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wirklich Diensttauglichen von den zur Ein- steüung i» den aktiven Dienst vorgemusterten Mannschaften um 90,000 bis 100,000 Mann mebr als der gesamte Rekrutenbevarf.
— Ein eigener Unstern scheint über den geplanten großartigen Kaiser-Manövern in Lothringen zu schweben. Im vorigen Jahre wurden sie bekanntlich in letzter Stunde wegen der drohenden Choleragefahr abgesagt. In diesen Jahren sind sie infolge des durch den ungewöhnlichen Futtermangel hervorgerufenen landwirtschaftlichen Notstandes ernstlich in Frage gestellt. Die zuständigen Behörden des Reichs- landes werden von allen Seiten gedrängt, auf eine abermalige Verschiebung der Kaisermanöver hinzuwirken, und haben bereits Mitteilungen in diesem Sinn nach Berlin gelangen lassen. Da ähnliche Wünsche aus demselben Grunde in Stuttgart laut geworden sind, so ist es überaus wahrscheinlich, daß der Reichskanzler demnächst beim Kaiser die abermalige Abbestellung der großen Herbstmanöver befürworten wird. Ein derartiger Entschluß dürfte, damit nicht wieder, ivie im vorigen Jahre, erst alle Vorbereitungen u nötigcrweise getroffen werden, diesmal noch vor dem Antritt der kaiserlichen Nordlandssahrt gefaßt we'den.
Köln, 29. Juni. Weihbischof Baudri ist heute im Alter von 90 Jahren gestorben.
Wien, 4. Juli. Im ganzen Sachsenboden Siebenbürgens ist liefe Trauer über den unerwarteten Tod des 76jährigen vollkommen rüstigen Landesbischojs Tcutsch, des geistigen Oberhauptes der sächsischen Nation. Die Veranstaltung einer großartigen Trauerfeier ist vorbereitet.
London, 3. Juli. Die Königin verlieh dem Großsürsten-Thronfolger von Rußland den Hosenbandorden,
— 4. Juli. Die „Times" meldet aus Kairo: Es verlautet, der Khedive habe den Sultan gebeten, das englische Militär durch türkische Truppen zu ersetzen und die Abberufung Lord Cromers herbeizuführen. Eine Bestätigung liegt nicht vor.
London, 3. Juli. Bis gestern abend beliefen sich die Beiträge der vom Lord-Mayor von London veranstalteten Sammlung für die Witwen und Waisen der beim Untergange der Viktoria Umgekommencn auf 20 000 Vfd. Der Premier Gladstonc steuerte 25 Pfund bei. — 132 Kinder, Schüler der Forest Gate Distrikt-Schule, leiden augenblicklich an den Folgen einer Vergiftung. Einige sind derselben schon unterlegen. Die Angelegenheit ist einer Untersuchung unterworfen worden, die noch fortdauert.
London, 3. Juli. Die Firma Mer- rall und Söhne in Howorth, eine der größten Wollstofffabriken Englands, kündigte kürzlich ihren Webern eine Lohnherabsetzung von 10 bis 15 Prozent an. Etwa 800 Arbeiter widersprachen; daher schloß die Fabrik drei Spinnereien. Gegen 4000 Arbeiter sind ohne Beschäftigung.
— Das Bureau Reuter meldet aus Malta, daß heute die Kreuzer Edgar und Phaeton mit den Ueberlebenden von der Besatzung der Viktoria dort eintrafen. Es sind dies 27 Offiziere und 267 Mann. Diese Augenzeugen der Katastrophe berichten, daß die „Viktoria" binnen 5 Minuten gesunken ist, obwohl sofort das Signal zum Schließen der Schotten gegeben worden war. Von Tryon ist keine Spur mehr nach dem Untergang des Schiffes entdeckt worden.
London, 1. Juli. Nach einer Meldung der „Times" aus Athen sei infolge der jüngsten Krisen ein vollständiger Stillstand im Handel und Gewerbe eingetreten, auch seien
die Preise der Nahrungsmittel gestiegen, theil- weise in Folge des Aufenthalts des französischen Geschwanders von 24 Kriegsschiffen in den griechischen Gewässern.
Aus Nottingham wird tele graphiert: In den frühen Morgenstunden brach daselbst ein Feuer aus. Die Warenhäuser der Firma Leymann u. Alexander daselbst wmden vollständig zerstört. Der Verlust wird auf 120 000 geschätzt. 800 Arbeiter und Arbeiterinnen sind dadurch brotlos geworden
Genf, 30. Juni. Heute Morgen, melden die „Baseler Nachr.*, feuerte Maler Baud in Carouge im Justizpalaste der Stadt Genf einen Revolverschuß auf Pauly, den Präsidenten des Civilgerichts, ab, wegen eines verlorenen Prozesses. Baud wurde ins Gefängnis gebracht. Pauly ist am linken Arm verwundet und wurde ins Spital geführt. Der gleiche Baud schleuderte vor einigen Jahren dem Friedensrichter in Carouge ein faules Ei an den Kopf.
— Die Cholera in Arabien nimmt in ganz erschreckendem Maße zu. Die Zahl der Todesfälle in Mekka, wo gegenwärtig 100 000 Muhamedaner als Wallfahrer sich befinde», ist an einem einzigen Tag ans 999 gestiegen. Ein japanesticher, von Dr. Koch ausgebildeter Arzt hat die wichtige Entdeckung gemacht, daß die im Körper absterbende» Cholerabazillen Schwefelsäure entwickeln. Hierin liegt wohl die eigentliche Todesursache. Gegen diese Schwefelsäure im menschlichen Körper ein Gegengift zu schaffen, dürfte nicht mebr allzuschwer fallen, und somit ist die Hoffnung »i.bt unberechtigt, daß man die Cbolera i» nicht allzuferner Zeit auch kurieren kan».
Xonreni l>v8 seiiweäiselikn vamen- 8extett8.
Mär sinken wie dis VöAsleiu, dis iu den 2weiASu wohnen — ja liehliclrer, rirvanA- lossr und Rischer Könner» diese ilrrs Rieder such nicht erschsllsri lasser» und das Hers er- kreuerr als diese sechs unmutigen Lrsciiei- nullg-sn des deutsch-sclrwsd. Damen-8extetts, clis letrtsu Nontag nachmittag in äsr Rriuk- halls konvertierten. Ds ist ja wohl begreiflich, dass diese 8änAerinneu, die ohne Notenblätter, obosjscks ^.nstrsnAunZ iriscii- eveg vom kleinen num kleinen sanken, sieb niebt in Nausen einscblissssn wollten, sondern lieber unter des Himmels Angesicht trei und fröhlich ihre Rieder hinausjubel- ten. ^.ber für das kuhlikum wäre es enl- sebieden angenehmer Akwssen, wenn der Oonversationssaal gewählt worden wäre, da die Omnibus- und OaugholnbegleitunA gerade um diese 8tunds des Da^es uud das fortwährende Oeräuseb, das dis Oassanten verursachten, den Oenuss sekr empfindlich störten. Neudelsobns schöner Obor „Wer bat Dieb Du schöner Wald" erökknete die Reibe der herrlichen Rieder. Welch prächtige Ltimmeu uud reiuer, ungekünstelter Vortrag, welch narte klebergänge vom stärksten körte num wispernden kianissimo, das von den Rippen perlte, wie pures Oold. Rs ist schwer nu sagen, welchem von den nun folgenden Ltücken der kreis gebührt in dem reichhaltigen krogramm, das dis Damen auks liebenswürdigste noch durch einige Liolsgen bereicherten. War mau Zuerst versucht, Vbts „Waldandacht," mit dem überaus lieblich vorgetrageneu 8o- prau-8olo den Vorzug ?u geben, so brachte die mächtige Altstimme in Wetterlings 8erenade unser Urteil wieder ins 8cbw»n-
ken- Rebrigens lag der mächtige Zauber, der dis Zuhörer gelangen hielt, in dem wunderbar harmonischen Xusammsnklang aller 8timmen , der krisden in Herren und Osmüt ausgoss. Das kublikum einer Ladestadt ist gewöhnlich niebt das Dankbarste, da in der Kursen 2eit eines üurauksnt- balts in raseb er kolgs sn vielerlei geboten wird, nnd wer sieb hier dem ruhigen dla- turgenuss bingeheu will, meidet gerne jede Aufregung; wer aber lausokte niebt entrückt den innigen Riedern, die von dieser» holden Rippen drangen und in dem llerren nicht anders Oelübis weckten, sondern nur den eigenen Rmpündungen in dieser köstlichen Waldnatur Ausdruck ru verleihen scheinen. Rnssrn herrlichsten Dank den edler» 8ängsrinnsn und hoffentlich — auf Wiedersehen! kl.
Wer misch tes.
(Soldatenschinderei) Ein Soldat des 3. Jnf.-Regts. in Württemberg hatte sich vor einiger Zeit den Finger der linken Hand abgehauen und suchte durch Verbluten seinen Tod herbeizusühren, weil er sich vor dem Unteroffizier fürchtete. Nach fünfmonatlichem Untersuchungsgefängnis und Beobachtung des Unteroffiziers >m Lazarett (ob Geistesgestörtheit desselben vorliege) wurde folgendes Urteil gefällt: Der Unteroffizier erhält 1 Jahr 3 Monate Festungsgefüngnis und wird zum Gemeinen degradiert; der Soldat erhält wegen Verstümmelung 1 Jahr Gefängnis und wird in die 2. Klasse des Soldatenstandes versetzt Vom König wurde letztere Strafe aufgehoben und vie Gefängnisstrafe auf 3 Monate herabgesetzt.
(Wie der deutsche Kaiser reist.) Wenn der deutsche Kaiser größere Reisen unternimmt, besteht sein Hofzug der Regel nach aus 10 verschiedenen Wagen. Dieselbe» sind in der Mehrzahl als Durchgangswagen mit einen Seitengang gebaut; nur die Wagen mit de» Salons der allerhöchsten Herrschaften, ferner der Gepäckwagen und der Küchen- wage» sind nicht mrt solchem Dmchgange versehen. Untereinander sind sämtliche Wagen mittelst eiserner Uebergangsbrücken verbunden, die ringsum durch ausziebare gefaltete Leberbalken umgebe» sind, so daß inan vollständig gedeckt von einem Wagen zum andern gelange» kann. Im Innern sind diese Lederbalken des besseren Aussehens wegen mit einem Futter ans braunem Stoff, Las aus das Leder angeknöpft werden kan», versehen. Sämtliche Wagen sind nach amerikanischer Art auf Drabtgestelle und nicht nach deutscher Art mit festen Radachsen erbaut, so daß sie sich auch in den Krümmungen der Eisenbahnstrecke leicht und ebne Stoße bewegen. Sämtliche Wagen, mit Ausnahme derjenigen, in denen sich die kaiserlichen Salons und Schlafgemächer befinden, sind mit Bremsen und zwar mit Lustbremsen, ausgerüstet. Die Wagen haben die beträchtliche Länge von 16 — 17 Meter. Von 10 Wagen des Zuges ist einer der Salonwagen des Kaisers, ein zweiter derjenige der Kaiserin. Der dritte und vierte Wagen dienen für das beiderseitige „Gefolge," der fünfte und sechste Wagen für das beiderseitige „Begleitungspersonal." Ein siebenter Wagen enthält den Speisesalon und die zugehörigen Anrichträume, ein achter Wagen die Küche, ein neunter und zehnter Wagen endlich sind für das Gepäck und die Eisenbahnbeamten, die den Zug begleiten, bestimmt.