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Telegramm aus Rio de Janeiro zufolge ist j die Ruhe im Staate Santa Catharina wieder hergestellt.
— Ein Juwelenkasten im Wcrthe von 1000 Pfund und 90 Pfund bar wurde der Gräfin Howe, welche in Begleitung des Prinzen und der Prinzessin von Sachsen-Weimar «ach Cowes reisen wollte, auf bisher unaufgeklärte Weise in der Nähe von Portsmouth gestohlen.
Ulitki-Halkndks.
MuttesKostu.
Von Hermine Billinger.
(Nachdruck verboten.)
(Fortsetzung.)
Rosin warf eine» Blick auf die Verwalterin, in deren Augen eine Welt der Abbitte lag, schluckte ihre Demütigung hinunter und trug das Frühstück in die Eß- stube. Hier empfing sie gar fröhliche Klänge; Lili saß am Clavier, mit einem roten Band in den Haaren, und ihre feinen Fmgerchei. hüpften wie toll über die Tasten.
„Wie ist's, Mutter Rosin," rief sie der Aufwäiterin entgegen, „was sagt der Apostel Paulus?"
„Freut Euch des Lebens, Halleluja, Amen," gab die Frau zur Antwort.
Lili lachte hell auf, und ihre Mutter, die eben unter der Thür erschien, bemühte sich, in die Heiterkeit ihres Kindes mit einzustimmen. Mutter Rosi» dachte: „Jetzt ist's Zeit mit Deinem Anliegen" — und wickelte ihren Bogen aus dem Papier: „Ich Hab' die Frau Verwalter nun bitten wollen," begann sie, „ob's Ihnen nicht unangenehm war', mir heut' meinen Lohn auszuzahle» — oder morgen, wie's der Frau Verwalter am beste» paßt —"
Eine Pause entstand, dann meinte die kleine Frau ui erschrockenem Tone: „Was wollen Sie, Rosin? Ihren Lohn?"
Der Verwalter, der in diesem Augenblick in die Stube trat, fing das Wort auf.
„Ihren Lohn? Will diese Person auch noch ihren Lohn vo: ausbezahlt haben?"
„O »ein," betheuerte Mutter Rosin, „entschuldigen Sie, Herr Verwalter, aber so eine Unverschämtheit könnt' ich mir in meinem ganzen Leben nicht erlauben, hier auf dem Bogen ist alles ausgeschrieben —"
„Der Lohn von früher?" unterbrach sie der Verwalter.
„Sind Sie verrückt? Ihr Lohn ist regelmäßig jeden Monat ausbezahlt worden, jeden Ersten hat ihn die Frau bei mir geholt
Er schoß in's Nebenzimmer und kam mit dem Rechenbuch zurück: „Bei mir ist Ordnung, wissen Sie, — da steht's und da und da — haben's Sie's nun gesehen?"
Mutter Rosin schaute zu dem heftigen Mann auf, dann suchte ihr Blick die Verwalterin : „Die Flau Verwalter," stotterte sie, „wissen ja —"
„Was weiß sie? Was soll sie wissen?" fuhr der Mann auf. „ Zst hier etwas nicht in Ordnung?" wandte er sich an seine Frau.
Diese sah mehr einer Todte» als einer Lebendigen gleich. „Ich weiß nicht," stammelte sie, „weiß wirklich nicht —"
„Hast Du den ausbezahlten Lohn nicht bescheinigen lassen?"
Sie schüttelte den Kopf.
„Aha," brauste er auf, „da ist wieder Unordnung im Spiel, und die hat diese
s Person benützt — natürlich, wer Unredlichkeit unterstützt, der macht sich auch nichts daraus, selbst zu betrügen — ja wohl, starren Sie mich nur an, Betrügerin!"
Mutter Rosin stieß einen leisen Schrei aus, und sank wie vernichtet auf die Kuiee; sie konnte nicht reden, nur die gefalteten Hände streckte sie dcr Verwalterin entgegen.
„Stehen sie auf!" herrschte sie der Mann an. „Weil Sie so einen ordentliche» Sohn haben, will ich Sie schonen, — seinet- halben, denn seine Bravheit macht mir Freude; aber kommen Sie mir nicht mehr unter die Augen. In meinem Hause gibl's für Unredlichkeit keine Verzeihung."
Er ging und Mutter Rosin richtete sich auf; ihr Blick war wie erloschen.
„Frau Verwalter", sagte sie, „der da oben weiß, was Sie gethan —"
Sie schwieg Plötzlich, denn die Verwalterin lag völlig leblos in ihrem Stuhl, und Lili warf sich laut aufschreiend über sie hin.
Dies alles sah Mutter Rosin, wie durch einen Schleier, und wußte nichl, wie sie zur Thür hinaus und nach Hause kam.
Der S»h» fand sie des Abends auf dem Bänkchen, »eben dem Herb sitzenc; es brannte kein Feuer, nicht die geringste Vorbereitung zu einer Mahlzeit war getroffen. Die »och am Morgen so rüstig aussehende Frau sah wie eine Greisin aus.
„Mutter," schrie Steffel sie an, „was ist mit Dir, Mutter?"
„Ja, ja." nickte sie, „'s ist alles anders geworden, wie wir hofften. Ich komm' mit leeren Händen — sie hätten mich jeden Monat ausbezahlt — er hat's ausgeschrieben — ich sei eine Betrügerin —"
Es gab dem Steffel einen Stoß, daß er taumelte.
„Ich bring' mich um," kreischte er auf. „Was fällt Dir ein," wehrte die Mutter, „Du, ruhig. Du, sei brav — es ist schon genug, daß eins eine Schmach tragt —"
Er setzte sich neben sie und nahm ihre Hand: „Mutter! Mutter!"
„I", ja, es war ei» Tritt ins Lebe», denn wohin wir uns auch wenden, und wenn wir uns die Füß' blutig laufen, und die Seel' ausweinen, und die Händ' abringen, — wir haben keinen Richter — wir haben keinen Richter —"
„Mutter, Mutter," unterbrach sie Steffel, „raff' Dich auf —"
„Ja, wenn ich eine Thrän' weinen könnt', aber so versenkt mir's Herz, — Ja wenn wir einen Richter fänden in der weiten Welt —"
Die Nacht brach an. Mutter Rosin saß noch immer und redete, und konnte sich nickt zurecht finden. Steffel streichelte ihr von Zeit zu Zeit die Hand; nichl nur seine Hoffnungen waren ihm mit einem Schlag genommen — die Mutter, sein Halt, seine Stütze, brach vor ihm zusammen; er hatte die Empfindung: „Jetzt komm' ich an die Reihe, jetzt muß ick stark sein —"
Er rüttelte die jammernde Frau am Arme: „Es ist dunkel Mutter, willst Du nicht Licht anstecken? Und essen müssen wir auch —"
„Wo soll denn noch ein Brocken hin," murmelte sie, „zu all' dem Leid —"
Da steckte der Bursche die kleine Lampe selber an, und machte Feuer im Herd; mit dem Kochen aber wußte er nicht Bescheid. „Mutter," bat er, die heiße Stirne gegen die ihre pressend, „ich bin hungrig."
Nun fuhr sie auf: „Ach ja, ach ja, es muß ja weiter gehen, Du bist dal"
Sie ging zum Herd, und kochte ihm die Suppe, aß ein paar Löffel davon auf Stef- fel's inständiges Bitten. Dann gmgen die Beiden zur Ruhe.
Das Leben i» dem Häuschen der Witwe gewann nun einen ganz andern Anstrich; Mutter Rosi» diente nicht länger, sie verbar- ricadierte sich förmlich in ihrer Küche, um ja keine» Menscben sehen zu muffe». Die Frau des Wegfnhrers kam und klopfte an ihre Thür; sie schickte ihre Kinder — es half nichts. Mutter Rosin's Hänschen blieb verschlossen. Wie ein schwer getroffenes Thier zog sie sich in die Einsamkeit zurück, und ihre redselige» Lippen verstummten.
Steffel wollte die Sache nicht auf sich beruhen lassen, einen Rechtsanwalt nehmen, die ganze Welt mit seiner Empörung anstecken. Mutter Rosin litt es nicht und der Sohn fügte sich. Der harte Schlag, der ihre fröhliche Seele verdüstert, wurde ihm zum Segen. Er harte ruhig über seinen Maschmen gebrütet, und nie eine» Gedanken über das Wohl und Weh der Mutter verloren, und ob's auch nicht zu viel war, was sie um seinetwillen leistete und entbehrte. Mit dem Unrecht, das ihr geschehen, erwachte in ihm die Sehnsucht, es gut zu machen; er war es jetzt der redete, während sie stumm blieb; unermüdlich spann er de» Faden seines Gelpräches Wecker, seine Pläne laut gegen die Mutter aussprechend.
Er wurde allgemach zu einem großen, bärtigen Mensche», der seine freien Stunden noch immer an dem kleinen Küchentische über seinen Zeichnungen zubrachte. Nirgends war mehr eine Blume zu sehen, m dem kleinen Küchsnraum.
Steffel, in dem Wunsche, das Fehlende zu ersetzen, hatte überall an den Wänden seine Maschiuenentwürfe angenagelt.
Auch im Gärtchen draußen sah's ganz anders aus; Mutter Rosin pflanzte jetzt Gemüse; eine Händlerin kam jeden Markttag in der Frühe und kaufte es der Witwe ob^(Forts, folgt.)
Vermischtes.
— „Viele Wespen, viel guter Wein," sagt ein altes Sprüchwort. Kommt es nun dieses Jahr auf diese Tierchen an, so werden alle Fässer gefüllt und der Wein wird honigsüß. Die Wespen belästigen Heuer, wie gerade aus den Weingegenden gemeldet wird, aber auch in den Städten sehr bemerkbar ist, mehr wie in anderen Jahren die Bevölkerung.
— Es lebe die Statistik! Diese nützliche Wissenschaft findet, wie zu erwarten, in Chicago ein ausgiebiges Feld. So hat ein von der Zahlenwuth ergriffener Mensch folgende Berechnung angestellt: Ein Besucher der Ausstellung der dieselbe täglich während der ganzen Eröffnungsdauer besucht und jedem Gegenstände nur 5 Minuten widmet, würde 28 Jahre brauchen, ehe er herumkommt.
(BeiderWeinprobeWirt): „Donnerwetter ist der Wein sauer! Da müssen wir schon ein freundliches Etikett daraufkleben!"
— (Ei n M an n a l s K ö ch i n.) In Wien stand der Zuckerbäckerlehrling Albrecht Lackner vor dem Bezirksgericht Währing unter der Anklage, sieben Jahre als Frau verkleidet, verschiedenen Geschäftsleute als Köchin und als Stubenmädchen gedient und dadurch falsche Angabe im Personenstandsregister veranlaßt zu haben. L. gab an, er habe als