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die 3 Antisemiten Liebermann von Sonnen­berg, Ahlwardt und Leuß, sowie der Pole v. Czarlmski, ferner die Abgeordneten Eck (Zentrum) Hilpert (wild) Letocha (Zentrum) Abg. Wenzel erklärt, daß er durch Zufall ver­hindert gewesen sei der Abstimmung beizuwnhnen. Zu Artikel 2 der Militärvorlage liegt der be­kannte Antrag des Prinzen Carolath und des Abg. Rösike vor, die zweijährige Dienst­pflicht solange festzulegen, als die Friedens­präsenz nicht herabgemindcrt werde. Prinz Carolath begründet seinen Antrag. Abg. Frhr. von Stumm (Reichspart.) spricht sich dagegen aus. Reichskanzler Graf v. Caprivi spricht sich dagegen aus und gicbt die Erklärung ab. die verbündeten Regierungen würden, falls der zweijährigen Dienstzeit nicht unüberwind­liche und nicht vorhersehbare Hindernisse ent­gegenträten, nach Ablauf von 5 Jahren nicht auf die dreijährige Dienstzeit zurückgehen. v. Gültlingen (Reichsp.) ist für seine Person für den Antrag, möchte aber von der Annahme desselben nicht seine Abstimm­ung für die Vorlage abhäng g machen. Red­ner hat sich seinen Wählern gegenüber für die verfassungsmäßige Festlegung der zwei­jährigen Dienstzeit ausgesprochen und bedauert, daß die Regierung dem gegenüber eine ab­lehnende Haltung eingenommen habe; ebenso gut wie die dreijährige, könnte doch auch die zweijährige Dienstzeit in der Verfassung ihren Platz finden, zumal cs sich dabei um die Erfüllung eines sehnlichen Wunsches weiter Volkskreise handelt. In der namentlichen Abstimmung iwrv der Antrag Carolath zu Artikel 2 vertagt.

Berlin, 14. Juli. (Reichstag.) Der Antrag auf Einstellung des Strafverfahrens gegen Ahlwardt wird angenommen. Es folgt die Fortsetzung der 2. Lesung der Miiitärvor- lage die Abstimmung über den Antrag Caro­lath (die 2jähnge Dienstzeit im Art. 2 der Vorlage auf so lange gesetzlich festzulegen, als die Erhöhung der Heeresstärke nicht wieder rückgängig gemacht wird.! Der Antrag wird mit 274 gegen 105 Stimmen abgelehnt.

Für den Antrag Carolath stimmten die Natwnalliberalen, die Polen, die freisinnige Vereinigung, die Antisemiten außer Lieber­mann, ferner Freih. v. Gültlingen, Schultz- Lupitz und Höffel von der Reichspartei, sowie die Fraktionslosen Pachmcke und Anker, der Elsäßer Colbus, Schnaidt, südd. Vvlkspartei, und Pflüger, freis. Volkspartei.

14. Juli. (Reichstag Forts.) Nach der Abstimmung über den Antrag Caroloth erklärt Gröber (Zentrum) zu Art. 2 Dienst­zeit) : Die Vorlage lasse darüber Zweifel, ob Leute, die nach 2jähriger Dienstzeit entlassen würden Reservisten oder Dispositionsurlauber sind. Diese Zweifel müssen durch eine ent­sprechende Aenderung des Z 2 beseitigt wer­den. Major Wachs vom preuß. Kriegsmini­sterium erklärt: Der Z bedarf keiner Aender- une. Die Militärverwaltung bittet, es bei den Bestimmungen der Vorlage zu belasten.

Graf Herbert Bismarck sagt, von der Notwendigkeit der Verstärkung der Armee war niemand mehr überzeugt, als ich. An der Hand des Vergleichs mit anderen Staaten kann man nicht sagen, daß wir finanziell nicht im Stande wären, Deckung zu leisten (Abg. Richter zur Sache!) Er (Bismarck) bedauert die Abschwächung der Vorlage gegen die ur­sprüngliche und hofft, daß es noch nicht zu spät sei, zur Wiederherstellung der ursprüng­lichen Vorlage. (Richter ruft Z 1, großer Lärm. Vizepräsident Bürklin: Ich bitte, den Redner nicht zu unterbrechen.) Graf Bismarck: Ich habe mich gefreut, daß der Führer der Konservativen gestern noch einmal

die schweren Bedenken zum Ausdruck gebracht und formuliert hat, denn es ist für jeden Ehrenmann ein schweres Opfer, ein Prinzip aufzugeben, dem man während seiner ganzen parlamentarischen Laufbahn fest angehangen und das man in Gemeinschaft mit der Re­gierung verfochten hat. (Beifall rechts.) Alles was konservativ im Reiche genannt zu werden verdient, steht aus dem Boden der Tradition und dcs Vermächtnisses des hochseligen Kaisers Wilhelm I. (Beifall rechts), der lieber seiner Krone niederlegen als auf die dreijährige Dienstzeit verzichten wollte. (Richter: Z 2! Z 2 !) Dieser Monarch ist beraten worden von Generalen und Feldherren, wie sie die Welt bisher nicht gesehen hat (Richter: Z 2! Z 2!), welche die Arme führten, die die Siege von 1866 und 1870 erfochten hat, und die beste war, die die Welt gesehen hat. (Wie­derholte große Unruhe und Zwischenrufe links, Glocke des Präsidenten) Die Erfolge haben dem hochseligen Kaiser Wilhelm I. Recht ge­geben, wenn er auf das Prinzip der dreijäh­rigen Dienstzeit nicht verzichten wollte. Darauf muß ich Hinweisen, daß der Wandel in der Auffassung vom Bundesratstisch noch kein so sehr alter ist. Anfangs April, ich glaube am 5. April 1890, also zur Zeit der Regierung des jetzigen Reichskanzlers (Heiterkeit links), enthielt das amtliche Organ des Kriegsmini­steriums einen ausgezeichneten Artikel über die Un­möglichkeit, die 2jährige Dienstzeit zu acceptieren. Das war vor 3 Jahren. Die Zuversicht des Reichskanzlers auf eine dauernde 2jährige Dienstzeit sei keine sehr große, sonst würde er doch diese gesetzlich festlegen. Er (Bismarck) wolle für die zweijährige Dienstzeit die Ver­antwortung nicht übernehmen.

Der Reichskanzler erwidert und beleuchtet verschiedene Ausführungen des Grafen Bis­marck. (Er wird dabei fortwährend durch Zwischenrufe des Grafen Bismarck unterbrochen. Protest im ganzen Hause, andauernder Lärm.) Der Reichskanzler ersucht den Präsidenten unter dem Beifall des ganzen Hauses, die Redefreiheit zu wahren.

Berlin, IS. Juli. Die Mili­tärvorlage wirv in dritter Leinng nach Annahme des Art. 1 über die Friedenspräienzstärke und sämtlicher übrigen Artikel ohne weitere Abstimmnngangenommen. Sodann wurde dieganze Borlage in namentlicherAbstimmung mit 2«1 gegen 18SStimmen angenom­men.

Die Abgeordneten Gamp, v. Kardorff, Merbach und Graf Arnim haben mit Unter­stützung anderer Mitglieder der freikonserva- tiven Partei einen Antrag im Reichstage ein­gebracht, welcher lautet: der Reichstag wolle beschließen, den Hrn. Reichskanzler zu ersuchen: 1) mit möglichster Beschleunigung einen Ge­setzentwurf vorzulegen, durch welchen 1. dem gesamten Handwerk eine organisierte Vertre­tung in Handwerkerkammern gegeben wird, denen die Beaufsichtigung des Lehrlingswesens, des Herbergwesens u. s. w., sowie die Aufgabe zu übertragen wäre, die Interessen des Hand­werks in technischer und wirtschaftlicher Be­ziehung zu vertreten. 2. diejenigen Personen von der Ausübung des handwerksmäßigen Betriebs ausgeschloffen werden, die ihre Be­fähigung zu diesem Betriebe nicht durch län­gere Ausbildung als Lehrling und Geselle dar- gethan haben (Befähigungsnachweis); 2. bei den Bundesregierungen dahin zu wirken, daß die die Handwerker schädigende Beschäftigung der Strafgefangenen nach Möglichkeit einge­schränkt wird.

Berlin, 14. Juli. Der^Seniorenkon- vent dcs Reichstags beschloß, den Reichstag am SamStag um 2 Uhr nachmittags zu schließen mit Rücksicht auf den freisinnigen Parteitag.

Berlin, 13. Juli. DieVoss. Ztg." hört, die Reform des Alters- und Invaliden» gesetzes Hobe bereits begonnen.

Vermischtes.

(W e i b l i ch e E n e r g i e.) Aus Kopen­hagen schreibt man vom 8. ds.: Ja den hie­sigen Bahnhöfen und Theatern waren in der letzten Zeit sehr viele Taschendiebstähle vor­gekommen, ohne daß es der Polizei gelang, di- Schuldigen zu entdecken. Vor einigen Tagen bemerkte eine junge Dame, die sich im Gedränge vor dem Bllletschalter eines hiesigen Bahnhofes befand, daß ein neben ihr stehender Herr seine Hand in die Tasche seines Nach­bars steckte und eine Brieftasche herausziehen wollte. Ohne zu zögern ergriff die junge Dame den Herrn beim Arm und überlieferte ihn trotz seines Widerstandes der Polizei. Es stellte sich heraus, daß er der Urheber der letzten Diebstähle war. Als er später mit der Dame konfrontirt wurde und man ihn fragte, ob er sie erkenne, antwortete er:Ja, obgleich ich sic nur ein einziges Mal gesehen habe, werde ich sie nie vergessen!" Der Poli­zeidirektor hat das Fräulein brieflich in se r schmeichelhaften Ausorücken wegen ihres muth- igen Auftretens beglückwünscht und ihr als Anerkennung für den Dienst, den sie der Justiz erwiesen, eine sehr werthvolle Diamant- Brosche geschickt. Außerdem hat dieser Vor­fall auch noch dor energischen junge Dame einen Mann verschafft. Em hiesiger Journalist hat sich mit ihr verlobt.

Em neues Goldfieber ist in Austra­lien ausgebrochen. Die kürzliche Entdeck­ung von Goldadern in der Nähe von Cool- gardi, im Westen von Australien, welche 9000 Unze» Gold lieferten, hat die Veran­lassung dazu gegeben, daß eine Menge Leute nach dem neuen Goldlande strömen, und zwar nicht nur aus den umliegendeu Städten, sondern auch aus den benachbarte» Kolonien. Es befinde» sich schon 1400 Personen auf dem Goldfeld, und die Mehrzahl von ihnen soll auch Gold gesunden haben. Don Mel­bourne gehe» jetzt besondere Dampfer nach dem Westen von Australien ab und viele Goldgräber und unbeschäftigte Personen ver­lassen die Stadt, um lhr Glück in jener Gegend zu versuchen.

(Empört.) Klientin:Herr Doktor, mich hat heute mein Zimmerherr auf der Treppe umarmt und fest an sich gedrückt, kann ich denselben deshalb gerichtlich belangen? Winkeladvokat:Gewiß, wegen Preßvergehens!"

Vogelfreunde! Das von Gunav Voß, Hof, lieferant in Köln, auf Grund 20jähriger Er­fahrung in der Vogelpflege hergestellte, rühm- lichst bekannte, vielfach preisgekrönte Sing- sutter für Kanarienvögel und Waldvögel, Misch­futter für Amseln, Drosseln, Nachtigallen, Staare, Lerchen, überhaupt für alle in- und ausländischen Sing- und Ziervögel ist hier nur allein echt zu haben bei Carl Wilh. Bott. In letzter Zeit wollen Laien ohne Erfahrung in der Vogelpflege die Voß'schen Vogelfutter nachahmen. Man verlange deshalb nurVoß- sches Vogelfutter mit der Schwalbe" (eingetr. Schutzmarke.) Das viel begehrte kleine Hand­buch über VogelpflegeDer Bogelsreuvd" ist in der hiesigen Niederlage für 10 Pfg zu haben, Prosprcte umsonst; daselbst ist auch der neueste Prachtkatalog einzusehen. Preis­listen über alle Arten Sing- und Ziervögel, Käfige, Volieren rc. werden auf Anfrage gratis und franco ab Köln versandt.