falls es aber der Abschied sein sollte, der dich so kopfhängerisch macht, laß Dir's gesagt sein, Steffel, ich setz' jetzt einen Blumeuhandel ins Werk, und bas müßte curios zuzehen, wenn der mir nicht gedeihen sollt' —"
In der That er gedieh, und Steffel hätte alle Ursache qehabi, sorgenfrei seine Reise -'nzutreten. Als er jedoch mit seinem Rucksack vor der Mutter stand, bemerkte diese, daß ihm noch etwas anderes auf der Zunge schwebte, als blos das Abschiedswork. Zwei Mal hatte er ihr die Hand fast aus dem Gelenke geschüttelt, sein Gesicht war dunkelrot, in seinen Augen flimmerte es von verhaltenden Thräneu. Mit eins drehte er die Mutter ui» und flüsterte ihr vo» hinten ins Ohr: „Sie ist unglücklich — sei gut zu ihr Mutter —" »»d fort war er.
(Schluß folgt.)
Vermischtes.
Neugierig. Bankier: „Meine Tochte erhält zunächst 150 000 M. Mitgift und das Doppelte nach meinem Tode." Bewerber: „Und wann dürfte das etwa sein?"
Die Mode findet so viele Anhänger, weil sie den Leuten erspart, selbst darüber »achzu- denken, was geschmackvoll ist.
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Wertpapiere, Pferdebahnwagen und Polizisten haben das gemeinsame, daß sie gerade dann nicht zur Stelle sind, wenn man sie braucht!
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Man soll den guten Ruf und — das Klavier seines Nebenmenschen — nicht antasten.
-p *
Wie glücklich würde mancher leben, wenn er sich um anderer Leute Sachen so wenig bekümmerte, als um seine eigenen.
Gemeinnütziges.
— Gegen den Biß der Kreuzotter giebt es bekanntlich ein ziemlich sicher wirkendes Mittel und dies ist der Alkohol. Ob dieser in Form von Kognak, Rum, Arrak, Kornbranntwein Nordhäußer oder von schwerem Wein genoffen wird, das bleibt sich gleich, der Gebissene trinke ruhig bis zur Bewußtlosigkeit und er wird gesunden. So gut wie vom Leichengift wird nämlich auch vom Schlangengift das Blut zersetzt, das heißt die Blutzellen werden zertrümmert und der Blutfarbstoff tritt i» die Gewebe aus, außerdem durchdränkt die flüssige Substanz der Blutzellen die umliegenden Teile. Während jdas Schlangengift die Blutkörperchen zu zersprengen droht, zieht der Alkohoht dieselben sternfömig zusammen. Das Aussaugen der Bißwunde ist nur im Notfälle zu empfehlen, kleine Verletzungen oder Schrunden an Mund und Lippen können hier eine neue Vergiftung Hervorrufen. Ist Alkohol zur Stelle, so muß man mit den Nägeln der vorher in die Flüssigkeit eingetauchten Finger die Wunde sofort aus- drücken bis kein Blut mehr kommt. Es empfiehlt sich für jeden Touristen, gegen die Gefahr eines Schlangenbisses sich mit Kognack auszu- rüsten.