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wird abgelehnt, in Rücksicht darauf, daß eine bereits vorhandene Verordnung des König!. Finanz-MinisteriumS dieses Privilegium an kranke und unvermögliche Krieger zu billigt. Der nächste Bundestag wird 1895 inBiberach abgehalten. Jedoch soll von der bisherigen Hebung, den Tag an Pfingsten abzuhalten, künftig auf Wunsch der K. Eisenbahndircktion abgegangen werden, da der Verkehr um diese Zeit ohnehin ein gesteigerter ist. Es ist die Zeit zwischen Ostern und Pfingsten vorgeschla­gen. Zum Schluß der Verhandlungen wurden die Wahlen in das Präsidium, die Revisions­kommission und den Landesausschuß der vier württ. Kreise vorgenommen, welche der Haupt­sache nach auf die bisher gewählten Mitglieder entfielen. Nach dem Essen, um 12 Uhr, ord­nete sich der Festzug in dem sich 89000 Kriegerbundsmitglieder befunden hab n mögen. Auf dem Festplatz war eine Loge für die Prinzlich Weimar'sche Familie rc. aufgekaut, an welcher der imposante, durch alle möglichen Fahnen und Standarten bunt belebte Festzug um zweieinhalb Uhr des Nachmittags unter Hurrah- und Hochrufen vorbeidefilierte. Gleich nach Einmündung des Zuges in den Fest­platz auf derMaille" entwickelte sich dort ein volksfkstartiges Getriebe, das bei elek­trischer Beleuchtung bis in die tiefe Nacht hin­ein ungeschwächt fortdauerte.

Eßlingen, 23. Mai. In der heute Abend gehaltenen Versammlung der Deutschen Partei wurde der seitherige Vertreter offiziell als Kandidat aufgestellt. Kommerzienrat Weiß nimmt die Kandidatur an und wir sehen einem glänzenden Wahlergebnis entgegen.

Von der Hochflächedes Schwarz­waldes, 23. Mai. Endlich scheint der Bann weichen zu müssen, der infolge der Trockenheit schon seit Monaten auf der Land­wirtschaft und weiterhin auf allem Geschäfts­leben liegt, und als gestern abend der erste starke Gewitterregen niederging, kam vielfach die hoffnungsvolle Stimmung zum Ausdruck: Der alte Gott lebt noch. Heute folgten einige weitere Regengüsse, und es rauscht, als wollte es noch mehr regnen. Der Notstand hat aber auch eine Höhe erreicht, daß baldige Hilfe dringend not thut. In vielen Orten kann selbst für den höchsten Preis kein Zent­ner Futter mehr gekauft werden. Als Beleg für die Größe der Futterklemme möge fol­gender ernst-heitere Vorfall Erwähnung finden: Ein armer Knabe, der seiner Kuh das letzte Futter brachte, legte, während er weiter um dieselbe beschäftigt war, seinen geschenkten Strohhut in die Krippe. Als er nach kurzer Zeit ihn wieder aufsetzen wollte, war derselbe verschwunden. Nach langem Suchen fand man endlich in der Krippe das Band des Hutes, zernagt und zerfetzt. Die Kuh hatte den Hut bis auf diesen unverdaulichen Ueber- rest gefressen. So geschehen in dem Vieh- Hungerjahr 1893 zu D.

Rottweil, 22. Mai. Der hiesige Kaufmann I. L. läßt seine Ausgänge durch den Bäckermeister F. besorgen. Heute über­gab er ihm einen Geldbrief behufs Verbring­ung zur Post. F.z ging aber zuvor in seine Wohnung und legte den Geldbrief für kurze Zeit dort nieder; als er denselben zur Post tragen wollte, war er verschwunden und mit ihm sein 24 Jahre alter Sohn, ein stellen­loser Metzger. Der Sohn ist wahrscheinlich mit einem Zuge abgereist, wird aber nach allen Richtungen hin telegraphisch verfolgt, so daß er wohl nicht weit kommen wird.

Gaildorf, 20. Mai Diesen Vormit­tag 9 Uhr ist in Fichtenberg ein von zwei Familien bewohntes Wohngebäude abgebrannt; gerettet wurde ziemlich viel, es wird sich der Fahrnisschaden auf etwa 2000 Mk. belaufen

Das Feuer ist in der im Scheunenraum auf ! bewahrten Wiesenfege ausgebrochen; auf welche 'Weise wird die Untersuchung ergeben. Zwei 'Ziegen, welche nicht mehr abgekoppelt werden konnten, sind mitverbrannt.

Ulm, 19. Mai. In der Münsterstraße waren, gestern die neuen Munitionswagen für die 13., 14. und 15. Kompagnie des 5. K. W. Infanterieregiments König Karl Nr. 123 aufgestellt. Offenbar sind diese Wagen für das neuzubildende 4. Bataillon des ge­nannten Regiments bestimmt. Bei dieser Ge- legenheit wird von gutunterrichteter Seite wiederholt als wirkliche Thatsache versichert, es sei die Militärvorlage schon so weit geför­dert, daß Alles bis ins kleinste Detail parat liege, nur an einem Stücke fehle es noch, an einem gefügigen Reichstag, der die bereits ge- machten Ausgaben bewilligt.

Rundschau.

Pforzheim, 21. Mai. Vergangene Nacht brach in Büchenbronn Feuer aus. Drei Wohnhäuser und 3 Scheuern mit Stallungen sind abgebrannt. 8 Familien sind obdachlos, zum Glück alle versichert. Der Schaden be­trägt etwa 35 000 Mark. Entstehungsursache unbekannnt.

Pforzheim, 20. Mai. Die hiesige Stadt beging diese Woche ein bedeutungsvol­les Fest. Es war die Grunvsteinlegung des neuen Rathauses. Oberbürgermeister Haber­mehl und Stadtverordneten - Vorstand Bank­direktor Kays er hielten die Festreden und gaben sehr interessante Rückblicke über die ge­schichtliche Vergangenheit und Bedeutung der alten Markgrafen - Residenz Pforzheim. Die Stadträte, der Stadtbaumeister und die Geist­lichen der verschiedenen Konfessionen vollzogen ebenfalls wie die Festredner die üblichen Ham­merschläge und begleiteten sie mit treffenden Weihesprüchen. Eine in der Gegenwart be­rühmte Persönlichkeit hielt sich in diesen Tagen hier auf: es war Booth, der General der Heilsarmee. Der ehrwürdige Greis hielt in einer Versammlung eine englische Ansprache, welche von einer Schweizer Dame verdolmetscht wurde. Es waren aber hauptsächlich Neugie­rige zugegen, welche die immerhin sehenswür dige und interessante Persönlichkeit einmal ken­nen lernen wollten, so daß die Heilsarmee hier trotz des jGeneralS keinen besonderen Erfolg hatte.

Offenburg, 21. Mai. Der wegen viele Jahre hindurch fortgesetzter Unterschleife verhaftete Obeiingenieur Scholl hat sich heute im Gefängnis erhängt. Wie hoch die Summe ist, welche Scholl durch betrügerische Mani­pulationen veruntreut, ist noch nicht ermittelt und dürfte sich auch kaum feststellen lassen. Nachdem sich Scholl der irdischen Gerechtig­keit entzogen, wird sich die weitere Unter­suchung vornehmlich auf Ermittelung der­jenigen Beträge erstrecken, die von den Unternehmern, mit denen er Geschäfte ge­macht, ersetzt werden müssen. Mehrere dies er Herren sind inhaftiert.

Heppenheim, 22. Mai. Mehrere Bürschchen, welche auf ihrer Fahrt von Bens- heim hieher das Notsignal zogen und so den Zug zum Halten brachten, büßen ihren mut­willige» Streich mit dreißig Mark Geld­strafe.

Tauberbischofsheim, 21 .Mai. Als

gestern eine ledige Dame von hier zu Fuß nach Gerlachsheim ging, wurde sie unterwegs von einem Vagabunden überfallen, der die Dame zu vergewaltigen und zu berauben suchte. Die Angegriffene setzte sich zur Wehr und rief um Hilfe, bei dem Kampfe wurden I ihr die Kleider beschädigt und sie im Gesicht! verletzt. Sie wäre wohl dem Angreifer unter-!

legen, wenn nicht plötzlich ein Fuhrwerk von hier gekommen wäre, dessen-Dazwischcnkunst den Vagabunden veranlaßte, rasch über das Feld das Weite zu suchen. Die Gensdarmerie ist hinter dem Thäter her und hat ihn viel­leicht jetzt schon dingfest gemacht.

Berlin, 21. Mai. Eine Ordre des Kriegsministers wies sämtliche Bezirkskom­mandos an, die auf den Wahltag fallenden Frühjahrsübungen der Landwehr zu ver­legen.

Berlin, 22. Mai. Nach einer Mit­teilung derGermania" heißt es im Wahl­aufruf des Zentrums, betr. die Militärvor­lage,Widerspruch gegen die Militärvorlage und den von den Bundesregierungen ange­nommenen Antrag Huene werde der Feldruf des Zentrums sein. Das Zentrum betrachte auch in Zukunft die Resolution WindthorstS als Richtschnur.

Berlin, 23. Mai. DieNordd. Allg. Ztg." veröffentlicht folgendes Telegramm des Prinzen Hermann zu Sachsen-Weimar an den Kaiser.Eurer Kaiserlichen Majestät, dem obersten Kriegsherrn, huldigen die in Eßlingen zum Bundestag versammelten 8000 Kamera­den des württembergischen Kriegerbundes mit ehrfurchtsvollem Gruß und dem Ausdrucke treuester Hingebung für Kaiser und Reich, König und Vaterland." Hierauf antwortete der Kaiser sofort:Hocherfreut durch den Hul­digungsgruß spreche ich dem württembergischen Kriegerbunde für den Ausdruck der Treue und Hingebung für Kaiser und Reich meinen Herz- ichen Dank aus."

Prag, 21. Mai. Der Statthalter er­hielt telegraphisch die Mitteilung, daß der Landtag auf Grund Allerhöchster Ermächtigung geschloffen sei. Die beispiellosen Skandal­szenen der Jnngtschechen hatten jede Verhand­lung unmöglich gemacht und mit dem jetzt erfolgten Schluß des Landtags haben sie ihren Willen durchgesetzt.

Aus Thun, 21. Mai, wird gemeldet : Die Verhandlungen gegen den Raubmörder Thierstein (der auf dem Belchen einen Tou­risten, den Supernumerar Ott, ermordet hatte) wurde heute vormittag 9 Uhr vor dem Schwurgericht des ersten Bezirks unter großem Zudrang des Publikums eröffnet. Die Anklage lautete auf Mord nnd Raub. Das Verhör des Angeklagten bestätigt dessen unumwundenes Geständnis. Der Vater des Ermordeten war persönlich als Zivilpartet anwesend. Nach beendetem Verhör und Vernehmung der gerichtsärztlichen Sachver­ständigen, welche die Verwundungen des OpferS als tödlich bezeichnen, plaidirte der Fürsprecher Löhner, Vertreter der Zivilpartet, in scharfer Rede für Schuldig des Mordes und Raubes. Hierauf erhält der Staats­anwalt zur Buchen das Wort, der sich mit aller Schärfe gegen die Zubilligung mildern­der Umstände erklärt. Die Verhandlung wird um 2 Uhr unterbrochen. Nach Be­endigung der Mittagspause ergriff der Ver­teidiger Merz das Wort und sprach im Hin­blick auf den überspannten Geisteszustand und den verzweifelten geistigen und körper­lichen Zustand des Mörders zur Zeit der That für mildernde Umstände. Nach einer kurzen Replik des Staatsanwalts wurden die Plaidoyers für geschlossen erklärt und die Geschworenen zogen sich zur Beratung zurück. Thterstein wurde unter Ausschluß mildernderUmständezu lebenslänglicher Zucht­hausstrafe und zivilrechtlicher Entschädigung von 4000 Fr. verurteilt.

London, 21. Mai, Aus San Fran­ziska wird gemeldet: DemHongkong Kurier" zufolge steckt« in Kamly eme Räuber-