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Urs. 74.
Donner stcrg.
29. Zuni 1893.
29. laki'gang.
Württemberg.
St ult gart, 22. Juni. Der hiesige Gemnnveral hat mit 12 gegen 11 Stimmen beschlossen, das Orlsstaiul Uber die Sonntagsruhe auszuheben und ' die Kgl. StadtLirektion zu bilttN, vormittags von 8—9 und nachmittags von 11—3 Uhr den Verkauf zu gestatten. Bet der Abstimmung gab der Stadtvorstand mit seiner Stimme den Ausschlag.
Stuttgart, 24. Juni. Heule Vormittag fand von 10 bis '/»2 Uhr in der Zentralstelle für Landwirtschaft unter dem Vorsitz des Direktors. Freiherrn Hans v. Ow, eine Sitzung des Notstandausschusses statt, welcher beiwohnten die Oekonomieräte Ege und St>rm, Negierungsrat Klausnitzer, Mühlebc- sitzer und Vorstand der Landesproduktenbörse Kreglinger rc. Zur Abgabe an die Viehbe- sitze», bezw. die Gemeinden stehen folgende Vorräte bereit: 400 Waggon Mais, 10 Waggon Baumwollsagtmehl, 10 Waggon getrocknete Biertreber, 3 Waggon Erdnußkuchen, 30 Waggon Palmkuchen, 100 Waggon Mohnkuchen, 3 Waggon Sesamkuchen, 2 Waggon Nepskuchen, 100 Waggon Torfstreu, 80 Waggon Chilisalpeter, 100 Waggon Thomasphosphatmehl, Superphosphat jedes Quantum, Kaiiiit ebenfalls jedes Quantum. Adressen von Stroh- und Heulieferanten wurden direkt an die Obcrämter und Schultheißenämter ab- gesandt.
Stuttgart, 26, Juni. Heute vormittag 12 Uhr erschienen auf telephonischen tzlüstrag des Königs 4 Mitglieder der Notstands-Kommission, bestehend aus dem Direktor Hans v. Ow, dem Vorstand der Land>s- Provuktenbörje Kreglinger und den Oekono- mieräten Ege u. Srockmaier bei dem König. Der König erkundigte sich, genau nach dem Umsang des Notstandes und nach .den bereits geschehenen..Schritten zu dessen Hebung. Der König,.drückte zugleich sein tiefstes Bedauern über diesen Notstand aus und versicherte die Deputation, daß seine Negierung erstes thlln werde, rpaS zu dessen Bekämpfung irgendwie möglich, .sei, Mit, großer Befriedigung nahm Hsr Kynig von der . Misteilüng Kenntnis, daß von ben aesj-rn den Notleidenden. zur Beifügung gestellten 4oO Waggon Mais, 80 I^gggonü bereits an die Notleidenden verkauft und zu einem, guten Teil an dieselben Von Mannheim unterwegs scsen. Der König wünschte auch fermrhin über den Notstand selbst, wie über die dagegen angewendetcn Mittel unterrichtet zu werden.
— 28. Juni. Es läßt sich denken, daß der Ausfall der Stichwahl in Stuttgart alle patriotischen Herzen mit großer Freude und Genugthuung erfüllt hat. Lange schwankte
der Sieg zwischen den beiden Kandidaten und schon schien cs, daß nach dem Ausfall der Wahl in der Stadt Stuttgart Kloß der Sieg bleiben werde. Die nach und nach eingehenden Resultate aus dem Amte gaben dann endlich für Siegle den Ausschlag. In der Stadt erhielt Siegle nur 11,861 Stimmen, Kloß aber 12,660, im Amte dagegen der erste 4203, Kloß aber nur 3165, so daß Siegle mit 239 Stimmen in der Majorität blieb. Es ist bei der Stichwahl das eingetreten, was jeder mit den hiesigen Verhältnissen Vertraute voraussehen konnte. Die gemäßigten Kreise der Volkspartei haben trotz ausgegebener Parteiparole für Siegle gestimmt. Man wird begreifen, daß unter diesen Umständen die Sozialisten sehr schlecht auf die Volkspartei zu sprechen sind. Für jeden Fall waren seitens des M.btärs Vorkehrungen getroffen worden, um etwaigen Ruhestörungen zu begegne». Es lief jedoch alles in bester Ordnung ab. — Die Sozialdemokrat.n sollen beabsichtigen, die Wahl anzufechten.
— Das Gesamtergebnis der Wahlen i» Württemberg ist nunmehr folgendes: 1. Wahlkreis : Siegle, Deutsche Partei; 2. W.:
Schnaidt, Volksparter; 3. W.: Haag, V. P.; 4. W. Kercher, V. P.; 5. W. Ehni, V. P.; (bisher D. P.); 6. W.: Payer, B. P ; 7. W. : v. Gültlingen, Neichsp. ; 8. W. : Gallcr, V. P.; 6. W- : K. Haußmann, V. P.; 10. W. : Speiser, V. P.; 11. W. : Hartmann, V. P.; 12. W : Pflüger, V.P.; 13. W.: Wengerl, Zentrum; 14. W.: Bant- leon, D. P. (bisher V. P.); 15. W.: Gröber, Zentrum; 1P W.: Bxauy Z. ; 17. W: Rembold, Z. Es sind somit in Württemberg 10 süddeutsche Volksparteiler, 4 Zentrumsmitglieder, 2 Teutschparteiler und 1 Reichs- parteilcr. . Die V.eräyd'erungen gegen dse Ver treiung im ausgelösten Reichstag si«d nicht von großer Bedeutung. . Die Polkspartei hat ihre gleiche Zahl behalten, da sie Wohl einen Sitz gewonnen, aber auch einen verloren hat. Das Zeptrüm hat seine 4 Sitze behalten, aper statt..einem Befürworter 8« MikitL.rvo.r- sage .einest..Wgüer derselben hurchaehracht. Da die deuss^c ^strtei. einen Sitz behalten, einen gewonnen und einen perlören hat, 1 Rcichspartei wieder gewählt.»st, so ist durch deü Zentrümsailyänaer, welches gegen die Militärvorlage »st, sur letztere unter den würk- tembergischen Reichstägsmitgliedern ein Gegner mehr entstanden. Im aufgelösten Reichstag waren von den 17 würltembergischen Abgeordneten 4 für die Vorlage und 13 dagegen, jetzt werden 14 gegen sie und nur 3 dafür stimmen.
Höfen, 26. Juni. Der 13 Jahre alte hiesige Knabe Gioßmann, welcher vergangencs
Woche von einem hier beschäftigten und wohnhafte» Maurer aus Schwann eine» Stein an den Kopf geworfen erhieli, ist infolge der erhaltenen Verletzungen vergangene» Samstag gestorben. Tie Hirnschale war zersprungen. Der Tbäter ist veihaftet, derselbe wollte in 14 Tagen Hochzeit mache».
G räfenh aus e n, O.-A. Neuenbürg, 26. Juni Vor etwa 9 Jahren brannte das Bleiholdcr'sche Oekonomieanwescn, großes Doppelhaus Scheune und Stallung nieder. Es entstand durch den Brand ein Schaden von etwa 30 000 Mk. Nun ist dieser Tage ein Schmiedgesclle, welcher zur Zeit des Brandausbruches hier in Arbeit stand, aus einem Orte bei Freudenstadt nach Neuenbürg einge- licsert worden, welcher der damaligen Brandstiftung dringend verdächtig ist. S. Zt. wurde schon mit Bestimmtheit Brandstiftung vermutet. Der Untersuchungsrichter vom Landgericht Tübingen verweilt schon 3 Tage hier betr. der Voruntersuchung.
Rundscha «.
Baden-Baden, 26. Juni. Der Bürgerausschuß erteilte zur Ausführung der Kanalisation der hiesigen Stadt nach dem von dcm Stadtrat unterm 9. Febr. d. I. vorgelegten Projekt mit einem aus Änlchens- mitteln zu bestreitenden Kostenaufwand von 1800 000 Ma>k die Genehmigung.
— 26. Juni. Die gestrige Lustballon- Auffahit von Miß. Polly gestaltete sich syr die Luftschiffen» sehr gefahrvoll. Die Auffahrt des Ballons sollte programmäßig zup halb 6 Uhr erfolgen, verzögerte sich abcr bis nach 6 Uhr. Miß Polly fuhr allein auf, Kapitän Ferell blieb zurück Per Ballon fyhr bei Südwestwind in nordöstlicher Richtung ; in der Höhe über dem Hupgerberg ließ sich Miß Polly abstürzen in der Hoffnung, aus dem Hungerberg oder in der Thalmulde ,xor dem ^tginwäldchen niedezzugehcn. Die Berechnung war gut, aber im letzten Moment wurde Miß Polly mit dciy Fafl- schirflt in das ^teinwäldchen getrieben, wo sie am sogenannten Hasensprung an ejnep alten Tänst? hangen bsieb. Die Situation war eine sehr prekäre; sie mußte in derselben etwa .e>fle halbe Stunde mitten in dem heftigen Pewitter, das sich während dieser Zeit enslud verbleiben. Leute, die die Absturzstelle auf- suchlen besreiten Miß Polly aus ihrer schlimmen Lage, indem sie vom Hungerberg Leitern herbeiholten, auf denen sie herunterstieg. Den größten Dienst leistete der Luftschiffen» der Zimmermann Anton Morlock aus Ebersteinburg. Der Ballon an dem Miß Polly, ehe